Als ich noch ein kleiner Bub war, spazierte ich mit meinem Vater gerne entlang der Traisen. Ich habe kaum noch Erinnerungen, aber eins weiß ich noch genau: der ganze Fluss hat gelb geschäumt, nie hätte man auch nur einen Fuß hineingesetzt. Die ehemalige Glanzstoff-Fabrik hat nicht nur St. Pölten und sein Umland verstunken, sondern auch die Traisen vergiftet.
Das ist lange her, die Traisen ist jetzt ein Biotop (der Radweg Richtung Krems ist übrigens immer noch ein wunderbarer Geheimtipp unter Wienern) und ich gebe zu, dass ich bis vor kurzem der festen Überzeugung war, dass Firmen ihre Abwässer nicht mehr in Flüssen entsorgen dürfen.
Doch das ist natürlich ein Irrtum. Firmen leiten ihre Abwässer ab, behördlich kontrolliert, in Kläranlagen gesäubert und überwacht. Aber wer kontrolliert am Ende, ob alles ordentlich ist? Die Nachbarn können das jedenfalls nicht. Zumindest war das bisher so.
Ein Biobauer aus dem Waldviertel, Robert Harmer aus Alt Perau, wollte sich das nicht länger bieten lassen. Er lebt an der Thaya, entnimmt dort Wasser für seine Felder und ärgerte sich darüber, dass der Chemiekonzern Jungbunzlauer bei der Produktion von Zitronensäure täglich 40.000 Kubikmeter Abwasser in den Fluss leiten darf – das sind immerhin 40 Millionen Liter oder 1300 Tanklaster pro Tag, also eine LKW-Kolonne in der Länge vom Wiener Stephansplatz bis zum Stadtplatz von Purkersdorf. Täglich.
Harmer wollte nun wissen, was die Firma so in die Flüsse leitet, doch die BH Mistelbach und das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wiesen ihn ab, die amtlichen Messergebnisse würden dem Amtsgeheimnis unterliegen. Die Geschäftsgeheimnisse der Firma - die viele Arbeitsplätze garantiert - würden höher wiegen als das Informationsinteresse des Bauern. Da könnte ja jeder kommen.
In dem Verfahren, so deckte seinerzeit profil auf, arbeitete allerdings ein Amtssachverständiger, der einst bei der Firma arbeitete und ihr auch sonst zu großem Dank verpflichtet war. Sogar in seiner Dissertation dankte er dem Chemiekonzern: „Die Firma, von der ich im Rahmen meiner Arbeit volle Unterstützung bei den zur Optimierung der Abwasserreinigungsanlage erforderlichen Untersuchungen erhielt, werde ich nie vergessen."
Der Verwaltungsgerichtshof setzte dieser niederösterreichischen Behördenpraxis nun ein Ende, wie der Standard zuerst berichtete. Das Umweltinformationsgesetz, aber vor allem einschlägige EU-Richtlinien verpflichten auch die Waldviertler Behörden dazu, dem Biobauern die genaue Zusammensetzung der Abwässer bekannt zu geben. Ein kleiner Schritt für Robert Harmer. Ein großer für die Öffentlichkeit. Der Europäischen Union sei gedankt, dass sie diese kakanische Geheimniskrämerei beendet. Das Erkenntnis des VwGH können sie hier nachlesen.
Haben Sie ein gutes Wochenende!