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Platz da!

Viel Kritik gab es im Vorfeld an der Neugestaltung des Pratersterns, heute wird er eröffnet. Wir haben uns schon mal mit dem zuständigen Architekten dort umgesehen >> PCR-Schultests: Vier Wochen Geld ohne Leistung? >> Peter Iwaniewicz fordert: „Rettet das Sommerloch!"

Wetterkritik: Es herbstelt. Die Blätter verfärben sich langsam und das Wetter lässt auch heute an einen trüben Oktobertag denken. Es wird wieder nass mit Temperaturen bis maximal 21 Grad. Am späten Nachmittag können vereinzelt ein paar Sonnenstrahlen durchdringen. Die nächsten Tage werden dann hoffentlich wieder sommerlicher.


Guten Morgen!

Was assoziieren Sie mit dem Wiener Praterstern? Versiegelung, Verkehrshölle oder Kriminalitätshotspot? Boulevardzeitungen füllen ihre Seiten regelmäßig mit Berichten über Messerstechereien und Vergewaltigungen: 17-Jähriger am Wiener Praterstern niedergeschlagen” oder Erneut blutige Prügel-Attacke am Praterstern” – das waren nur zwei Schlagzeilen der vergangenen Monate. 

Das Image vom gefährlichen Praterstern passte der Stadt gar nicht. Im Herbst 2021 startete die Umgestaltung des Verkehrsknotenpunkts: Grüner, sicherer und lebendiger sollte er werden. Ein echter Wohlfühlort”, sagte Bezirksvorsteher Alexander Nikolai (SPÖ) im Februar 2021. 

Aber noch bevor Planungsstadträtin Ulli Sima, Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky und Nikolai (alle SPÖ) heute den fertigen Platz präsentieren konnten, wartete die nächste mediale Pleite: Im Juli lösten Fotos von eiförmigen Sesseln eine Debatte über defensive Stadtplanung aus. Einmal mehr werden Sitzgelegenheiten aufgestellt, (…) die für ältere Menschen, Menschen mit Behinderung oder obdachlose Menschen nicht zum Ausruhen geeignet sind", schrieb Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas der Erzdiözese Wien, auf Twitter. 

Aber ist das schon defensive Architektur oder doch eher künstlerische Stadtplanung? Wie inklusiv ist der Platz nach der Umgestaltung? Und taugt die einstige Betonwüste wirklich zum Aufenthaltsraum?

Wir haben den umgestalteten Praterstern mit dem dafür zuständigen Architekten Eric-Emanuel Tschaikner besichtigt. Spoiler: Die Obdachlosen haben heute mehr Sitz- und Schlafplätze als vor der Umgestaltung. Aber das erzähle ich Ihnen gleich.

Außerdem: Vor zwei Monaten haben wir das Bildungsministerium aufgefordert, die Verträge über die PCR-Schultests offen zu legen. Wir berichteten, dass ÖVP-Minister Martin Polaschek zwar das Ende der Schultests ausgerufen, aber die Verträge zu spät gekündigt hatte. Die nunmehrige Antwort des Bildungsministeriums lesen Sie unten. Und dann listet Paul Sonnberger anhand des Falles Selim Aslan, über den wir in den vergangenen Tagen ausführlich berichtet haben, dringenden Änderungsbedarf im Staatsbürgerschaftsrecht auf.

Einen schönen Tag wünscht Ihnen

Soraya Pechtl

PS: „Zu Maria Geburt/fliegen die Schwalben wieder furt“, heißt es im Volksmund so schön schief gereimt. Unser Vogelwart Klaus Nüchtern hat das vorweggenommen und sich zwei Wochen vor Maria Geburt auf Urlaub begeben, und das heißt: Es gibt bis Anfang September keinen „Vogel der Woche“. Wir füllen diese Lücke mit Texten eines anderen Tierkolumnisten aus dem bunten Falter-Zoo. Peter Iwaniewicz wird Nüchtern vertreten – und das mehr als würdig.

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In die Offensive

Heute präsentiert die Stadt den neu gestalteten Praterstern. Im Vorfeld gab es viel Kritik - etwa, an der angeblich defensiven Architektur, die Obdachlose verdrängen solle. Aber stimmt das auch? Ein Rundgang mit dem zuständigen Architekten Eric-Emanuel Tschaikner.

An einem verregneten Augusttag steht Eric-Emanuel Tschaikner sichtlich stolz auf dem Praterstern. Er redet ohne Unterlass. Zu jeder Bank, jeder Bodenplatte und jedem Grashalm hat er etwas zu sagen. Kein Wunder.

Tschaikner ist leitender Architekt (KENH Architekten) und hat die Umgestaltung des Verkehrsknotenpunktes die vergangenen drei Jahre begleitet. Dass der Praterstern heute so aussieht, wie er aussieht, ist großteils sein Verdienst. 

Aber ist der neue Praterstern dafür ausgelegt, Obdachlose zu verdrängen, wie Medien im Juli berichteten? Das Gegenteil sei der Fall, sagt Tschaikner. 

Eric-Emanuel Tschaikner war als leitender Architekt maßgeblich an der Umgesaltung des Pratersterns beteiligt © FALTER/Pechtl

Noch unter der grünen Planungsstadträtin Birgit Hebein entstand ein Leitbild für den neuen Praterstern. Die Planer sollten bei der Umgestaltung auf die Bedürfnisse diverser Nutzer:innengruppen Rücksicht” nehmen. Anders gesagt: Alle Menschen sollen sich am Praterstern wohlfühlen. Auch Suchtkranke und Obdachlose. 

Tschaikner und sein Team haben deshalb auch mit diesen gesprochen. Wir wollten wissen, was sie brauchen und warum sie sich am Praterstern aufhalten”, sagt Tschaikner. Die Antwort: Viele schätzten die gute Infrastruktur (Überdachungen, Supermärkte und die U-Bahn), außerdem hält der Canisibus der Caritas einmal täglich und die Nähe zur Polizei gibt vor allem obdachlosen Frauen Sicherheit. Darauf basierend wurde gemeinsam mit Sozialarbeitern und der Sucht- und Drogenkoordination Wien ein Nutzungskonzept erarbeitet.

Als die Entwürfe dafür bekannt wurden, hagelte es in den sozialen Medien vor allem Kritik an eiförmigen Sesseln, die wie Steine aussehen. Darauf könne sich ja wohl niemand ausruhen, hieß es. 

Stimmt. Die Steine sind nämlich für eine andere Zielgruppe da: Kinder und Jugendliche sollen mit den spielerisch gestalteten Sesseln ihre Freude haben, sagt Tschaikner. Die Steine haben übrigens auch keine Bänke ersetzt, sondern ergänzt. Es gebe jetzt sogar ein Überangebot an Sitzplätzen: 186 für jeden Bedarf - einige mit Armlehnen (für ältere Personen als Stütze), andere ohne (für Obdachlose zum Schlafen); einige direkt am Weg zum Bahnhof (für schnelle Pausen), andere im Grünen (zum Verweilen). 

Verdrängen habe man niemanden wollen. Im Gegenteil, es habe für die Stadt durchaus Vorteile, wenn sich Obdachlose gemeinsam an einem Ort aufhalten. „Sie bekommen Verpflegung von der Caritas und die Sozialarbeiter müssen sie nicht suchen", sagt Tschaikner.

Damit sich auch alle anderen am Praterstern wohlfühlen, haben die Planer versucht, das subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen: Dafür wurde die Beleuchtung ausgebaut, der Platz aufgeräumt” und übersichtlicher gestaltet (die Metall-Gestänge um das Tegetthoff-Denkmal sind verschwunden) sowie dunkle Ecken einsichtiger gemacht.

Auch der Lärm soll künftig reduziert werden. Wenn auch nur gefühlt. Denn durch Stauden und Sträucher, die rund um den Praterstern gepflanzt wurden, ist der rundherum rasende Verkehr weniger sichtbar. Das vermindert den subjektiven Lärmpegel – nach dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn.

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Zug fährt ab!

Terranes Reisen, also die Fortbewegung zu Erden ganz ohne Flugzeug, ist der Urlaubstrend 2022. Othmar Pruckner ist mit seinem Buch Auf Schiene Trendsetter und versammelt neben 33 Bahnreisen in und um Österreich Wanderungen, Radtouren und Städtebesuchen.

Der Sommer kann kommen!

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Erratum

Da ist uns ein gewaltiger Verdreher passiert, als wir in der gestrigen Ausgabe von Justizminister Christian Waldner geschrieben haben – das ist natürlich falsch. Justizminister unter Bundeskanzler Fred Sinowatz (SPÖ) war Harald Ofner (FPÖ). Ofner verteidigte in einem Prozess den Südtiroler Politiker Peter Paul Rainer, der seinen politischen Weggefährten Christian Waldner erschoss. Wir bitten um Nachsicht.

Recherche
Bild von Soraya Pechtl
VON SORAYA PECHTL

Streng vertraulich?

Die Verträge mit den Anbietern der PCR-Schultests liefen noch vier Wochen weiter, obwohl die Tests bereits beendet waren. Wie viel die Steuerzahler dafür hinlegten, bleibt unklar. Das Ministerium mauert.

Eine Antwort ist auch keine Antwort. Das Mail vom Bildungsministerium kam auf den Tag genau acht Wochen, nachdem FALTER.morgen eine Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz an ÖVP-Minister Martin Polaschek gestellt hatte (länger dürfen sich die Behörden nur im Ausnahmefall Zeit lassen). Wir wollten eigentlich wissen, wie viel die Regierung für PCR-Tests an Schulen ausgegeben hat, nachdem Polaschek am 24. Mai deren Ende bekanntgegeben hatte – und haben das Ministerium um Einsicht in die entsprechenden Verträge mit dem Testanbieter Arge molekulare Diagnostik gebeten. Aber das einseitige PDF-Dokument, das uns das Ministerium im Anhang der Mail geschickt hat, beantwortet diese Frage nicht. Auch den Schriftverkehr mit der Arge molekulare Diagnostik legt Polaschek nicht offen. Ein paar spannende Details beinhaltet die Beantwortung trotzdem.

Aber erst ein kurzer Rückblick: Wir haben Anfang Juni berichtet (hier und hier), dass dem Bund eine Pönale in Millionenhöhe drohen könnte, weil das Bildungsministerium mit 1. Juni die Schultests zwar beendet, die Verträge mit den Testanbietern laut FALTER.morgen-Informationen aber nicht fristgerecht gekündigt hatte. Das Ministerium wollte sich dazu damals nicht äußern (dementierte den Sachverhalt aber auch nicht).

Wie sieht es zwei Monate später aus?

Screenshot

In der Anfragebeantwortung spricht das Bildungsministerium davon, dass die Verträge für eine Laufzeit von Jänner 2022 bis Juli 2022 geschlossen wurde (was bereits bekannt war) und die Testfrequenz gemäß den vertraglichen Bestimmungen angepasst werden konnte. Das sei insgesamt zweimal geschehen: In der Kalenderwoche 17 (ab Ende April wurde nur mehr einmal anstatt wie bisher zweimal getestet) und in Kalenderwoche 22. Ab 1. Juni wurden die Tests von einmal pro Woche auf null zurückgefahren. Der Vertrag mit der Arge molekulare Diagnostik lief aber weiter. 

Gekündigt hatte das Ministerium am 30. Mai - also knapp eine Woche, nachdem Polaschek das Ende der Tests angekündigt hatte. Wirksam wurde diese aber erst nach Ablauf der einmonatigen Kündigungsfrist, am 1. Juli. Pönale dürfte schlussendlich keines fällig geworden sein, da das Ministerium nicht vorzeitig vom Vertrag zurückgetreten ist. Wie viel die Regierung in den Wochen, in denen keine Tests stattfanden, bezahlt hat, ist aber weiterhin unklar.

Und warum legt das Ministerium die Verträge nicht offen?

Das sei gesetzlich nicht möglich. „Gerade in dieser Angelegenheit schauen uns alle Marktteilnehmer sehr genau auf die Finger und das Klagsrisiko ist für uns sehr hoch, wenn auch nur der Eindruck entsteht, dass wir die gesetzlichen Bestimmungen nicht zuverlässig eingehalten haben", heißt es auf neuerliche Nachfrage vom Bildungsministerium. Ein Sprecher verweist auf § 27 des Bundesvergabegesetzes. Demnach müsse der Auftraggeber den „vertraulichen Charakter aller bei der Durchführung eines Vergabeverfahrens ausgetauschten Informationen wahren". Das gelte auch für die Zeit nach Abschluss des Verfahrens.

Meinung
Bild von Paul Sonnberger
VON PAUL SONNBERGER

Nicht aufweichen – modernisieren!

Nach dem Fall Selim Aslan: Was sich bei der Staatsbürgerschaft ändern muss. Die drei wichtigsten Punkte.

  • Das Staatsbürgerschaftsgesetz gehört nicht aufgeweicht, es gehört modernisiert. Die ursprüngliche Fassung stammt aus dem Jahr 1985. Die Bestimmung, dass sich ein Fremder, seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik aufhalten muss, hat sich nicht geändert – die Arbeitswelt aber schon. Arbeitende reisen um die Welt, sie konferieren auf Kongressen oder forschen zusammen mit ausländischen Universitäten. Für Personen, die nachweisen können, beruflich im Ausland zu arbeiten, braucht es eine gesetzliche Sonderbestimmung

Einem Einwanderer, der bestens integriert ist und perfekt Deutsch spricht, kann so die Staatsbürgerschaft verweigert werden. Foto: APA-FOTO: HANS KLAUS TECHT
  • Für den Erwerb der Österreichischen Staatsbürgerschaft ist ein hinreichend gesicherter Lebensunterhalt erforderlich – so steht es im Gesetz. Vereinfacht gesagt: Wer Österreicher werden will, braucht Geld. Einem Einwanderer, der bestens integriert ist und perfekt Deutsch spricht, kann so die Staatsbürgerschaft verweigert werden. Die Einkommensuntergrenze sollte abgeschafft und der Fokus verstärkt auf eine gelungene Integration gelegt werden. 

  • Die österreichische Staatsbürgerschaft ist die Voraussetzung, um in Österreich wählen zu dürfen. Das ist grundsätzlich in Ordnung, da der Willen österreichischer Staatsbürger zu sein, gleichzeitig einen Bindungswillen zum Staat Österreich signalisiert. Dieser Bindungswille ist eine höchstpersönliche Entscheidung und sollte die Voraussetzung zum Erlangen des demokratischen Wahlrechts sein. Die derzeitige gesetzliche Lage schließt aber eindeutig Personen aus, denen die Staatsbürgerschaft zustehen sollte und verwehrt ihnen damit das demokratische Mitbestimmungsrecht – das müssen wir ändern. 

Frage des Tages

Wer oder was ist mit dem Wienerischen Wort Tschumpas gemeint?

1. Ein Depp

2. Ein Gefängnis

3. Ein kleines Nagetier

Auflösung von gestern: Die 1876 eingeweihte erste Reichsbrücke (nicht der Hauptbahnhof oder das Happelstadion) hieß einst Kronprinz-Rudolf-Brücke. Nach dem Zerfall der Monarchie wurde sie im November 1919 in Reichsbrücke umbenannt.

Event des Tages
Bild von Lisa Kiss
AUSGEWÄHLT VON LISA KISS

Performance

Der Gürtel ist auf vielen Ebenen zugleich verbindendes und trennendes Element in Wien. Einst befand sich an der Stelle des Gürtels der „Linienwall“, eine Befestigungsanlage gegen Angreifer von außen. Der immersive Performancewalk “linienwallungen. down the buzzing boulevard” ergründet diese einschneidende Fläche anhand von drei Geschichten. Die Texte zum Walk sind als Auftragswerke entstanden. Das Publikum lauscht den Geschichten über Kopfhörer. Die Stimmen der Spieler:innen überlagern sich dabei mit dem Lärm des Gürtels und Soundscapes. Startpunkt Weberknecht, Ticketreservierung erforderlich per Mail unter linienwallungen@oag.studio. (Martin Pesl)

Weberknecht, 18.30 (bis 27.8.)

Kinderbuch

Jürg Schubiger, Rotraut S. Berner: Eines Nachts im Paradies (ab 10)

Tun sich zwei Große eines Fachs zusammentun, kann Außergewöhnliches entstehen. Jürg Schubiger, Jahrgang 1936, starb 2014. Auch im Kinderbuch war sein erklärtes Metier das Vieldeutige, Gegensätzliche und Mögliche. Rotraut Susanne Berner, Jahrgang 1948, wurde bekannt durch ihre Wimmelbücher. Ihr Stil zeichnet sich durch klare Konturen und freundliche Formen aus.

Eva und Adam liegen zu Beginn dieses philosophischen Bilderbuchs auf einem Polster aus Moos und schauen in den Sternenhimmel. Dort sieht man Planeten, Pantoffeltierchen und DNA-Stränge: den Ursprung des Lebens. Während sie darüber streiten, wie viele Sterne es gibt und ob man sie zählen kann, läuft die Evolution ab. Diese Paradies-Geschichte, so viel darf schon verraten werden, endet nicht mit einem Rauswurf. (Kirstin Breitenfellner)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at

Natur
VON PETER IWANIEWICZ

Finger weg!

Zeichnung: Georg Feierfeil

Das Sommerloch ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Früher gab es diese gnädige Zeit, in der aus den Schlagzeilen der Medien die Politskandale, die Wirtschaftspleiten und die ganze mordsmäßige Berichterstattung verschwand und die Welt in einer einzigen Flaute zum Stillstand kam. Jetzt aber plagen uns weiterhin dystopische Nachrichten von austrocknenden Seen, Kriegsgemetzel und dem aktiv und passiv verursachten Aussterben von Tierund Pflanzenarten.

Verschwunden sind die leichten Meldungen über vermeintliche Krokodile in der Alten Donau, ausgebüxte Zootiere und Hechte, die angeblich unvorsichtig am Rand von Baggerseen herumlungernde Hunde verschlingen. Die eigens dafür eingerichteten Sommerloch-Redaktionen bemühen sich zwar redlich, aber außer halbgar-alliterierten Meldungen über „Testflüge steriler Tigermücken im Tessin" findet man nichts zur Entspannung beim hochsommerlichen Medienkonsum. Doch auf Gratis-Zeitungen wie Heute ist in diesen heißen Stunden doch noch Verlass: Die Schlagzeile "Schnapp-Schildkröten-Invasion in NÖ" gehört zum fixen Repertoire der Sommerlochspiele. Hier sieht man solides Medienhandwerk, das nach einem Fund im Mai und einem zweiten „Hilferuf aus Ebreichsdorf" den Lesern eine massive Invasion serviert. Dramaturgisch gekonnt wird dieses Reptil in seiner Bissigkeit auf das Niveau eines Weißen Hais gehoben: „Mit einer Beißkraft von 10.000 Newton pro Quadratzentimeter wird sie von wenigen Tieren übertroffen, nur der Weiße Hai entwickelt eine Kraft von 18.000 Newton".

Ich möchte bei diesem Thema auch noch sommerlich einlochen: Snappers - wie sie anglophone Menschen nennen - sind die neuen Kampfhunde. Diese eher urtümlichen und durch ihren langen, gekielten Schwanz an Krokodile erinnernden Reptilien knabbern nicht dröge an Salatblättern, sondern fressen von Amphibien bis zu Wasservögeln alles, was ihnen zwischen die messerscharfen Hornplatten ihres Kiefers kommt. Mit ihrem langen, schlangengleichen Hals können sie auch noch bis zur Mitte ihres Rückenpanzers schnappen, was dort befindliche und unvorsichtige Finger unangenehm zu spüren bekommen. Zudem wächst die behauptete Beißkraft dieser Schildkröten stetig ins geradezu Mythische. Waren es vor zwei Jahren noch kleine Finger, die angeblich mit einem Biss abgesäbelt werden können, so sind wir mittlerweile bei der Dicke eines Besenstils angekommen.

Da geht sicher noch etwas, solange man darüber lochen kann.


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