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Guten Abend!

Der österreichische Publizist Christian Felber, Autor von Bestsellern zur Gemeinwohl-Ökonomie, hat großen Respekt, aber keine Angst vor dem Corona-Virus. "Ich achte auf meine Gesundheit und vertraue meinem Immunsystem", begründet Felber seine Weigerung, sich impfen zu lassen. Verlässt nun auch dieser kluge Kopf das schwankende Schiff der wissenschaftlichen Aufklärung? Bevor Felber als Querdenker und Schwurbler abgestempelt wird, möchte ich auf eine wichtige Denktradition verweisen, in der österreichische Wissenschaftler eine maßgebliche Rolle spielten.

1970 forschte der damals 31-jährige Physiker Fritjof Capra am Teilchenbeschleuniger der Universität Stanford und hatte eine Vision: "Ich 'sah' die Atome der Elemente und die meines Körpers als Teil eines kosmischen Energietanzes". Der Forscher verfasste in der Folge den Bestseller "Das Tao der Physik" (1975), in dem er die tiefe Verwandtschaft zwischen westlicher Quantenphysik und östlicher Weisheitslehre analysierte. Capra wurde so zum Propheten des esoterischen New Age.

Der Historiker Thomas Sarasin nennt in seinem brillanten Buch "1978" auch den in Berkeley lehrenden Wissenschaftstheoretiker Paul Feyerabend als großen Skeptiker. 1975 veröffentlichte Feyerabend sein Werk "Wider den Methodenzwang", in dem er eine "anarchistische Erkenntnistheorie" formulierte. Nicht nur die abendländliche Rationalität führe demnach zur Erkenntnis, sondern auch die Kosmologie der Hopis, die Kräutermedizin oder das Handauflegen. Feyerabend berief sich auf physikalische Einsichten: "Das Bewusstsein beeinflusst die Materie."

Die bis heute andauernde Kritik am naturwissenschaftlichen Weltbild besaß einen Kern. Sie versprach dem Individuum eine zentrale Position im Kosmos. Die Erkundung des eigenen Bewusstseins war ebenso wichtig wie die Auseinandersetzung mit der kalten Welt der Fakten. Wer sich eins mit dem All wähnt, braucht keinen "Schulmediziner" und schon gar nicht Rezepte der Pharmaindustrie, dem Symbol für die Spaltung von Geist und Materie. Der Psychoboom war ein ungeheurer Narzissmus-Boost, der von Kritikern bereits damals als "Tyrannei der Intimität" oder "The 'Me' Decade" entlarvt wurde.

Wenn nun Christian Felber den Kräften seines Selbst mehr vertraut als dem Impfstoff aus dem Labor, wehrt er sich mit vertrauten Argumenten gegen den Methodenzwang. Wie sich der Ich-Imperativ der Selbstverwirklichung mit der Wir-Idee des Gemeinwohls verträgt, könnte das Thema von Felbers nächstem Buch sein.

Bild von Matthias Dusini
Ihr Matthias Dusini
Das Schöne

Wir leben im Wassermannzeitalter, zumindest wenn man den Kalender-Berechnungen der New-Age-Astrologen folgt. Die Menschheit sollte seither offen und tolerant sein. Das 1968 uraufgeführte und von Milos Forman verfilmte Musical Hair lieferte die Hymne dazu: "This is the dawning of the Age of Aquarius"

Aus dem Falter

"Leider kann ich erst morgen liefern, weil ich überfallen wurde." Die Ausreden des Architekturkritikers Jan Tabor für zu spät gelieferte Texte waren ebenso legendär wie seine Verrisse, die den 2000 renovierten Meinl am Graben ("Weltstadteinkaufswagerl") ebenso treffen konnten wie das MuseumsQuartier, das er nach der Eröffnung als "Nekropolis" bezeichnete. Nun ist Jan Tabor gestorben und Maik Novotny schrieb einen zu Herzen gehenden Nachruf.

Der Autor Anatol Regnier verfasste die vielgelobte Studie "Jeder schreibt für sich allein" über Schriftsteller im Nationalsozialismus. Im FALTER-Feuilleton erinnert Regnier an Adolf Wohlbrück, den schönsten Mann des deutschen Films. Was hat das Kabarettduo Maschek mit Arthur Schnitzlers Novelle "Fräulein Else" zu tun? Gerhard Stöger bat in der FALTER:WOCHE um Antworten.

FALTER.natur

Warum der Mensch keine Mühen scheute, die Natur zu unterjochen, und wie sich der vermeintliche Sieg jetzt gegen uns wendet, lesen Sie im aktuellen FALTER.natur-Newsletter von Benedikt Narodoslawsky. Außerdem erfahren Sie dort, was Sie tun müssen, damit Ihnen die Stadt Wien die Reparatur Ihrer Schuhe bezahlt und welche Buchpräsentation Sie nächste Woche keinesfalls verpassen sollten (Spoiler: Seine).

Heute im Fernsehen

Wir sehen in Österreich derzeit die höchsten Infektionszahlen seit Beginn der Pandemie. Wie konnte es so weit kommen? Barbara Tóth ist heute ab 22:35 in der ORF-Sendung "3 am Runden Tisch" bei Patricia Pawlicki zu Gast und diskutiert dort mit dem Medizinethiker Ulrich Körtner über das Corona-Management der Regierung.

Kino

Ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen, ist es sicherlich trotzdem nicht falsch, sich zeitnah ein paar Kinofilme reinzuziehen. In seinem wöchentlichen Kino-Newsletter hat Michael Omasta heute unter anderem den, den und den empfohlen.

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