Adieu, Tatrabär!
Jan Tabor war Architekturkritiker, Ausstellungsmacher, Erzähler, Europa-Utopist - und ein großer Enthusiast
Niemand weiß genau, warum sich Tschechen und Slowaken mit der Seefahrervokabel "Ahoj" begrüßen und verabschieden, obwohl ihr Territorium niemals eine Küste touchiert hat. Jan Tabor war so etwas wie die selbstverständliche Antwort auf diesen vermeintlichen Widerspruch: Geboren im binnenländischen Böhmen, aber mit der Physiognomie eines gemütlichen Kapitäns, der mit tiefer Stimme ausufernde Geschichten erzählte, stets von wohlgesetzten Atemholpausen interpunktiert. Es fehlte nur noch die Pfeife im Mundwinkel, um das ikonische Bild eines Seebären zu vervollständigen, aber Jan rauchte keine Pfeife, also nannte man ihn in den Falter-Redaktionsräumen liebevoll den Tatrabär.
Geboren 1944 in Poděbrady, studierte er ab 1963 in Brünn, bevor er im Zuge des Prager Frühlings 1968 mit seiner Frau nach Wien emigrierte. Das Überschreiten von Grenzen sollte ein Leitthema eines Lebens werden, das sich ohne Angst vor Widerspruch im austro-tschechisch-slowakischen Kulturraum entfaltete.