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Guten Tag,

Ich lese gerade das Buch "Propagandaschlacht ums Klima" von Michael Mann, einem der bekanntesten Klimaforscher der Welt. Jahrelang versuchten Klimawandel-leugnende PR-Söldner mit üblen Tricks seine Glaubwürdigkeit zu zerstören. (Die Zeit verfasste darüber 2012 ein grandioses Dossier). Mann ließ sich nicht unterkriegen und ging zum Gegenangriff über. In der Einleitung seines Buches schreibt er nun: "Ich möchte meine Leser daran beteiligen, als bereitwillige Kämpfer unseren Planeten vor der Klimakrise zu retten, bevor es zu spät ist."

Nicht die Dringlichkeit lässt mich staunen, sondern der Ton. Ein Forscher führt das Wort "Schlacht" im Buchtitel und will "Kämpfer" mobilisieren, um die Erde zu retten. Klar, Wissenschaft war nie neutral. Aber wie lautstark WissenschaftlerInnen mittlerweile ihre Stimme für ehrgeizigen Klimaschutz erheben, ist neu. Auch in Österreich protestieren sie immer bestimmter gegen zu lasche Klimapolitik. Niemand ist dabei glaubwürdiger als sie, weil niemand besser um den Zustand der Erde Bescheid weiß. Der Schritt in die politische Arena ist für WissenschaftlerInnen dennoch alles andere als selbstverständlich. Schließlich hängt die Forschung zu einem guten Teil auch an öffentlichen Geldern und damit vom politischen Gutdünken ab. Zudem ist das nüchterne Selbstverständnis der ForscherInnen, die sich in dicken Büchern mit komplexen Dingen beschäftigen, oft weit weg von jenen der AktivistInnen, die griffige Einzeiler aufs Plakat pinseln.

Die Zeiten scheinen nun vorbei, in denen sich WissenschaftlerInnen im Elfenbeinturm verschanzten, dessen Mauern so dick sind, dass man sich hinter ihnen zwar sicher fühlt, aber gleichzeitig von niemandem gehört wird. Waren es in den vergangenen 30 Jahren Einzelne, die sich aus der Deckung wagten, sind es nun in den vergangenen zwei Jahren Tausende geworden, die den Elfenbeinturm verlassen haben, und sich in den Demozug der Klimastreiks eingereiht haben.

Sie entwickelten dabei eine unglaubliche Wirkmacht. Dass Fridays for Future so schnell so erfolgreich werden konnte, liegt auch daran, dass ExpertInnen dem Anliegen der Jugend die nötige Glaubwürdigkeit verliehen haben. Während Politiker versuchten, die jungen Menschen als Schulschwänzer abzuschasseln und den Protest kleinzuhalten, sammelte die Initiative Scientists for Future im Jahr 2019 allein im deutschsprachigen Raum rund 27.000 Unterstützungsunterschriften aus dem akademischen Umfeld. Während die Kids "Hört auf die Wissenschaft" riefen, erklärten die WissenschaftlerInnen: "Hört auf die Jugend!"

"Wenn man so etwas unterschreibt und sich als Scientist for Future versteht, ist man beides: Dann ist man nicht nur Wissenschaftler, sondern hat auch eine gesellschaftspolitische Position eingenommen“, erzählte mir Klimaforscher Gottfried Kirchengast von der Uni Graz im Zuge meiner Recherchen für mein Buch "Inside Fridays for Future". Er war einer der Gründerväter der Initiative - und auch für ihn war es zugleich Wagnis und Rollenwechsel. In der deutschen Charta von Scientists for Future steht nun fett gedruckt in großen Buchstaben: "Wir forschen, handeln und wir ändern etwas! "

Welch prägende Rolle die WissenschaftlerInnen in der öffentlichen Klimadebatte spielen, hat sich vergangene Woche deutlich gezeigt. Da vermittelten ForscherInnen aus mehreren österreichischen Universitäten die Dringlichkeit der Klimakrise in einer Pressekonferenz, um für die große Klimademo Stimmung zu machen. Auf der Demo selbst hielt Sigrid Stagl, Ökonomin an der Wiener Wirtschaftsuniversität, eine Rede und wurde prompt für einen ZiB-Beitrag interviewt, um sich für einen hohen CO2-Preis stark zu machen. Im Standard erklärte wiederum Reinhard Steurer, Politologe an der Wiener Universität für Bodenkultur, warum er mittlerweile als Wissenschaftler für Klimaschutz auf die Straße geht und machte sich auch im ORF für den Protest stark. Und dann ist da noch der Streit um die Stadtstraße und den Lobautunnel, wo eine Gruppe aus WissenschaftlerInnen und VerkehrsexpertInnen rund um Hermann Knoflacher und Barbara Laa von der TU Wien zu den prominentesten GegnerInnen des Projekts gehören. Sie liefern den BesetzerInnen nicht nur das inhaltliche Fundament des Protests, sondern stärken ihnen auch öffentlich den Rücken.

Dass Forscher forscher wurden, hat auch uns JournalistInnen geholfen und uns vor False-Balance-Berichten bewahrt, die die Debatten in der Vergangenheit bis ins Groteske verzerrt haben. Gegen ein Heer an WissenschaftlerInnen kann auch der gewiefteste PR-Berater fossiler Konzerne nur noch wenig ausrichten.

Wer weiß, wo wir heute stünden, wenn die WissenschaftlerInnen weiter im Elfenbeinturm geblieben wäre. Ihr Mut hat sich bezahlt gemacht – für uns alle.

Ein großes Danke dafür!

Bild von Benedikt Narodoslawsky
Ihr Benedikt Narodoslawsky

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Gute Nachricht

Sie haben es wahrscheinlich eh mitbekommen, aber das Klimaticket gibt's zukünftig nun doch für alle Bundesländer. Nachdem schon vor Wochen eine Einigung mit sechs Bundesländern bekannt gegeben wurde, haben – gerade noch vor dem Start des Vorverkaufs – nun auch Wien, Niederösterreich und das Burgenland sich mit Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) geeinigt. Und das ist eine sehr gute Nachricht.

Ein billiges österreichweites Öffi-Ticket ist schließlich ein wichtiger Baustein der Verkehrswende und gerade der Verkehr hat in den vergangenen drei Jahrzehnten Österreichs Klimabilanz versemmelt. Nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, mit dem der Strom bis 2030 sauber werden soll, ist das Klimaticket der zweite wichtige klimapolitische Erfolg der türkisgrünen Regierung. Dementsprechend ist auch die öffentliche Resonanz. Die Mobilitäts-NGO VCÖ lobt es als "wichtigen Schritt, um den Verkehr auf Klimakurs zu bringen", die Kleine Zeitung nennt es einen "grünen Leuchtturm" und der Kurier spricht von der "Stunde der Leonore Gewessler".

Das Klimaticket ist ab heute bis 31. Oktober im Vorverkauf vergünstigt erhältlich. Alle Details dazu finden Sie hier.

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Buchtipp

In der aktuellen Ausgabe finden Sie einen Vorabdruck von Florian Klenks neuem Buch "Bauer und Bobo. Wie aus Wut Freundschaft wurde". Es geht darin um eine echte Geschichte, die sich liest wie ein modernes Märchen: Ein wütender Bauer schimpft einen Mann aus der Stadt. Der fährt zu ihm, um ihn kennenzulernen. Die beiden unterschiedlichen Figuren werden Freunde und am Ende gibt es ein nahezu unglaubliches Weihnachtswunder.

Wir konnten in der Redaktion selbst beobachten, wie Klenk die Freundschaft mit dem Bergbauern Christian Bachler verändert hat. Vielleicht würde es das Natur-Ressort und diesen Natur-Newsletter nicht ohne diese schicksalshafte Begegnung geben, denn Bachler hat Klenk auf seinem Hof für die Landwirtschaft, die Biodiversität und die Klimakrise stark sensibilisiert. Wie sehr, beschreibt Falter-Herausgeber Armin Thurnher in seiner Seuchenkolumne.

In der aktuellen Ausgabe finden Sie einen Vorabdruck aus dem Buch des Chefredakteurs, in dem er erklärt, wie es einem Team aus politisch völlig unterschiedlichen Menschen gelang, 12.829 Spender dazu zu bringen, den Bergbauern Bachler vor dem Ruin zu bewahren. Heute präsentiert Klenk sein Buch mit Bachler und der Moderatorin Barbara Stöckl um 20 Uhr im Wiener Rabenhof.

Tierwohl

Im Juni berichtete meine Kollegin Gerlinde Pölsler über die erschreckenden Zustände bei österreichischen Kälber-Transporten. Die Grünen haben nun im Niederösterreichischen Landtag eine Anzeige gegen die Österreichische Rinderbörse eingebracht. Deren Klubobfrau Helga Krismer wirft der Rinderbörse vor, erst wenige Wochen alte Kälber innerhalb Österreichs viel zu weit und zu lang zu transportieren. Es bestehe der Verdacht, dass "billigend in Kauf genommen worden ist, dass zumindest ein Teil der Tiere … schwer bzw tödlich erkranken wird."

Bei der Anzeige bezieht sich Krismer, selbst Tierärztin, auf eine Untersuchung des Tiertransport-Experten Alexander Rabitsch und anderen. Zwei Kälber wurden zum Beispiel aus dem steirischen Mürztal erst zur Kälbersammelstelle in Salzburg-Bergheim gebracht, um nach vielen Stunden des Wartens, Ver- und Entladens zurück nach Niederösterreich gebracht zu werden. Der direkte Weg hätte 129 Kilometer betragen – tatsächlich fuhren die Tiere 603 Kilometer. So wie viele andere Kälber starben sie an den Folgen der Strapazen. Die Immunsysteme so junger Kälber können all den Viren und Bakterien, denen sie auf einer solchen Reise ausgesetzt werden, nichts entgegensetzen.

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„Uns verbinden dieselben Herausforderungen, weil wir auf derselben Erde leben. Deshalb braucht es Zusammenarbeit.“ (Kaffeebauer Charles Kahitison)

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Aus dem Falter 1

Wie wichtig die Arbeit der WissenschaftlerInnen im Kampf gegen die Klimakrise ist, zeigt sich nicht nur an ihrem gesellschaftlichen Engagement, sondern auch an ihrer Forschung selbst. Durch diese bekommen wir ein klareres Bild des Problems, und auch das führt indirekt zu politischem Druck. Auch das ließ sich letzte Woche beobachten. Da überarbeitete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ihre Leitlinien für die Luftgüte und senkte die Grenzwerte für die Luftschadstoffe Feinstaub und Stickstoffdioxid, weil diese gefährlicher sind als bislang angenommen. Österreich überschreitet die neuen WHO-Werte derzeit bei fast allen Messstationen - mit tödlichen Folgen.

Die neuen WHO-Leitlinien sind nicht rechtlich bindend, gelten aber als Richtschnur für die Politik. Die EU-Kommission kündigte bereits an, die WHO-Empfehlungen übernehmen zu wollen. Das wäre auch ein bedeutender klimapolitischer Schritt. Meinen Bericht über die neuen WHO-Leitlinien zur Luftgüte lesen Sie in der aktuellen Falter-Ausgabe oder hier.

Aus dem Falter 2

Am 2. Oktober 1991 flog Franz Viehböck ins All und sah als erster und bislang einziger Österreicher die Erde von außen. In der aktuellen Ausgabe erklärte mir der ehemalige Kosmonaut, warum er dort oben vor 30 Jahren zum Umweltschützer wurde und welche Momente ihm besonders nahe gingen.

Falter-Politikchefin Eva Konzett schrieb gestern im Falter.Maily über CEOs for Future, eine Initiative aus der Wirtschaft, die sich für ein starkes CO2-Preissignal einsetzt - und das wirtschaftlich begründet. Wie die Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) zugleich den Plan wirkungsvoller CO2-Bepreisung unterlaufen will, lesen Sie hier. Für den Maily-Newsletter können Sie sich hier kostenlos anmelden.

Martin Staudinger schildert im Falter.Morgen wiederum, wie die Wiener Stadtregierung damit hadert, wie sie mit den Klima-Protestcamps gegen die Stadtstraße im 22. Bezirk umgehen soll. (Eine Wiener Rad-Protestaktion gegen die Stadtstraße und den Lobautunnel findet übrigens heute um 17 Uhr statt.) Für den Morgen-Newsletter können Sie sich hier kostenlos anmelden.

Und Sie wissen eh, wenn Sie unsere Arbeit wichtig finden und gerade Geld auf der hohen Kante haben, können Sie uns unterstützen, indem Sie den Falter abonnieren. Er kostet weniger als das Klimaticket. Ist halt eher was für Reisen im Kopf.


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