Wer darf reden?
Wie abseitig dürfen Expertenmeinungen sein? Und wer ist überhaupt Experte? Immer öfter wird die falsche Balance bei Talkshows kritisiert. Dabei bräuchte es nicht nur mehr Streit, sondern vor allem besseren
Jan Böhmermann gegen Markus Lanz, das ist auch ein bisschen Brutalität. Der Satiriker und der ZDF-Moderator saßen vergangene Woche bei einer Podiumsdiskussion der deutschen Wochenzeitung Die Zeit zusammen, da zog Böhmermann vom Leder. Den Epidemiologen Alexander Kekulé und den Virologen Hendrik Streeck in eine Lanz-Talkshow einzuladen sei „fachlich“ wirklich „keine gute Sache“. Denn da wären bei Lanz ja Meinungen vertreten, die „durchtränkt von Menschenfeindlichkeit“ seien. Lanz staunte, aber Böhmermann setzte noch eins drauf: Talkrunden, die Außenseitern gleich viel Bedeutung gäben wie etablierten Experten, würden dem Publikum eine „false balance“ vorgaukeln. Ein falsches Abbild der Wissenschaftswirklichkeit.
Nun liegen Kekulé und Streeck tatsächlich nicht auf einer Wellenlänge mit dem stets warnenden Christian Drosten, dem Institutschef an der Berliner Charité. Aber immerhin ist Streeck Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, also Drostens Nachfolger. Und Kekulé ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Virologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle. Die beiden Wissenschaftler als abseitig hinzustellen, gar in einen Topf mit Corona-Leugnern zu werfen, die tatsächlich Menschenleben gefährden, war weit daneben.