Wie gerne hätte ich am 23. November 2010 im Pariser Élysée-Palast zu Mittag gegessen. Nicht nur, weil die dort bestimmt gewaltig auftischen, sondern vor allem, weil an jenem Tag an jenem Ort der Weltfußball verändert wurde. Zum Schlechteren.
Zugegen waren: der damalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, seine Beraterin in Sportangelegenheiten, Sophie Dion, und der damalige Élysée-Generalsekretär, Claude Guéant. Zu Gast: der damalige Erbprinz Katars (und heutige Herrscher) Tamim Al Thani und der damalige Premier- und Außenminister Katars, Hamad Ben Jassem Al Thani. Und in ihrer Mitte der damalige UEFA-Präsident Michel Platini.
Sie müssen wissen: Neun Tage nach diesem Treffen haben 22 FIFA-Wahlmänner in ihrem Hauptquartier in Zürich die Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 vergeben. Die Sache schien gegessen, die Großmächte Russland (2018) und USA (2022) sollten drankommen, das wollten auch FIFA-Präsident Sepp Blatter und UEFA-Präsident Michel Platini so.
Doch ein Mittagessen kann alles verändern. Michel Platini stimmte neun Tage später doch nicht für die USA, am 2. Dezember 2010 ging die Weltmeisterschaft 2022 an das völlig ungeeignete Katar. Was war an jenem Tisch passiert?
„Platini hat mich angerufen und mir gesagt, dass er eine Unterhaltung im Élysée hatte und dass er und seine Freunde aus nationalen wirtschaftlichen Interessen für Katar stimmen könnten", so hat es Sepp Blatter mittlerweile enthüllt. Er behauptet sogar, dass Platini nicht nur seine Meinung, sondern auch die drei anderen europäischen Wahlmänner gedreht hatte: „Dank der vier Stimmen Platinis mit seinen Leuten ging die WM nach Katar statt in die USA. Das ist die Wahrheit."
Die Pariser Sonderstaatsanwaltschaft Parquet National Financier hätte an diesem Tag auch gerne im Élysée-Palast geschmaust, sie ermittelt gegen die halbe Tafelrunde wegen privater Korruption, Bandenbildung und Veruntreuung. Es gibt schon Ideen, welche „wirtschaftlichen Interessen“ Frankreichs an der Entscheidung für Katar gehabt haben könnte.
Ein halbes Jahr später zum Beispiel, da hat das Emirat den Fußballklub Paris Saint-Germain gekauft, und dann noch die internationalen Übertragungsrechte für die französische Liga. Katar hat ferner 24 Rafale-Kampfjets von Frankreich bestellt, der dortige Hotelkonzern Accor durfte für die WM die Buchung der 60.000 temporären Fanzimmer verwalten. Und Platinis Sohn Laurent bekam einen Job bei der Qatar Sports Investment.
Vielleicht spielt eine Szene dieser Geschichte ja auch noch in Wien: 2015 wollte die Republik Frankreich das Palais Clam-Gallas an der Währinger Straße loswerden. Das ehemalige „Französische Institut“ ging ohne Ausschreibung um angeblich 30 Millionen Euro an Katar, das Emirat wollte dort seine Botschaft einrichten. Bisher hat die Restaurierung nicht begonnen, der Park ist gesperrt. „Die Kommunikation mit der katarischen Botschaft gestaltet sich äußerst schwierig“, sagt die Bezirksvorsteherin Saya Ahmad (SPÖ).
Soll sie ihnen doch ein Mittagessen schmeißen.