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Gemetzel auf der Donauplatte

Warum Kindergartenkinder im 22. Bezirk vor einem Netflix-Thriller in Sicherheit gebracht werden müssen >> Wie Internetbetrüger Corona-Leugner abzocken: Teil 2 >> Der Fassadenleser über die Zweiklassen-Gesellschaft des 19. Jahrhunderts

Wetterkritik: Wie schön, der Winter ist endlich da – mit frischem Nordwestwind gibt's heute zuerst Regen-, dann Graupel- und am Nachmittag schließlich Schneeschauer. Es wurde aber auch Zeit!


Guten Morgen,

ich weiß ja nicht, was für ein Kino-Typ Sie sind – bei mir muss es nicht immer Arthouse oder Romantic Comedy sein, es darf manchmal durchaus krachen. Insofern habe ich mit Tyler Rake kein Problem.

Sie kennen Tyler Rake nicht? Das ist einer von den unkaputtbaren Actionhelden, die nach Verprügelungen, Kollisionen und Explosionen zum achtzehnten Mal aufstehen, wo ein normaler Mensch schon beim ersten Mal liegengeblieben wäre. Das kann, wenn man es mag, auf Netflix o.ä. unterhaltsam anzusehen sein.

Was aber, wenn Tyler Rake in echt mit Bomben und Granaten auftaucht – und sei es nur für Dreharbeiten? Genau das wird in Kürze auf der Donauplatte der Fall sein, und zwar ausgerechnet vor einem Kindergarten. Was es damit auf sich hat, lesen Sie gleich im Anschluss.

Außerdem gibt's noch den zweiten Teil von Soraya Pechtls Serie darüber, wie Corona-Leugner auf Telegram von Internet-Gaunern abgezockt werden. Und Florian Kappelsreiter, unser Mann aus Bayern, spürt der ihm neuen Faszination für Hässlichkeit in Wien nach.

Einen ruhigen Donnerstag wünscht

Josef Redl

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Holt lieber mal die Kinder rein!

Netflix-Dreharbeiten in Donaustadt lassen ein lautstarkes, blutiges Spektakel erwarten.

Wenn Tyler Rake in die Stadt kommt, dann wird es laut. Maschinengewehrfeuer, Hubschrauberabstürze und explodierende Autos sind Teil seiner täglichen Routine. Tyler Rake ist die Hauptfigur des Actionfilmes Extraction aus dem Jahr 2020, einer Netflix-Produktion von ausgesuchter Brutalität. Von 31. Jänner bis 14. Februar wird Tyler Rake, verkörpert vom australischen Schauspieler Chris Hemsworth, die Wiener Donauplatte in ein Schlachtfeld verwandeln.

Hier bei der Arbeit: Tyler Rake © netflix

Das Sequel zu Tyler Rake: Extraction verspricht den Einsatz von jeder Menge Pyrotechnik und Filmblut. Teilnehmer einer polizeilichen Verhandlung mit Anrainern am Freitag vergangener Woche erzählen von hunderten Statisten, die auf der Donauplatte zum Einsatz kommen sollen.

Damit die Kinder aus dem Kindergarten Donaucity der Anblick verstörender Szenen erspart bleibt, hat die Filmproduktionsfirma den Eltern ein Angebot gemacht: Wenn sie die Kinder aus dem Kindergarten nehmen, erhalten sie pro Tag 120 Euro für die Betreuung. Einige Geschäfte in der Umgebung haben ebenfalls einer finanziellen Entschädigung zugestimmt und werden für die Dauer der Dreharbeiten zusperren.

Filmproduzent Ernst Vogel will dazu gar nichts sagen. „Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie sprechen“, sagt er mit ironischem Unterton. Offensichtlich hat der Mann eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber Netflix.

„Wir führen gerade eine Erhebung bei den Eltern durch“, bestätigt hingegen Thomas-Peter Gerold-Siegl, Geschäftsführer von Kinder in Wien, das Angebot. Wieviele der 80 Kids aus der Betreuung genommen werden, ist also noch unklar. Es gibt aber auch eine Alternative: Kinder in Wien betreibt wenige Gehminuten entfernt – aber weit genug weg vom Schauplatz des Gemetzels – einen zweiten Kindergarten, der während der Dreharbeiten als Ausweichquartier zur Verfügung steht.

Stadtnachrichten

Das war keine besoffene Geschichte und auch kein Zufall: Da ist sich Michael Reichelt, stellvertretender Bezirksvorsteher der Grünen in Mariahilf sicher. Dass vorige Woche, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, jemand einen Stein durch die Eingangstür des Büros der Grünen in der Gumpendorferstraße warf, sei ein gezielter Angriff auf die Politik der Grünen gewesen, sagt er. Denn am selben Abend wurde auch im 2,5 Kilometer entfernten Büro der Grünen am Kriemhildplatz in Rudolfsheim-Fünfhaus ein Seitenfenster eingeschlagen. Der verwendete Stein sah dem in Mariahilf zum Verwechseln ähnlich.

Warum es gerade die Büros in Rudolfsheim und Mariahilf getroffen hat, können sich die Grünen nicht erklären. „Es ist leider nicht das erste Mal, dass so etwas passiert", sagt Haroun Moalla, Grüner-Bezirkschef im 15. Bezirk. Bereits im Mai wurde mit einem kleineren Stein eine Scheibe des Büros am Kriemhildplatz demoliert.

Die Polizei ermittelt in beiden Fällen, aber viel Hoffnung, dass die Täter gefunden werden, haben Reichelt und Moalla nicht. „Das Wichtigste ist, dass niemand verletzt wurde. Aber man braucht uns keine beinharten Botschaften zu schicken. Wir sind immer bereit zu reden”, so Reichelt.

Serie
Bild von Soraya Pechtl
VON SORAYA PECHTL

Das Kryptonit der Corona-Leugner  

Gestern habe ich Ihnen von den Maschen der Internetbetrüger erzählt. Heute erfahren Sie, warum sie sich Corona-Leugner als neue Zielgruppe ausgesucht haben.

Elke schreibt ununterbrochen. Sie drängt mich, auf der Plattform Tristone Finance zu „investieren”. Ich könne ja mal mit 50 Euro anfangen. Mittlerweile hat sie mir gestanden, dass sie davon fünf Prozent kassiert. Auch Jonas wird ungeduldig. Er ruft mich abends an, weil ich noch immer nichts überwiesen habe. Dass ich überhaupt in diese Situation geraten bin, habe ich den Corona-Maßnahmen-Gegnern zu verdanken (wie erwähnt, bin ich aus journalistischen Gründen Mitglied in diversen Telegram-Chats).

Derzeit werden die Nutzer von Gruppen wie Fairdenken und Wir-ungeimpften-in-Wien massenweise in Chats wie Coindesk Krypto Währung oder Glass Node Krypto-Austausch hinzugefügt – um ihnen Heilsversprechen von sagenhaften Gewinnen zu machen, wenn sie Geld auf irgendwelche Konten überweisen. Der Ton in den Chats ist oft religiös und anti-elitär: „Wenn du dein Geld auf der Bank ansparst, wirst du nicht reich”, schreibt etwa Jonas. Damit die Masche der Betrüger echt wirkt, posten Mitglieder, die angeblich in die Plattformen investiert haben, Screenshots ihrer Kontostände, die zehntausende Dollar im Plus sind, in die Gruppe (man könnte sich schon hier skeptisch fragen, warum die Deutschen und Österreicher immer nur Dollar und nie Euros auf ihren Konten haben).

„Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Corona-Maßnahmen-Gegner skeptisch gegenüber Institutionen und Banken sind", sagt Declan Hiscox von der unabhängigen Plattform Watchlist. © FALTER

Dass die Internetbetrüger gezielt Corona-Leugner ansprechen, überrascht daher nicht. „Wer anfällig für Falschinformationen ist, der ist auch anfällig für diese Betrugsmaschen. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Corona-Maßnahmen-Gegner skeptisch gegenüber Institutionen und Banken sind. Darauf setzen die Betrüger in den Investmentfirmen”, sagt Declan Hiscox von der unabhängigen Plattform Watchlist

Dieser Eindruck verfestigt sich, wenn man die Nachrichten in den Chats von Fairdenken und Co. liest. In der Gruppe „Wien wir gemeinsam für die Freiheit” wird etwa darüber phantasiert, mit Kryptowährungen eine gesellschaftliche Parallelstruktur aufzubauen, um der Macht der Banken zu entkommen. In der verschwörungsideologischen Gruppe Fairdenken werden Investitionen in Bitcoins mit einer Investition in die Freiheit gleichgesetzt. Ein leichtes Ziel für die Internetbetrüger.

Und wie erkennt man die Internetbetrüger? Das erfahren Sie morgen.

Falter Radio

Die ultrakonservative Welt von Kurz und Thiel

© Screenshot Löw

Wie der libertäre Tech-Milliardär Peter Thiel die Demokratie unterläuft und wobei ihm Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz aus Österreich dienlich sein soll, diskutieren im aktuellen Podcast Social Media-Expertin Ingrid Brodnig, Kurier-Digitalchef Richard Grasl, Neos-Lab Chef Lukas Schretzmayer-Sustala und FALTER-Herausgeber Armin Thurnher.

Lokaltipp

XO Grill

Die Geschichte von XO Grill begann damit, dass Benjamin Hofer in einer Feinkosthandlung unendlich teures Rindfleisch mit dem interessanten Namen Txogitxu entdeckte, für das ein baskischer Fleischhauer uralte Milchkühe der Rasse Simmentaler schlachtet. Was Hofer daran erinnerte, dass es uralte Milchkühe auch hierzulande gibt – und Simmentaler sowieso. Er kontaktierte also seinen Schulfreund, den oberösterreichischen Lebensmittelhändler Robert Weishuber, und gründeten mit ihm XO Beef: Sie bieten gut gereiftes Rindfleisch bis zu 20 Jahre alter Milchkühe aus Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark.

Das war vor fünf Jahren. Gourmet-Köche liebten dieses XO Fleisch, aber – wie das in der Gastronomie so ist – halt nur die „Edelteile“. Also starteten Weishuber und Hofer vor einem Jahr mit ihrem Pop-up-XO-Grill in der Gumpendorfer Straße und verkauften dort die, um es profan zu sagen, faschierte Rest-Kuh.

Nun wurde das Pop-up in der Kettenbrückengasse sesshaft, und das Essen im XO Grill ist wahnsinnig gut.

Die gesamte Lokalkritik von Florian Holzer lesen Sie hier.

Stadtgeschichten
Bild von Florian Kappelsberger
VON FLORIAN KAPPELSBERGER

Ganz schön schiach

Unser Autor stammt aus München. Seit er in Wien angekommen ist, treibt ihn eine Frage um: Woher kommt die hiesige Faszination für das Hässliche?

Als ich vor wenigen Wochen von München nach Wien zog, war meine Erwartung relativ klar: Schmäh, Hofburg-Prunk und Sachertorte im Café Central. Dieses Bild der Stadt hatten touristische Besuche ebenso geformt wie Filme, Serien und nicht zuletzt der romantisierende Blick, den man (insbesondere aus Deutschland) oft auf die Donaumetropole wirft. Bald musste ich allerdings feststellen: Wien hat – wie jede andere Stadt – auch durchaus unschöne Ecken.

Noch größer war meine Verwunderung, als ich entdeckte, dass diese Facetten auch noch zelebriert werden. So bietet Eugene Quinn bereits seit 2015 die Vienna Ugly Tour an, ein Stadtrundgang, der sich ausgerechnet den hässlichsten Gebäuden der Stadt widmet. Mit viel Humor führt Quinn vorbei an architektonischen Unansehnlichkeiten, von der LSD-Fassade des Ungarischen Kulturinstituts bis hin zum Hotel Marriott in Kaufhaus-Optik. Dabei geht es ihm nicht um eine Abwertung der Bauten, sondern um eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum: „Es ist ein Liebesbrief!“

Für den gebürtigen Briten ist diese Begeisterung für das Hässliche auch etwas typisch Wienerisches: ein Hang zum Morbiden, zum Scheitern, zum Unangepassten, der sich ebenso in Werken von Egon Schiele, Thomas Bernhard oder Elfriede Jelinek findet. „Ich wollte eine Führung, die einen Spiegel zur Stadt bietet“, so Quinn. Dementsprechend ist der Rundgang nicht nur bei Touristen, sondern vor allem unter Wienerinnen und Wienern enorm beliebt (die nächste findet übrigens am 19. Februar statt). Oft käme es auch zu Widerspruch oder Debatten, wenn Teilnehmer die Ehrenrettung eines der ausgewählten Gebäude versuchen. Die Hässlichkeit liegt eben immer im Auge des Betrachters.

Der Gemeindebau Karl-Wrba-Hof (10.), auch bekannt als Favoritner „Senfbauten“ © Arno Rabl/Stadtlabor Wien

Das Phänomen ist längst auch im digitalen Raum angekommen. So zeigen Accounts wie reallyugly.vienna oder beauty.of.schiach die schaurigsten Orte der Stadt, ob die Favoritner Senfbauten oder die Betonwüste der Seestadt Aspern. Oft sind es aber auch Momentaufnahmen, die den Alltag einfangen: abblätternde Buchstaben am Trafik, verirrte Einkaufswägen auf dem Spielplatz, lädierte FPÖ-Plakate an der Bushaltestelle.

Das Ganze scheint fast eine eigene Ästhetik zu besitzen. Doch woher kommt diese Faszination? Vielleicht bietet der italienische Philosoph Umberto Eco eine Antwort. Dem Schönen liegen laut Eco trotz seiner Vielfalt immer gewisse Regeln zugrunde, was es erwartbar, fast langweilig macht. Der Spielraum der Hässlichkeit dagegen ist grenzenlos: Eine unschöne Nase kann unzählige verschiedene Formen haben, ob zu groß oder zu klein, zu platt oder zu gekrümmt. „Schönheit ist endlich“, so Eco, „und Hässlichkeit ist unendlich, wie Gott.“

Und weil's so schön ist, schicken wir sie gleich anschließend diese Woche zu drei der schiachsten Orte Wiens hinaus.

Wir schicken dich da raus

Matzleinsdorfer Platz 

Am 17. Februar 2021 habe ich in diesem Newsletter folgendes über den Matzleinsdorfer Platz geschrieben: Er ist „einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte Wiens – und eine Zumutung für alle, die ihm nicht ausweichen können”. Daran hat sich auch ein Jahr später nichts geändert. Der Matz ist immer noch eine Verkehrshölle, ohne Platz für Fußgänger, Radfahrer oder Grünraum. Wenn man's genau nimmt, ist er durch die Großbaustelle in der S-Bahn-Station und wegen des Ausbaus der U2xU5, die ihn eigentlich schöner machen sollen, sogar noch schiacher geworden. Aber keine Sorge, Sie müssen sich nicht hetzen, wenn Sie den Matzleinsdorfer Platz noch in seiner prächtigen Hässlichkeit sehen wollen. Die Bauarbeiten werden nicht vor 2028 abgeschlossen sein. Bis dahin dürfte es auch nicht zu einer Umgestaltung des Platzes kommen. (Soraya Pechtl)

Hinkommen: Mit den Straßenbahnlinien 6, 18 und 1 oder der Buslinie 14A. Achtung: Züge und S-Bahnen halten derzeit nicht. 


Karl-Wrba-Hof

Der Favoritner Karl-Wrba-Hof (10., Sahulkastraße 3–5), errichtet zwischen 1972 und 1982, gilt oft als architektonischer Fehlgriff des Wiener Gemeindewohnbaus. Seinen gelblichen Eternitfassaden verdankt die burgartige Anlage auch den Spitznamen „Senfbauten". Trotzdem sind die zahllosen Vorsprünge der gestapelten, ineinander verschachtelten Gebäudeteile ein unverwechselbarer Teil der Skyline des 10. Bezirks. Mit dem Browser-Game Rote Alpen lässt sich der Gemeindebau sogar auf spielerische Art und Weise digital erkunden. Definitiv einen Besuch wert! (Florian Kappelsberger)

Hinkommen: Mit der U1 bis zum Reumannplatz, dann weiter mit dem Bus 66A. Alternativ mit der U6 nach Meidling und dann mit der 15A bis Raxstraße.


Bahnhof Wien-Hütteldorf

Eines hier erinnert tatsächlich noch an die Zeit, in der Bahnhöfe noch Prachtbauten waren: Die äußere Hülle der Station, die 1896 von Otto Wagner errichtet wurde und nach wie vor einfach schön ist. Abgesehen davon ist die Anlage aber ein Nicht-Ort. Die triste Unterführung zu den Bahnsteigen und die verwinkelten Gänge im Eingangsgebäude laden in erster Linie dazu ein, die Lokalität schnell wieder zu verlassen. Wenn man so will, liegt hier das Attnang-Puchheim Wiens. Gut, dass Wien-Hütteldorf seine Funktion als eine Art Entrée in die Bundeshauptstadt mit der Verlegung der Westbahnstrecke an Wien-Meidling abgegeben hat … oh, wait! (Martin Staudinger)

Hinkommen: Mit der U4 zur Endstation Hütteldorf

Frage des Tages

Heute ist Tag der Wehrpflicht. Wie viele Stellungspflichtige gibt es in Wien (Stand 2019)?

1. 5.974

2. 6.238

3. 7.562

Auflösung von gestern: Österreichweit gab es in Simmering die wenigsten Neuanmeldungen von E-Autos (nicht in der Donaustadt oder der Inneren Stadt). Quelle: Verkehrsclub Österreich (VCÖ).

Event des Tages
Bild von Lisa Kiss
AUSGEWÄHLT VON LISA KISS

Die Gesellschaft für Literatur begeht heuer ihr 60-jähriges Jubiläum. Das Jahresprogramm wird von Veranstaltungen durchzogen, die dem Rechnung tragen. Es beginnt mit einem Abend, der zu den Anfängen zurückgeht. Zu Gast sind der einstige Burgtheater-Direktor Achim Benning und die Autorin Barbara Frischmuth. Benning las erstmals 1963 in der Gesellschaft für Literatur und lernte hier Elias Canetti und Vaclav Havel kennen. Er wird von wichtigen Bekanntschaften und Erlebnissen berichten. Frischmuth war seit 1968 insgesamt 24 Mal zu Gast. Sie erinnert sich und liest aus ihrem Debütroman „Die Klosterschule“. (Sebastian Fasthuber)

Österr. Gesellschaft für Literatur, 19.00

Buchtipp

Barbara Coudenhove-Kalergi: Zuhause ist überall

Für Barbara Coudenhove ist es auch eine persönliche Versöhnung mit ihrer Heimat, aus der sie am Ende des Zweiten Weltkriegs mit ihrer Familie vertrieben wird, als die Tschechen sich gegen die deutsche Besatzung erheben und tausende Deutschböhmen pauschal der Kollaboration mit den Nazis beschuldigen.

Nach einem langen Fußmarsch erreichen sie völlig erschöpft das Jagdhaus des Großvaters in den Salzburger Bergen. Ihr eigenes Hab und Gut ging verloren. Die Vertreibung wird in dem Buch ohne Ressentiment erzählt, aus der Abenteuerperspektive des jungen Mädchens.

Es sind die Erinnerungen einer außergewöhnlichen Frau, die stets sie selbst geblieben ist … (Franz Kössler)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at

Der Fassadenleser
VON KLAUS-JÜRGEN BAUER

Die Zinskaserne

In der Salesianergasse haben viele Häuser ihren biedermeierlichen Charakter behalten. Erst im Jahr 1850 kam dieser Teil der Vorstadt mit Gewerbe, Tierhaltung, aber auch wunderschönen Buchsgärten mit weißen Kieswegen zu Wien.

Die Biedermeiermaler Peter Fendi und Franz Xaver Gruber stammten von dort, auch August Eisenmenger und Josef Hoffmann. Hugo von Hofmannsthal kam im gleichen Haus zur Welt, in dem später Hermann Bahr lebte. Nicht weit davon entfernt stand das Palais Vetsera. All diese noblen Leute wohnten in schönen Wohnungen zur Gasse raus.

Ein Innenhof, der aussieht wie eine Kaserne © Klaus-Jürgen Bauer

Die einfachen Leute aber, die lebten dicht zusammengepfercht in den ewig langen Flügeltrakten der Höfe. Diese waren wegen der leichteren Reinigung fast vollständig mit Mauthausener Granit gepflastert. Entlang der Hausmauern wuchsen Bäume und irgendwo im Hof gab es einen Brunnen. Die Trakte waren schmal, aber tief und alle Wohnungen gleich: Zimmer und Küche, belegt mit ca. 6 Personen, Häusl und Bassena am Gang. Durch die langen Reihen der immer gleichen Fenster sahen viele dieser Höfe Kasernen ähnlich. Das böse Wort Zinskaserne jedoch erfanden Dichter wie Rainer Maria Rilke, die, in schönen Vorderwohnungen lebend, mitleidig auf das Elend im Hof blickten. 


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