Ich würde Ihnen gerne über Robert Wiesner und Anna Sporrer erzählen. Wiesner war nach einer kurzen Karriere als SPÖ-Ministersprecher bei der AZ, ORF-Journalist, leitete den ORF-Report und gilt als einer der besten Journalisten dieses Landes, er gewann 2017 mit dem Report sogar den Walther Rode-Preis, benannt nach dem berühmten Justizkritiker. Anna Sporrer ist SPÖ-Justizministerin. Robert Wiesner hat Anna Sporrer geheiratet. Das ist im Grunde deren Privatsache.
Nun hat aber Wiesner, mittlerweile Pensionist, damit begonnen, in zahlreichen Postings in sozialen Medien öffentlich gegen mich als Journalisten und den FALTER als Medium Stimmung zu machen, ohne seine privaten Verhältnisse offenzulegen. Er tut das mit Vorwürfen, die unter die Gürtellinie gehen: Ich betriebe „Mansplaining“, also eine Form des Sexismus, würde eine „Kampagne“ führen, die Ministerin „anrotzen“, meine Fehler seien von der Staatsanwaltschaft Wien „richtig gestellt“ worden. Was habe ich tatsächlich gemacht?
Ich sehe Anna Sporrers Wirken kritisch. Ich habe über den im Justizministerium massiv kritisierten Postenschacher berichtet – etwa darüber, dass Sporrers stellvertretende Kabinettschefin Xenia Köck, obwohl für den Richterdienst als nicht geeignet eingestuft, Abteilungsleiterin in einem Ministerium wurde, das in Führungsjobs fast nur Richterinnen und Richter beschäftigt. Die Ausschreibung war auf Köck hingeschrieben, jeder wusste, dass sie den Job kriegt. Empört war darüber nicht ich, sondern die Richtervereinigung, die Vereinigung der Staatsanwälte und die Personalvertretung, die Sporrer in einem offenen Brief vor diesem Tabubruch warnten.
Und ich habe vergangene Woche in einer FALTER-Covergeschichte kritisiert, dass das BMJ – mit Sporrer an der Spitze der Dienst- und Fachaufsicht – den Fall des wegen NS-Wiederbetätigung angeklagten Antiquars Rainer Schaden nicht ordentlich überprüft hat.
Schaden, ein stadtbekannter Antifaschist, verkaufte lediglich Bücher aus dem Nachlass der Historikerin Brigitte Hamann. Ex-Minister Heinz Fassmann und Historiker Oliver Rathkolb protestierten öffentlich gegen die Anklage. Rathkolb forderte die Ministerin auf, den Fall noch einmal zu prüfen, da komme ein Unschuldiger vor Gericht. Einen Podcast dazu hören Sie hier.
Nach meinen Informationen hält auch die zuständige Beamtin der Weisungsabteilung einen „glatten Freispruch“ für wahrscheinlich, wollte aber keine Weisung erteilen, da die Anklage „gerade noch vertretbar“ sei. Auch namhafte Juristen der Oberstaatsanwaltschaft Wien sehen das so – off records. Sie alle wurden über den Fall informiert, das sieht ein interner Erlass bei NS-Verbotsgesetz-Anklagen so vor. Der Fall Schaden war zwar nicht „berichtspflichtig“, aber „informationspflichtig“. Das ist eine etwas lockerere Form der Kontrolle, die Anklage muss nicht genehmigt werden, aber wenn sie Unfug ist, muss das Ministerium eingreifen. Wozu wäre sonst die Informationspflicht an die Ministerin da?
Im Fall Schaden wäre das notwendig, sagen mir namhafte Ministerialbeamten. Denn wenn man selbst im BMJ von einer hohen Freispruchswahrscheinlichkeit ausgeht, muss der Fall geprüft werden. Dafür gibt es den unabhängigen Weisungsrat und die Fachaufsicht. Hier drohen immerhin einem Unschuldigen zehn Jahre Haft. Und dem Staat enorme Kosten bei einem Freispruch (Verteidigerkostenersatz).
Sporrer kommt dieser verfassungsmäßigen Pflicht nicht nach. Stattdessen tut sie so, als sei das Weisungsrecht per se unangebracht - und viele stimmen ihr zu. Aber das ist rechtlich falsch – das Weisungsrecht ist notwendig. Aber es wäre natürlich bei einem unabhängigen Organ besser aufgehoben. Dass alle Parteien seit Jahren eine unabhängige Bundesanwaltschaft blockieren, ist das eigentliche Problem. Aber nach geltendem Recht hat Sporrer das Weisungsrecht und kann es nicht einfach ignorieren. Der Wunsch, es nicht politisch zu missbrauchen, bedeutet nicht, es einfach nicht auszuüben.
Warum erzähle ich das? Weil ich schrieb: „Was macht Anna Sporrer eigentlich beruflich?“ Die korrekte Antwort lautet: Sie ist oberste Weisungsherrin und muss also solche Anklagen prüfen lassen.
Und was hat das mit Robert Wiesner zu tun? Er greift mich nun in zahlreichen Postings wegen der Kritik massiv persönlich an, ich kenne das eigentlich nur aus anderen politischen Milieus. Er wirft mir auch vor, ich würde wie „die höchste Instanz“ agieren.
Ich bin aber weder Sexist noch Kampagnenleiter, sondern Journalist, Jurist und Kritiker. Ich lege Wert auf Distanz und gründliche Arbeit. Ich habe mit Oberstaatsanwaltschaft, Ministerium, Staatsanwälten, Richtern, Historikern und Strafverteidigern gesprochen, den gesamten Akt gelesen und alles darin Enthaltene offen gelegt. Und ich habe keine Fakten weggelassen, wie mir Wiesner unterstellt.
Wiesner vermischt sein privates Verhältnis mit politischer Kritik. Das schadet ihm selbst. Und Sporrer, die sich sachlich äußern sollte. In der ORF-Pressestunde sagte sie am Sonntag, sie gebe generell keine Weisungen. Leider hat ihr dort niemand entgegnet, dass sie dazu verpflichtet ist, wenn sonst Unschuldige in ein teures Geschworenenverfahren gedrängt werden. Es geht ja nicht um parteipolitisches „Derschlagen“ von Verfahren gegen Haberer, sondern darum, einen folgenschweren Fehler zu vermeiden.