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Die FPÖ hat die Wahl mit Abstand gewonnen, die ÖVP wurde abgestraft – und wird mit höchster Wahrscheinlichkeit trotzdem an der Regierung bleiben: Die möglichen Koalitionsvarianten und ihre Wahrscheinlichkeit >> Party people: Unterwegs bei den Feiern von Gewinnern und Verlierern >> Wählerisches Wien: Die Hauptstadt ist anders als der Rest des Landes >> Nachruf auf Sport-Club-Legende Leo Hruska >> Grätzelrundgang im äußeren Teil Margaretenstraße

Wetterkritik: Ziehen Sie sich warm an – nicht nur wegen der neuen politischen Mehrheits-, sondern vor allem wegen der Wetterverhältnisse! Heute früh hat es draußen nur 5 Grad, am Nachmittag steigen die Temperaturen auf maximal 15. Immerhin: Die Sonne scheint.


Guten Morgen!

Vermutlich müssen wir hier nicht groß referieren, was gestern passiert ist, Sie haben es sicher mitverfolgt – es war ein historisches Wahlergebnis, wenn auch nicht im erfreulichen Sinn: Die FPÖ, radikaler denn je, damit erstmals in der Geschichte auf Platz eins, und das mit Abstand. Die SPÖ ebenso erstmals auf Platz drei, und das auch mit Abstand, nämlich zur ÖVP, die mit einem gewaltigen Minus auf Platz zwei landet. Alles in allem: Eine Zeitenwende, wie meine Kollegin Barbara Tóth bereits am Abend im Falter.maily analysiert hat.

Den Schlusssatz von Barbaras Kolumne borge ich mir hier aus, weil er so schön und treffen ist: „Der Wahlkampf ist geschlagen, die Machtkämpfe beginnen jetzt.“

Wie die neue Regierung zusammengesetzt sein wird, weiß momentan niemand. Wer auf jeden Fall drinnensitzt, ist aber schon klar: Die ÖVP, die damit ins 37. Jahr ununterbrochener Regierungsbeteiligung geht (sieht man gnädig über die sieben Monate nach der Ibiza-Affäre zurück, in der ein Expertenkabinett unter Brigitte Bierlein im Amt war), was sie aber nicht daran hindert, nach einer Wahl jedes Mal so zu tun, als hätten in den Jahren zuvor unbekannte dunkle Mächte das Land in den Abgrund geführt. Aber das nur nebenbei. Einfach wird es jedenfalls nicht.

Im Folgenden ein Überblick über die möglichen Koalitionsvarianten und ihre Wahrscheinlichkeit. Außerdem: Meine Kollegin Daniela Krenn fasst die wichtigsten Ergebnisse aus Wien zusammen. Florian Klenk war gestern bei den Wahlpartys der Parteien unterwegs, wurde bei der FPÖ abgewiesen und wunderte sich bei den anderen, was es eigentlich zu feiern gab.

Dann erzählt Ihnen Markus Wailand noch eine jener Geschichten, die eigentlich viel öfter den Weg in die Medien finden sollten: Es geht um Herrn Leo, den Klomann der Friedhofstribüne im Stadion des Wiener Sport-Club – und damit um einen Menschen, der nie etwas Besonderes sein wollte, und dadurch umso besonderer wurde. Aber es ist leider ein Nachruf. Florian Holzer nimmt Sie dann ein letztes Mal mit auf eine kulinarische Erkundungstour entlang der Margaretenstraße.

Einen schönen Tag wünscht

Martin Staudinger

PS: Dem Wahlergebnis widmet sich auch Armin Thurnher in seiner aktuellen Seuchenkolumne. Sobald sie online ist (was bei Redaktionsschluss des Falter.morgen noch nicht der Fall war) finden Sie Armins Text unter diesem Link.

PPS: Und hier noch das vorläufige Endergebnis inklusive Wahlkartenprognose (amtlich wird es erst nach Auszählung aller Briefwahlstimmen im Lauf der Woche):

  • FPÖ 28,8 Prozent (+12,6), 56 Mandate (+25)

  • ÖVP 26,3 Prozent (-11,2), 52 Mandate (-19)

  • SPÖ 21,1 Prozent (-0,1), 41 Mandate (+1)

  • Neos 9,2 Prozent (+1,1), 18 Mandate (+3)

  • Grüne 8,3 Prozent (-5,6), 16 Mandate (-10)

  • Kleinparteien: alle deutlich unter der 4-Prozent-Hürde

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Literatur und Musik im Wiener Konzerthaus

Am 15. Oktober liest Doris Knecht im Wiener Konzerthaus aus ihrem jüngsten Roman »Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe« - musikalisch umarmt von Felix Kramers wunderschön-nachdenklichen Songs, die dem Leben die Liebe erklären. Nach Romanen wie »Gruber geht« (2011) und »Die Nachricht« (2021) wendet sich die Buch-Autorin und Falter-Kolumnistin mit Humor den großen Lebensfragen zu, wenn die Kinder flügge werden und alles noch einmal neu anfängt.

Sichern Sie sich hier Karten für eine spannende Lesung im Wiener Konzerthaus!

Wer wird uns regieren?

Die möglichen Koalitionsvarianten, ihre Vorteile und Schwächen.

Gut gelaunte Verlierer: Die ÖVP wird wohl auf jeden Fall wieder in der Regierung sein – bereits das 37. Jahr in ununterbrochener Folge.
  • Blau-Schwarz hätte die stabilste Mehrheit, nämlich 108 Mandate. Und das zu zweit, also ohne notwendigerweise einen dritten Partner in die Regierung nehmen zu müssen. Allerdings: Die ÖVP hat Stein auf Bein geschworen, keine Koalition mit Herbert Kickl in Regierungsfunktion einzugehen (wie immer die Schwarzen ihr Wahlkampf-Wording künftig auslegen werden). Das wirft wiederum die Frage auf, ob Kickl Machiavellist oder Egomane ist – ob er bereit wäre, als Person den berühmten Schritt in die zweite Reihe zu machen, um seiner Partei den Weg nach vorne zu ermöglichen (wie es etwa in Polen Jarosław Kaczyński von der PiS-Partei gemacht hat). Es liegt aber auch an Bundespräsident Alexander van der Bellen: Ob er bereit ist, Kickl mit der Regierungsbildung zu betrauen, hat er vorerst im Unklaren gelassen. Für die ÖVP stellt sich bei der Variante Blau-Schwarz die Frage, ob sie als Juniorpartner in eine blau-schwarze Koalition gehen würde: Beides (keinen Kickl und den Kanzler) werden ihnen die Freiheitlichen mit Sicherheit nicht zugestehen.

  • Schwarz-Rot: Auch das wäre rechnerisch möglich, allerdings mit einer knappen Mehrheit von lediglich zwei Mandaten (Stand gestern, 22 Uhr): Da darf bei wichtigen Abstimmungen niemand im Krankenstand oder zur Unzeit auf dem Klo sein. Und was, wenn jemand aus der Partei austritt oder sich gar zu einer anderen Fraktion locken lässt? All das ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schon vorgekommen. ÖVP und SPÖ müssten sich zudem nachsagen lassen, eine Koalition der Verlierer zu bilden. Das würde auch auf die nächste Variante zutreffen, nämlich …

  • Schwarz-Rot-Grün: Sie hätte die gleiche komfortable Mehrheit von 108 Mandaten wie Blau-Schwarz, allerdings mit dem Problem, dass drei Parteien ihre teils großen Auffassungsunterschiede auf einen Nenner bringen müssten. Aber den Vorteil, dass Schwarz und Grün in den vergangenen fünf Jahren bei allem Knatsch schon miteinander geübt haben und Rot und Grün in vielen Punkten ideologisch gut miteinander können.

  • Schwarz-Rot-Pink hätte sogar 110 Mandate und ähnliche Herausforderungen mit dem (kleinen) Nachteil, dass die Neos im Bund noch nie in der Regierung waren und dementsprechend unerfahren sind. Dafür wäre es die einzige Variante ohne FPÖ, in der zumindest ein Wahlgewinner mit von der Partie ist.

  • Ach ja: Blau-Rot käme mit 97 Mandaten ebenfalls auf eine Mehrheit. Allerdings schließt die SPÖ diese Variante derzeit vehement aus – damit sich die Sozialdemokraten mit den Freiheitlichen einlassen, deren Verhinderung sie sich ganz groß auf die Fahnen geschrieben haben, müsste sehr viel passieren.

Fazit: Die bevorstehenden Regierungsverhandlungen dürften sich so schwierig und langwierig gestalten, dass eine weitere Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen werden kann: Scheitern und Neuwahlen.

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„Tiergarten“. Ein Film von Hans Andreas Guttner

Ab 4. Oktober 2024 österreichweit im Kino

Der österreichische Dokumentarfilm „Tiergarten“ beleuchtet Themen wie den Artenschutz, das Artensterben und den Verlust von Biodiversität aus der Perspektive einer geschützten (und beschützenden) Werkstätte. Im Zentrum stehen der Wiener Tierpark Schönbrunn und seine Bemühungen, zur Erhaltung der Arten beizutragen.

Die Vorführungen werden begleitet durch Gespräche mit Fachleuten und WissenschaftlerInnen. Alle Termine finden Sie hier.

Special Screening am 7.10.24 um 18 Uhr im Village Cinema Wien Mitte mit Univ. Prof. Dr. Thomas Hein, BOKU.


Reportage

Bild von Florian Klenk
VON FLORIAN KLENK

Abschiebären und Basisbabler

Unterwegs bei den Wahlpartys der Parteien, auf denen alle feierten, als hätten sie gewonnen. Vor allem die Verlierer.

Peter Klien hatte es diesmal undercover als FPÖ-Fan versucht. Verkleidet mit Strache-Schal, FPÖ-Kapperl und Österreich-Flagge, erbat der ORF-Comedian am Eingang zur „Stiegl-Ambulanz“ im Alten AKH Einlass zur FPÖ-Wahlparty. Die Türsteher blieben hart und humorlos.

Peter Klien als FPÖ-Fan verkleidet: „Warum darf ich nicht rein?“ (© FALTER/Klenk)

Sie nahmen Klien diesmal zwar nicht in den Schwitzkasten, wie im vergangenen Herbst beim EU-Wahlkampf. Aber er musste draußen bleiben. Problemlos Einlass bekam stattdessen ein Grüppchen optisch auf rechtsextrem getrimmter junger Menschen. Die Männer trugen Schnauzbart und Hitlerscheitel, eine der Frauen bot an, den „Abschiebär“ zu zeigen, den sie in der Manteltasche habe. Ob auch diese Entourage in Wahrheit nur eine Satire-Truppe war, blieb ungeklärt.

Hinter Polizeigittern gut abgeschirmt, wollte die Kickl-Truppe nach der Rede des „Chefs“ unter blau beleuchteten Bäumen nun endlich in Freiheit feiern - und verwies die Presse des Geländes. 

Vielleicht ist diese alberne Rauswerferei symbolisch. Die FPÖ feiert ihre historisch hohen knapp 28,8 Prozent, aber sie bleibt dennoch unter sich. Schon kurz nachdem ihr Wahlsieg bekannt wurde, trat ÖVP-Chef Karl Nehammer vor die Kameras im Parlament. Sein Versprechen vor der Wahl, keine Koalition mit Kickl einzugehen, gelte auch danach. Der FPÖ-Chef sei ein Sicherheitsrisiko, kein Koalitionspartner.

Was also will die ÖVP? Im gut besuchten Festzelt in der Lichtenfelsgasse schenkt der alte Erwin Pröll Wein aus, erstaunlich viel junge Funktionäre aber auch Minister und Spitzenleute sind da. Die jungen ÖVP-Fans in ihren schneidigen Sakkos und schicken Kleidern hatte sich eigentlich auf eine richtig große Wahlparty eingestellt und mit Platz eins gerechnet. Als Zweitplatzierter wird Nehammer zwar auch hier wie ein Wahlsieger geherzt, umarmt und beklatscht. Doch die Schwarzen wissen, dass es jetzt sehr schwer wird. Im Hintergrund spielt Diana Ross „Upside Down“.

Das Wahlergebnis würde eine Schwarz-Rote Koalition ohne Neos oder Grüne ermöglichen, allerdings nur mit zwei Mandaten Überhang. Im türkisen Festzelt im Schatten des Rathauses war die schwarze Parteiführung daher besorgt. „Das Projekt wäre von einigen wenigen Abgeordneten abhängig“, sagt ein ÖVP-Politiker.

Spricht das für eine breite Mehrheit mit den Neos? „Wenn wir die Neos an Board haben, wird das Regieren so unglaublich anstrengend und kompliziert“, glaubt ein ehemaliger schwarzer Minister: „Mit den Roten kannst Du am kurzen Weg die Dinge paktieren, mit den Neos wird das langwierig".

Also doch Blau-Schwarz? Der Bürochef eines hochrangigen ÖVP-Politikers winkt ab: „Inhaltlich liegen wir viel näher an der FPÖ. Aber bei der BVT-Affäre haben wir gesehen, wie Kickl aus dem Hinterhalt wichtige staatliche Infrastruktur (den Verfassungsschutz, Anm.) sabotiert hat und wer ihm dabei geholfen hat.“

Nur ein paar Gassen weiter, im Volkskundemuseum in der bürgerlichen Josefstadt, feiern zur selben Zeit die Sozialdemokraten. Doch den roten Luftballons, die an die Decke des Palais hinaufgestiegen sind, geht bald die Luft aus. Von der Niederlage und dem schlechtesten Wahlergebnis in der Geschichte der SPÖ ist trotzdem nur wenig zu merken. Mit „Andi! Andi!“-Sprechchören klatschen die erstaunlich jungen SPÖ-Mitglieder mit „Basisbabler“-T-Shirts ihren Star auf die Bühne.

Der bedankt sich, wirkt aber abgekämpft und gesteht die Niederlage offen ein. „Jetzt müssen wir gut verhandeln, damit uns die FPÖ die Demokratie nicht zusammenschweißt“, ruft er ins Publikum, in dem bezeichnenderweise kaum Wiener Parteifunktionäre und wenige rote Abgeordnete zu sehen sind. Das junge rote Volk singt derweil die Internationale, als ob die SPÖ hier eine Schlacht gewonnen hätte. 

Doch das hat sie nicht. Die Partei ist zwar stabil geblieben, konnte aber die Schwäche der ÖVP nicht nutzen. Nun stehen Babler harte Wochen bevor, nicht nur parteiintern. Die nächste Regierung, so warnt etwa der AK-Wirtschaftsexperte Markus Marterbauer im Smalltalk bei der SPÖ-Feier, wird pro Jahr einige Milliarden einsparen müssen, um das durch die Wirtschaftskrise angespannte Budget zu sanieren. Wie soll das geschehen? Durch Aussetzen der kalten Progression? Durch Streichen des Klimabonus?

Und die Grünen? Bei der Party im Wiener Metropol sind die Ministerinnen Leonore Gewessler (Umwelt) und Alma Zadic (Justiz) noch kurz vor Mitternacht anwesend, junge Parteifunktionäre, queere Studis und alte Ökos wiegen sich zu brasilianischer Forró-Musik. Die Leute hier wirken gleichzeitig gelöst und verstört. Eine Partei, die vor der fossilen Abhängigkeit gegenüber Diktatoren warnte, eine Partei, die Korruption aufdeckte und vor Naturkatastrophen aufgrund des Klimawandels warnte – sie wurde abgestraft. Was für eine verwirrende Welt!


Wien-Ergebnisse

Bild von Daniela Krenn
VON DANIELA KRENN

Wien ist anders – auch beim Wählen

SPÖ legt zu, FPÖ gewinnt weniger stark zu als bundesweit, ÖVP verliert unterdurchschnittlich.

In der Hauptstadt stimmten 29,89% für die SPÖ, die Partei landet auf Platz 1. Die FPÖ kommt mit 21,16% auf Platz 2, auf Platz 3 landet die ÖVP (17,58%). Die Grünen liegen in der Bundeshauptstadt (anders als bundesweit) vor den Neos. Die Kleinparteien hätten aber auch in Wien die 4-Prozent-Hürde nicht geschafft. 

Wien-Ergebnisse der Nationalratswahl 2024: Stand der Auszählung um 23:00Uhr am 29.9.2024 alle Sprengel (1499 von 1499) sind ausgezählt. (@Stadt Wien)

Die SPÖ konnte in Wien sogar an Stimmen zulegen (+2,78%). Auch die FPÖ (+8,33%) und die Neos (+1,23%) gewannen. Die Grünen verloren stark (-8,69%). Die ÖVP konnte ebenfalls nicht mehr so viele Wählerinnen und Wähler überzeugen, wie bei der vergangenen Nationalratswahl (-7,05%). 

In fast allen Bezirken setzte sich die SPÖ an die Spitze. Nur in der Inneren Stadt, Hietzing und Döbling machte die ÖVP das Rennen. In Floridsdorf ist die FPÖ die stimmenstärkste Partei. Die Wahlbeteiligung lag in Wien bei nur rund 67 Prozent. 2019 kamen noch über 70 Prozent der Wienerinnen und Wiener in die Wahlkabine. 

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nützte den Wahlabend bereits, um bundespolitische Vorgaben zu machen: „Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass die Sozialdemokratie einen Anspruch hat, Teil einer Bundesregierung zu sein”, richtete er auf X aus. Und ergänzte: „Aber nicht um jeden Preis.” Sprich: Die Hauptstadt-Roten werden angesichts ihres im Vergleich zur Bundespartei deutlich besseren Abschneidens mehr als nur ein Wörtchen bei den Koalitionsverhandlungen mitreden. Und von ihnen hängt auch die politische Zukunft des Parteivorsitzenden Andreas Babler ab, der bei der Rathaus-Elite ohnehin alles andere als gut gelitten ist.

Eine Analyse der Ergebnisse und der Situation innerhalb der SPÖ lesen Sie morgen im Falter.morgen. 


Stadtnachrichten

Die Stimmzettel der Nationalratswahl waren gestern gerade einmal zur Hälfte ausgezählt, als bereits die erste Donnerstagsdemonstration angekündigt wurde. Die Initiative „do! Es ist wieder Donnerstag” kündigte an, künftig jeden Donnerstag vor dem Parlament gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu protestieren.

Damit übernimmt die Initiative eine altbekannte Tradition in Wien. Nach der blau-schwarzen Wende fanden ab Februar 2000 jede Woche am Donnerstag Protestkundgebungen gegen die ÖVP-FPÖ-Koalition unter dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel statt. Demonstrantinnen zogen bis Anfang 2002 auf immer neuen, nicht angekündigten Routen durch die Stadt. Auch 2017 wurde in Wien unter dem Motto „Es ist wieder Donnerstag” protestiert - diesmal gegen die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Sebastian Kurz.

Die dritte Auflage der Protestmärsche beginnt am 3. Oktober 2024 um 18:00.


Wer am Freitagnachmittag in der U-Bahn-Station am Karlsplatz unterwegs war, bekam ein außergewöhnliches Bild zu sehen. Rund 50 Menschen waren mit Topfpflanzen und Soundboxen mit Naturgeräuschen gekommen, um den öffentlichen Raum zu „renaturieren“. Der sogenannte Renaturierungs-Flashmob wurde vom Wiener Künstler und Aktivisten Tom Poe mit Unterstützung der „Artists For Future Austria“ und dem Künstlerkollektiv Klimabox organisiert.

© Klimabox

„Der Flashmob hat dazu eingeladen, sich vorzustellen, wie Städte durch die Renaturierung zu gesünderen, lebenswerteren Orten werden können”, heißt es in einer Aussendung. 


Nachruf

Bild von Markus Wailand
VON MARKUS WAILAND

„Ich lass euch nicht im Stich, wir sehen uns bald wieder!"

Leo Hruska, der legendäre Klomann der Friedhofstribüne des Wiener Sport-Club, ist gestorben. Ein Nachruf.

„In 25 Jahren hab ich kein Heimspiel verpasst. Und genau so lang hab ich auch kein Heimspiel gesehen.” Mit diesem Paradoxon hat sich Leo gern vorgestellt. Leo war der Klomann der Friedhofstribüne im Stadion des Wiener Sport-Club. Wir kannten uns über ein Jahrzehnt, zu einer engen Freundschaft hat sich unser Kontakt durch meine Arbeit an einem Dokumentarfilm über den Sport-Club und seine einzigartigen Fans entwickelt. Als ich damals eine neue Handynummer eintippte, stand kurz die Frage nach dem Nachnamen im Raum: „Schreib einfach Klomann, so kennt mich jeder.” Dabei war Leo Hruska weit entfernt davon, bloß Klomann zu sein. 
Er war der Nabel der Welt, zumindest der schwarz-weißen, Freitag Abends bei Heimspielen. Er reichte Papier zum trocknen der frisch gewaschenen Hände, geleitete weibliche Fans auf die Herrentoilette, wenn beim Damenklo die Schlangen lang waren und hatte für alle ein Lachen zur herzlichen Begrüßung. „Früher haben die Leute gesagt, I geh aufs Häusl. Des gibts nimmer. Heute heißt’s, ich geh' zum Leo. Und die Leut’ bleiben stehen, reden 
mit mir. Erzählen mir vom Match und fragen, wie geht’s dir mit deiner Krebserkrankung? Das ist
 das Schöne!” 

Kaum jemand gelang es so eindrücklich wie Leo, seine Wirkungsstätte als das Zentrum des Universums zu beschreiben. Mit großem Stolz trug er auch stets ein Dress mit den Unterschriften der Kampfmannschaft – jede Saison gibt es ein neues Leibchen, zu Hause hatte er eine exklusive Sammlung dieser Einzelstücke. Und Leo hatte Lungenkrebs, neben anderen gesundheitlichen Problemen. Doch selbst in den ärgsten Krisen hatte er sich seine positive Ausstrahlung bewahrt – immer wieder nahmen wir im Krankenhaus Videobotschaften an „meine lieben Freunde vom Sport-Club" auf, deren Botschaft stets lautete: „Ich lass euch nicht im Stich, wir sehen uns bald wieder!" Aktuell wird das Sport-Club-Stadion renoviert, die alte Friedhofstribüne steht nicht mehr. Leos großes Ziel war, im neuen Stadion wieder auf „seinem" Klo zu stehen. Dafür hat er schon die längste Zeit Material eingelagert, zuletzt mit seinem Sohn die elektrischen Händetrockner vom alten Klo abmontiert, damit sie dann im neuen Stadion nicht fehlen.

Die letzten Wochen verbrachte Leo viel Zeit im Krankenhaus, immer neue Komplikationen verzögerten die Heilung, dennoch ging es stets um die Zukunft: das neue Stadion, mit seiner Lebensgefährtin zusammenziehen, Kinder und Enkel treffen, heiraten. Am Freitag vor zwei Wochen war ich bei ihm, wir wollten die Umstände seiner Entlassung in häusliche Pflege besprechen, doch dann wurde es ein Abschied für immer. Die Hand, die er so vielen gereicht hatte, war plötzlich zu schwach geworden. Ich hab sie gehalten, als er ging; aber er wird weiter bei uns sein. War er bislang unterhalb der Friendhofstribüne, so wechselt er für die letzte Halbzeit auf den namensstiftenden Friedhof selbst. 

Heute gibt es ein letztes Mal die Möglichkeit, „zum Leo zu gehen". Um 13 Uhr am Hernalser Friedhof, statt Klopapier gibt's Taschentücher. Oder vielleicht auch Klopapier. Und Leo, die Rampensau, hat sich einen möglichst großen Bahnhof für seinen letzten Auftritt gewünscht. Eingeladen sind alle, die sich ihm verbunden fühlen, in diesem Sinn: Baba Leo, forever in our hearts.

Markus Wailand ist Filmemacher und arbeitet mit Sepp Brudermann an einem Dokumentarfilm über den Wiener Sport-Club. Von 1990–2000 war er Kulturredakteur beim Falter.


Grätzelrundgang

Margaretenstraße, der äußere Teil (1050)

© ARGE KARTO

Letzte Folge der kulinarischen Erforschung der Margaretenstraße, diesmal der äußere Teil vom Margaretenplatz bis zum Gürtel. 

Hier dünnt sich das Angebot schon ziemlich aus. Aber fangen wir beim Margaretenplatz an. Der wesentliche gastronomische Player hier, das Schlossquadrat mit Gergely’s, Silberwirt, Cuadro und der Pizzeria Margareta. Angrenzend dann das Cuadro: Hier setzte Stefan Gergely seit den 90ern auf Frühstück, Burger und Take-away. Gegenüber am Platz machte Anfang des Jahres die kleine Kaffee-Patisserie-Bar KARL auf. Man bekommt Kaffee der Wiener Rösterei Koun, ziemlich gute Sandwiches sowie allerlei Bagels, Rolls, Croissants, alles mit viel Kruste und viel Zimt, sehr skandinavisch. KARL ist allerdings ein Ableger des ungarischen Budapest Bistro gleich um die Ecke.

Gegenüber dem schönen Margaretenhof übernahm vor fünf Jahren Yari Scremin eine ehemalige Fleischhauereifiliale und bietet mit seinem Dai Golosi italienische Feinkost, sowohl frisch als auch abgepackt, ein bisschen sizilianisches Streetfood, lässige Tramezzini (gerollt!), Mittagsmenüs und abends echtes Ristorante – ein Universal-Lokal.

Fredis Feuerhalle gibt es gefühlt schon immer. Feste Nahrung spielt hier eher eine untergeordnete Rolle. Und nachdem es im gesamten Hundsturm-Grätzel nichts zu essen gibt, ist die nächste Station das wunderbare Neunerhaus-Café, wo Menschen, die durchs soziale Netz gefallen sind, ein warmes Bio-Gericht bekommen. Alle anderen können hier auch essen, das Projekt durch großzügige Entlohnung stützen. Das kann man übrigens auch zuhause machen und ein Getränk, ein Essen, einen Tagesaufenthalt oder eine Beratung spenden. Oder mit einem Tausender das Menü eines ganzen Tages.

Den ganzen Grätzelrundgang von Florian Holzer mit allen in der Karte erwähnten Lokalen finden Sie hier.

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Komm zum OTTA Office, dem After Work Event in der Ottakringer Brauerei!

Nach einem Tag voller Meetings, langer To-do-Listen und etlichen Mails gibt es (fast) nichts Besseres, als sich bei einem kühlen Bier zurückzulehnen und den Feierabend einzuläuten.
Am Mittwoch, 02.10.24 lädt das OTTA Office bei coolen Beats, gutem Essen, einzigartiger Biervielfalt, exklusiven Cocktails und einer Top-Auswahl an österreichischen Weinen zum After Work ein.

Freu dich auf ein gemütliches Get-together und Networken in einer der coolsten Locations Wiens!

Der Eintritt ist frei!


Frage des Tages

Wer war der Sage nach die Spinnerin am Kreuz”, der das bekannteste Wahrzeichen von Favoriten gewidmet ist?

  1. Eine Tuchmacherin, die den Habsburgerhof mit Bettwäsche belieferte 

  2. Die Frau eines Ritters, die auf die Rückkehr ihres Mannes von den Kreuzzügen wartete

  3. Eine Wahrsagerin, die für ihre falschen Prophezeiungen bekannt war

Auflösung von gestern: Einer Legende nach stammt das Wort Hietzing vom Ausdruck „Hiet’s eng!”. Diesen soll die Jungfrau Maria getätigt haben, bevor sie Gefangene während der ersten Türkenbelagerung von einer Baumkrone aus auf wundersame Art befreite. Der realen Welt wohl etwas näher entstammt die Ortsbezeichnung einem damaligen Adelsmann namens „Hiezo” (Kurzform von Heinrich).


Events des Tages

Bild von Nicole Scheyerer
AUSGEWÄHLT VON NICOLE SCHEYERER

Theater

Nicholas Ofczarek interpretiert Thomas Bernhards „Holzfällen“ und die Musicbanda Franui begleitet ihn mit Trauermärschen. Großartig zieht Ofczarek als Ich-Erzähler über die Abendgesellschaft her, in der er nach dem Selbstmord einer gemeinsamen Freundin gelandet ist. Besonders witzig sind natürlich jene Passagen, in denen er das Burgtheater disst: Nicht nur sei es eine theatralische Dichtervernichtungsanstalt. Und die Burgschauspieler seien sowieso kleinbürgerliche Popanze. Herrlich!

Burgtheater, Mo 20.00


Kinder

Das Theater Frischluft zieht mit seinen interaktiven Stücken für jedes Alter durch die Bezirke und macht in Parkanlagen Station. Diesen Herbst sind die beiden Schauspielerinnen Barbara Salcher und Ella Necker mit „Über Freundschaft“ unterwegs. Sie spielen und singen sie über Streit und Versöhnung zwischen Bruno Bär und dem Wutzwerg. Denn die Frage, ob nun ein Apfelstrudel mit sauren oder süßen Äpfeln besser schmeckt, ist eben eine essenzielle und kann schon mal zum Ende einer Freundschaft führen.

Hubert-Marischka-Park, Mo 14.30


Buchtipp

Stefanie vor Schulte: Das dünne Pferd

Dürre, Ratten, kein Radio. Die Lebensmittel und Medikamente werden knapp, die Seen sind längst gekippt, die Erde ist vergiftet, die Menschen verrohen. Wir sind in einer Klimawandeldystopie gelandet. In ihrem dritten Roman „Das dünne Pferd" fährt Stefanie vor Schulte mit uns im klapprigen Autobus durch ein Endzeitszenario. Man fühlt sich sofort in diese filmischen Szenen ein, in diese Mischung aus Heldinnenreise, Dorfposse und Umweltkrimi … (Juliane Fischer)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at

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Im Dom zu St. Pölten kommt Elisabeth Schimanas Orgelkonzert „Virus #3.6 – Twilight Zones“ zur Uraufführung. Die in St. Pölten ansässige und weltweit tätige Komponistin beschäftigt sich in ihrem für die Tangente entstandenen Auftragswerk mit Zonen der Dämmerung und des Zwielichts, in denen der autokratische Geist aus populistischen Sümpfen aufsteigt und Demokratien in Gefahr sind. Eine akustische Forschungsreise in die Wahrnehmung und ein Ausloten von Reaktionen. Mit dabei sind das Black Page Orchestra, Domorganist Ludwig Lusser und der ukrainische Violinist Andrii Pavlov.

Termin: Do, 3. Oktober 2024 um 21 Uhr, Tickets gibt es hier


Feedback

@ „Wiener Rasen-Unruhen” von Florian Klenk – Falter.morgen #910

Sorry, ich kann das Argument „Sau rauslassen“ überhaupt nicht verstehen. Ebenso wenig den Kommentar im verlinkten Artikel: Man nehme den Fans den letzten Ort, „wo sie derb, beleidigend und grenzüberschreitend auftreten konnten“. Wieso soll derb, beleidigend und grenzüberschreitend je okay gewesen sein? Wieso soll „Hütteldorfer Hurensöhne!” vs. „Tod und Hass dem FAK“ zu akzeptierter Folklore zählen? Und gleichzeitig herrscht Entsetzen über Ausdrücke und Aussprüche, die Kinder und Jugendliche im Schulkontext von sich geben; die u.a. auch Gewaltausbrüche unter Schülern provozieren?

Ich war in den 70ern als Jugendliche das erste Mal auf einem Fußballplatz und später als Erwachsene bei dem ein oder anderen Ländermatch.Schon damals habe ich nicht verstanden, was dort an Äußerungen zu hören war. Später wäre ich gern mal mit meinem Neffen zu einem Fußball-Match gegangen. Aber angesichts der Entwicklung der Hooliganszene habe ich diese Idee wieder verworfen. Auch heute würde ich gern das ein oder andere Match live erleben, aber das Risiko der geschilderten Situation und der möglichen Exzesse bei der Hin- und Rückfahrt in den Öffis halten mich davon ab.

Lore Schmid


@ „Riders in the Storm” von Daniela Krenn, Falter.morgen #909

Ich bin strikt dagegen, Lieferdienstkunden ein schlechtes Gewissen einzureden. Genau dieses Verständnis führt dazu, dass Unternehmen Probleme nicht selbst in die Hand nehmen sondern sich auf das „Verständnis“ für die armen Angestellten verlassen. Zusätzlich erwarte ich *natürlich* genaue Beobachtung durch Gewerkschaften, Regulatoren und Regierungen.

Man kann nicht von jedem Kunden ständig Entgegenkommen und detaillierte Kenntnisse von internen Abläufen in Unternehmen erwarten. Dafür gibt es zuständige Stellen, die sich die Gemeinschaft genau dafür leistet. Wenn wir jetzt doch alles selbst regeln müssen, wozu brauchen wir diese dann?


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