✍Ein für heute Abend geplanter Auftritt des israelischen Philosophen am Judenplatz sorgt bereits im Vorfeld für Antisemitismus-Vorwürfe. Was dahintersteckt und was der Redner selbst dazu sagt >> Fernwärme-Ausbau: Wer bald angeschlossen wird, wer noch warten muss und wer sich keine Hoffnung machen braucht >> Wiener Baumporträts #10: Lob der Ulme >> Was ist eigentlich verwordagelt, Frau Andrea? Wetterkritik: Tschüss, Fr...
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Ein für heute Abend geplanter Auftritt des israelischen Philosophen am Judenplatz sorgt bereits im Vorfeld für Antisemitismus-Vorwürfe. Was dahintersteckt und was der Redner selbst dazu sagt >> Fernwärme-Ausbau: Wer bald angeschlossen wird, wer noch warten muss und wer sich keine Hoffnung machen braucht >> Wiener Baumporträts #10: Lob der Ulme >> Was ist eigentlich verwordagelt, Frau Andrea?

Wetterkritik: Tschüss, Frühlingswetter! Heute ist es wechselhaft und nicht mehr so warm wie gestern. Maximal 21 Grad und viele, viele Wolken begleiten uns durch den Tag. Vormittags bläst kräftiger Wind, manchmal regnet es.


Guten Morgen!

Wenn der israelische Philosoph Omri Boehm heute Abend am Judenplatz ans Pult tritt, um im Rahmen der Wiener Festwochen eine „Rede an Europa“ zu halten, sind Proteste zu befürchten – allerdings nicht, wie man vielleicht vermuten würde, von Rechten oder Palästina-Aktivisten: Der Auftritt sorgt vielmehr im Umfeld der jüdischen Community bereits vorab für Kritik und Empörung bis hin zu Cancel-Interventionen im Rathaus. „Wäre ich 30 Jahre jünger, würde ich am Dienstag hingehen – und Eier werfen“, erklärte etwa Ariel Muzicant, ehemaliger Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) im Kurier.

Warum? Weil Boehm unter anderem über unterschiedliche Sichtweisen auf den Nahostkonflikt sprechen will, der in Deutschland und Österreich vor dem Hintergrund des Holocaust anders gesehen wird als in anderen Teilen der EU. Und das sei, „die falsche Rede am falschen Ort“, so Muzicant.

Der Vorwurf, der gegen den Redner erhoben wird, lautet Antisemitismus. Was einigermaßen überraschend ist, weil Boehm eigentlich als Konsensfigur gilt. Geschult an den Ideen des Philosophen Immanuel Kant, entwickelte er eine salomonische Position, die partikuläre Interessen überwinden will. Er lehnt eine Zweistaatenlösung als unrealistisch ab und schlägt stattdessen einen föderalen gemeinsamen Staat der Juden und Palästinenser vor.

Der Streit um Boehm ist aber auch ein Stellvertreterkonflikt zwischen der jüdischen Gemeinde und Milo Rau, dem neuen Intendanten der Wiener Festwochen. Der hat es sich durch die Einladung von deutlich radikaleren Israel-Kritikern wie Yanis Varoufakis und Annie Ernaux in den Festwochen-Beirat verscherzt.

Was Boehm bei seiner Rede sagen wird, wissen wir heute Abend (einen Mitschnitt gibt es ab morgen, Mittwoch, Mittag im FALTER.radio). Was er sonst noch zu sagen hat, lesen Sie in einem ausführlichen Interview, das Eva Konzett und Tessa Szyszkowitz für den gedruckten FALTER mit ihm geführt haben. Einen Auszug daraus haben wir bereits heute für Sie.

Außerdem: Kollegin Daniela Krenn hat sich bei der gestrigen Pressekonferenz angehört, wie die Stadt es schaffen will, bis 2040 klimaneutral und leistbar zu heizen und zu duschen. Mehr dazu gleich unten. In der zehnten Folge unserer Wiener Baumporträts lobt unser Autor Thomas Roth die Ulme. Und Frau Andrea weiß, was der herrliche Ausdruck verwordageln bedeutet.

Einen schönen Tag wünscht

Matthias Dusini

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Entertainer Chris Botti »In Concert«

Trompeter und Grammy-Preisträger Chris Botti spielte an der Seite von Paul Simon, Aretha Franklin, Joni Mitchell und Sting. Nach der Zusammenarbeit mit diesen und anderen Größen des Pop und Soul, war es für Botti nun an der Zeit, sich wieder auf seine Faszination für das Improvisieren zu besinnen.
Mit seinem neuen Album »Vol. 1« kehrt der US-amerikanische Star zu seinen Wurzeln im Jazz zurück und ist am 14. Mai erstmals im Wiener Konzerthaus zu erleben.

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„Ich fühle mich nicht gecancelt“

Ein Auszug aus dem morgen erscheinenden FALTER-Interview mit Omri Boehm.

VON EVA KONZETT & TESSA SZYSZKOWITZ

FALTER: Herr Boehm, Sie sind sicher in Wien angekommen und werden eine Rede zu Europa halten. Allerdings will nicht jeder, dass Sie das auf dem Judenplatz tun. Was sagen Sie dazu, dass man Sie zu canceln versucht hat?

Omri Boehm: Ich fühle mich nicht gecancelt. Die Art und Weise, wie über meine Rede diskutiert wird, tut mir allerdings leid. Ich finde, wir sollten lieber über Inhalte sprechen. Bisher habe ich sehr wenige Argumente gegen meinen Auftritt auf dem Judenplatz gelesen, und die, die vorgebracht wurden, waren rundweg falsch. Ich bin zu einer öffentlichen Veranstaltung nach Wien gekommen, aber mein Besuch hier bedeutet für mich auch privat viel. Die Familie meiner Frau stammt aus Wien. Das ist wichtig für mich.

„Leute, die denken, dass ich Israel delegitimieren will, haben ein sehr trauriges Konzept davon, was Israel ist und sein sollte“: Philosoph Omri Boehm (© Picturdesk, Hendrik Schmidt/dpa)

In Ihrem Buch „Israel – eine Utopie“ fordern Sie einen binationalen Staat für Juden und Palästinenser. Wie soll da Israel als Staat für Juden und Jüdinnen erhalten bleiben?

Leute, die denken, dass ich Israel delegitimieren will, haben ein sehr trauriges Konzept davon, was Israel ist und sein sollte. Das sind jene, die nicht infrage stellen, dass Israel irgendetwas anderes sein sollte als ein nationalistisches Land, ein jüdischer Staat, in dem schon jetzt mehr als 50 Prozent Nichtjuden leben. Ich dagegen finde, dass wir darüber nachdenken müssen, wie es gelingen kann, dass wir für Juden einen Staat erhalten, in dem sie ihre nationalen Rechte und ihre Sicherheit bekommen, obendrein aber auch in einer liberalen Demokratie leben können. Ich halte es für problematisch, meinen Versuch, eine Lösung zu finden, als Angriff auf die Existenz Israels zu lesen.

Wie könnte ein solcher binationaler Staat aber funktionieren? Seit dem 7. Oktober fürchten die Israelis noch mehr als zuvor um ihre Sicherheit.

Wir sind hier in Wien, in der Europäischen Union. Europa ist ein Beispiel dafür, dass es längst Überlegungen dazu gibt, dass nationale Souveränitäten gemeinsam definiert werden können. Das ist der einzige Weg, Krieg zu vermeiden und Frieden zu erhalten. Es führt auch dazu, die nationale Selbstbestimmung von Völkern noch zu verbessern. Wer solche Konzepte in und für Israel ablehnt und dann auch noch behauptet, sie seien antisemitisch, versteht Israel nicht richtig, und die zionistische Hoffnung noch weniger. Und nicht weniger entscheidend: Er versteht Europa nicht.

In Österreich hat der 8. Mai, der Tag der Befreiung von den Nazis, eine besondere Bedeutung. Aus der Mitverantwortung für die Schoah, den Holocaust, ist hier und in Deutschland ein besonderes Gefühl der Verantwortung für Israels Existenz erwachsen. Verstehen Sie, dass diese beiden Staaten deshalb eine Sonderrolle dabei spielen, Israel zu verteidigen?

Ich glaube, diese beiden Länder haben eine spezielle Rolle. Wer so tut, als sei das nicht so, versteht Geschichte und menschliche Beziehungen nicht. Es gibt historische Verantwortlichkeiten. Ich denke aber nicht, dass diese hier richtig eingesetzt werden. Einerseits kümmern sich Deutschland und Österreich besonders um die Sicherheit Israels – und glauben Sie nicht, dass ich diese leichtnehme. Aber wenn Ihr Staat Israel beschützen will, dann auch davor, internationales Recht zu brechen. Israel beizustehen heißt, nicht nur im Kampf gegen die äußeren Feinde, sondern auch im Kampf für den Erhalt der Demokratie beizustehen. Sonst verkehrt sich die historische Verantwortung für Israels Existenz schnell in das Gegenteil. Das bereitet mir Sorge, weil es gefährlich und destruktiv für den Staat Israel und für das palästinensische Volk ist, das unter Israels Herrschaft lebt.

Das gesamte Interview lesen Sie morgen, Mittwoch, im gedruckten FALTER oder noch heute ab 17 Uhr online auf falter.at (hier geht es zu unseren Digital-Abos).

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Nespresso Österreich hat 2009 ein eigenes Recyclingsystem für gebrauchte Kaffeekapseln eingeführt. Über die mehr als 2.100 Sammelstellen werden mittlerweile bereits 38 % der gebrauchten Nespresso Kapseln retourniert. Zur Feier des 15-jährigen Jubiläums verlosen wir 5x2 5-Liter-Säcke Kaffee-Erde, hergestellt mit Kaffeesud aus recycelten Kapseln.


Falter Radio

Scheuba fragt nach … bei Florian Klenk 

Florian Scheuba berichtet in seinem aktuellen Podcast, wie Christian Bahas Goldgräber einen „Superfund“ machten und Eva Dichands Gesundheitsportal „Ernährungstipps für Natursektbestrahlung“ gibt. Mit FALTER-Chefredakeur Florian Klenk spricht er über Herbert Kickls „Operation Chiquita“, Karin Kneissls russischen Geheimdienst und Felix Baumgartners Wunsch nach Diktatur.


Stadtgeschichten

Bild von Daniela Krenn
VON DANIELA KRENN

Wie werde ich meine Gasheizung los?

Die Stadt Wien präsentierte gestern den lang erwarteten Wiener Wärme Plan 2040. Er zeigt, welche Stadtgebiete als nächstes Fernwärmeanschlüsse bekommen, welche noch ein bisschen warten müssten und welche überhaupt andere Lösungen brauchen. 

Vieles, was bei der gestrigen Pressekonferenz von Klimastadtrat Jürgen Czernohorsky, Vizebürgermeisterin Kathrin Gaal und Peter Hanke (alle SPÖ) gesagt wurde, war bereits bekannt: 600.000 Wiener Gasheizungen müssen ausgetauscht werden, und das soll hauptsächlich durch Fernwärme passieren. Offen war bisher allerdings, welche Grätzeln ganz konkret vom geplanten Fernwärmeausbau profitieren werden - und welche sich nach anderen Lösungen, wie beispielsweise Erdwärmepumpen oder Photovoltaik, umschauen müssen. Das macht die Stadt Wien auf ihrem Plan nun deutlich

Fernwärme für die inneren Bezirke, die äußeren brauchen andere Lösungen

Überraschend ist der Wärmeplan nicht: Die inneren Bezirke werden beinahe vollständig an die Fernwärme angeschlossen, die äußeren Bezirke eignen sich nicht für den flächendeckenden Ausbau der Rohrleitungen. Letzteren empfiehlt die Stadt „nachbarschaftliche Wärmeversorgung” – also etwa, dass mehrere Hauseigentümer in eine gemeinsame Photovoltaikanlage investieren. Förderungen dazu gibt es von der Stadt - insgesamt 260 Millionen Euro für die thermischen Sanierungen und Heizungstausch will sie locker machen. Alle Hauseigentümer werden von der Serviceagentur „Hauskunft” beim Um- und Ausbau unterstützt. 

Die Umsetzung dieses Vorhabens ist dringend nötig: Gasheizungen sind nach Öl- und Braunkohle-Öfen die größten CO2-Schleudern und für fast zehn Prozent der CO2-Emissionen in Österreich verantwortlich. Fast 40 Prozent der österreichischen Haushalte heizen mit Erdgas oder Öl. 

Fernwärme wird zentral in einem Heizwerk erzeugt, in Wien etwa durch Geothermie und der Mülldeponie entstehen. Anschließend gelangt sie über ein Rohrleitungssystem in die Häuser. 400 Kilometer will die Stadt ausbauen. Eigene Heizungsanlagen pro Gebäude oder Wohnung braucht es dann nicht mehr. 

Vier Grätzeln sollen dabei als „Pioniergebiete” dienen. In insgesamt 1800 Häusern in der Gumpendorfer Straße, dem Alliiertenviertel, in der Rossau und im Huber-Block in Ottakring sollen sich Anrainer bereits in den nächsten eineinhalb Jahren an die Fernwärme anschließen können. 

Was noch fehlt? Ein einheitlicher Tarif. Den will die Stadt bis Ende des Jahres ausarbeiten. 


Verliebt in Wien, Teil 2

Wohin, wenn die Liebe endet?

Gestern gabs im FALTER.morgen Tipps, wo man in Wien die Liebe findet. Aber da nicht jede Liebe für immer hält, bringen wir heute eine Auswahl an trostspendenden Orten für frischgebackene Singles.

Illustration: Georg Feierfeil

Was gibt es Tröstlicheres, als bei Mai-Kai-Karaoke in der Lugner City lebensbejahende Break-up-Songs zu singen? Eben. Nach einer Runde „Believe“ von Cher oder „Flowers“ von Miley Cyrus kann man gar nicht mehr traurig sein.

An den Wiener Volkshochschulen gibt es über 7000 Kurse. Genug Möglichkeiten also, die freigewordene Zeit in etwas Sinnvolles, nämlich in dich, zu investieren! Pimpe zum Beispiel dein Tinder-Profil auf und besuche den Kurs „Picture Perfect – Bessere Fotos mit dem Smartphone in wenigen Schritten“. Oder lass dir bei „Solaris – Ein Streifzug durch das Sonnensystem“ erklären, warum wir und unsere Probleme vielleicht doch nicht so groß sind, wie es sich manchmal anfühlt. Wer auf Nummer sicher gehen will, investiert in einen Kurs, damit es beim nächsten Mal besser läuft. Zum Beispiel: „Gewaltfreie Kommunikation – Einführung kompakt.“

Das Wichtigste für eine gelungene Trennung ist Abstand. Und das gilt auch fürs Internet: Instagram-Stalking verboten. Einfacher gesagt als getan, doch in der Vollpension im vierten Bezirk kannst du dein Handy in einen kleinen Tischkäfig sperren und mit Pensionisten plauschen, die dir ganz nebenbei hausgemachten Kuchen servieren.

Die ganze Geschichte mit vielen weiteren Tipps finden Sie hier (mit 4-Wochen-Testabo kostenlos).


Stadtnachrichten

Absoluter Vorrang für Kinder gilt im Mai auf mehreren Straßenzügen der Stadt: Im Zuge des Projekts „Spielerisch durch Wien" werden in Zusammenarbeit mit umliegenden Schulen Verkehrsflächen jeweils einen Nachmittag lang für alle Fahrzeuge gesperrt. Damit sollen den Schülerinnen und Schülern andere Perspektiven auf den urbanen Raum und neue Möglichkeiten für Bewegung, Spiel und Spaß ermöglicht werden. Zum Angebot der Spielstraßen zählen unter anderem Schwungtücher, Jongliermaterial, Straßenkreiden und Riesenseifenblasen.

Den Beginn macht heute, Dienstag, zwischen 14:30 und 18:00 Uhr die Glasergasse beim Erich-Fried-Gymnasium im 9. Bezirk. Morgen wird ab 14:40 wird die Pannaschgasse im 5. Bezirk verkehrsberuhigt, ab 15 Uhr steigt am Schottenring 16 im 1. Bezirk ein Spielstraßenfest.

Weitere Termine finden Sie hier.


Die Verkehrssperre der Stammersdorfer Kellergasse an Wochenenden wird zur Dauereinrichtung: Das ist das Ergebnis einer Evaluation nach mehreren Probemonaten in den vergangenen zwei Jahren. Künftig dürfen in der Zeit zwischen 1. März und 31. Oktober an Sams-, Sonn- und Feiertagen zwischen 10 und 22 Uhr generell keine Autos fahren. Ausgenommen sind Linienbusse, Landwirtschafts- und Anrainerfahrzeuge der Senderstraße.

Der Floridsdorfer Bezirksvorsteher Georg Papai (SPÖ) begrüßt das Evaluierungsergebnis: „Schon beim seinerzeitigen Beteiligungsprozess war klar, wir müssen weg von einer stark befahrenen Durchzugsstraße zurück zu einer Kombination aus Erreichbarkeit und Ruhe, um die traditionelle Heurigen- und Weinkultur wieder besser erlebbar zu machen. Das ist uns mit dem temporären Fahrverbot gelungen.“


Frage des Tages

Wem verdankt die Kirchberggasse am Spittelberg ihren Namen?

  1. Geografischen Gegebenheiten; zur Kirche St. Ulrich geht es nämlich ein Stück bergauf

  2. Dem alten niederösterreichischem Geschlecht entstammenden Wolf von Kirchberger, der zahlreiche Grundstücke in der Gasse pachtete

  3. Dem Gasthaus der Familie Kirchberger, in dem 1432 illegal Bier ausgeschenkt wurde, obwohl nur das Bürgerspital ein Monopol auf Produktion und Ausschank hatte

Auflösung von gestern: Der „Rote Merkur“, um den in den 1890-er Jahren ein regelrechter Hype in Wien ausbrach, war eine seltene Briefmarke (keine exotische Rosensorte und auch kein kostbarer Edelstein.


Wiener Baumporträts #10

Bild von Thomas Roth
VON THOMAS ROTH

Ulmen für den Michaelerplatz

Am Michaelerplatz herrscht Aufregung über die bevorstehende Umgestaltung des Platzes mit Wasserspielen, Pflanztrögen und Bäumen. Vor allem die Pflanzung von sogenannten XL-Bäumen sorgt für Erregung (ja sogar Schnappatmung) bei Architekturexpertinnen und -experten aus dem In- und Ausland. 

Die Visualisierung zeigt hoch aufgeastete Laubbäume in Pflanzbeeten mit Sitzgelegenheiten. Die Aussendung der Stadt Wien zeigt, dass sie ein besonderes Augenmerk auf die Auswahl der Bäume gelegt haben. Für die Mitte des Platzes wählten sie Blauglockenbäume, wohl eine Verbeugung vor Kaiser Franz Joseph und seinem Lieblingsbaum (siehe FALTER.morgen vom 2. April 2024) und für den Bereich bei der Kirche St. Michael fiel die Wahl auf Ulmen. 

Vor allem die Ulmen finde ich interessant, da sie derzeit die wohl am schnellsten wachsenden Bäume in der Stadt sind. Das war nicht immer so. Ulmen waren noch bis in die 1960er Jahren die populärsten Stadtbäume Europas, bevor sie von dem in ostasiatischen Ulmen lebenden Pilz „Ophiostoma ulmi” befallen wurden und innerhalb kürzester Zeit großflächig abstarben. Verbreitet wurde der Pilz über den Ulmensplintkäfer (Scolytus scolytus), der zur Unterfamilie der Borkenkäfer gehört. Durch Gefäßverstopfungen der Leitungsbahnen des Baumes starben die befallenen Ulmen innerhalb kürzester Zeit durch Wassermangel. Das sogenannte Ulmensterben führte dazu, dass diese Baumarten aus dem Wiener Stadtraum fast vollständig verschwanden. Nur ein paar überlebten die Krankheit und zählen heute meist zu den Naturdenkmälern der Stadt. 

Ulme in der Johnstraße (© Thomas Roth)

Meine Lieblingsfeldulme (Ulmus minor) steht in der Burggasse, Ecke Kirchengasse. Sie hat laut Baumkataster einen Stammumfang von beachtlichen 270 cm, einen Kronendurchmesser von bis zu 18 Metern und wurde bereits 1915 gepflanzt. Erst in den letzten Jahren verwendete die Stadt wieder häufiger Ulmen als Straßenbäume, da es mittlerweile resistente Ulmensorten am Markt gibt, die immun gegen die Ulmenkrankheit sein sollen. Die geschützten Sorten der Marke Resista tragen die klingenden Namen Fiorente, New Horizon, Rebella, Rebona, Regal und Reverti. Manche Baumschulen versehen ihre Bäume sogar mit Mikrochips, um die Sortenechtheit zu belegen. 

In Wien pflanzte man meist sehr erfolgreich die Sorte New Horizon. Die Resista-Ulme wird aufgrund ihres Einsatzes an verschiedenen Standorten und ihres raschen Wachstums angepriesen. Ich beobachte schon seit der Pflanzung 2012 eine Ulme auf meinem „Schulweg” auf der Johnstraße. Sie misst einen beachtlichen Stammumfang von über 90 cm und hat den daneben stehenden, 1992 gepflanzten, aber erkennbar schwächelnden Spitzahorn mit einem Stammumfang von 52 cm schon deutlich überholt. 

Aber zurück zum Michaelerplatz: Ich verstehe die Kritik, den historisch bedeutsamen Platz mit Pflanzbeeten und Wasserspielen vollzuräumen. Auch die Pflanzung teurer XL-Bäume ist bei so schnell wachsenden Bäumen schwer verständlich. Warum aber hoch aufgeastete Ulmen die Urbanität aufheben und die Lesbarkeit des Platzes schwer beeinträchtigten sollen, entzieht sich meinem Verständnis von städtischen Freiräumen. Oder, ist es doch so, dass Architekten und Bäume in diesem Leben keine Freunde mehr werden wollen?

Adresse: Johnstraße,1150 Wien 

Musiktipp: David Bowie: Thru‘ These Architects Eyes

GLOSSAR

aufasten: Beim Aufasten legen Gärtner bei einem Baum oder Großstrauch mit sehr vielen Seitentrieben den Stamm frei. Das schafft Platz

Leitungsbahnen: Strukturen im Spross/Stamm, durch die Wasser und Nährstoffe transportiert werden

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Die besten geheimen Gastgärten in Wien

Die geheimen Gastgärten der Stadt bieten eine einladende Kulisse, um abseits vom Trubel der Stadt Momente der Ruhe und Kulinarik zu genießen und das Frühlingserwachen in vollen Zügen zu erleben. Das Gute liegt im Verborgenen – hier jedenfalls.


Events des Tages

Bild von Gerhard Stöger
AUSGEWÄHLT VON GERHARD STÖGER

Kunst

Im österreichischen Pavillon auf der Biennale in Venedig kommt Anna Jermolaewas Beitrag bestens an. Nun eröffnet bei Phileas am Opernring ihre Schau „Assemblé“, die eine Reihe von Fotos, Zeichnungen und Skulpturen zeigt. Sie kreisen einerseits um die Flucht der geborenen Russin 1989, andererseits um ihre neue regimekritische Videoinstallation „Rehearsal for Swan Lake“. (Nicole Scheyerer)

Phileas, 19.00 (bis 14.9.)


Musik

Am 7. Mai 1824 wurde Beethovens 9. Symphonie mit der berühmten „Ode an die Freude“ uraufgeführt. Der bereits völlig ertaubte Komponist stand beim Schlusssatz mit dem Rücken zum Auditorium. Erst als er sich umdrehte, sah er das jubelnde Publikum und verbeugte sich dankend. 200 Jahre später feiert die Gesellschaft der Musikfreunde das Ereignis mit einem Jubiläumskonzert im Goldenen Saal. Maestro Riccardo Muti dirigiert die Wiener Philharmoniker und eine erlesene Sängerschar, darunter Marianne Crebassa und Günther Groissböck. (Miriam Damev)

Musikverein, 19.30


Buch

Stefanie von Wietersheim, Leyla Piedayesh (Hg.): Irans Töchter. Über Mut, Heimat und die Schönheit des Lebens

Die Idee für „Irans Töchter„““ entstand während der Proteste im Jahr 2022, seither beobachtet die Welt den Iran verstärkt. Die Modedesignerin Leyla Piedayesh und die Schauspielerin Jasmin Tabatabai, die gefeierte DJane Paramida und die Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg, die als junge Frau im berüchtigten Evin-Gefängnis in Haft saß: Insgesamt 20 Frauen mit iranischen Wurzeln berichten über ihre Arbeit, Migrations-oder Fluchterfahrungen und die Lage der Frauen im Iran. Viele haben Berufe, die sie im Iran nicht ausüben könnten … (Donja Noormofidi)

Die gesaamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at


Fragen Sie Frau Andrea

Was ist eigentlich verwordagelt?

Liebe Frau Andrea,

der Schriftsteller Clemens Setz gebrauchte vor einiger Zeit im FALTER-Interview das Wort verwordagelt. Nach meiner Erinnerung habe ich dieses Wort auch gelegentlich verwendet, ohne mich nach der Herkunft zu erkundigen. Gleichbedeutend für verunstaltet ist mir bekannt, aber die Herkunft? Sie wissen sicher Bescheid!

Werner Sommer, per E-Mail

Hat auch was mit Teig zu tun: Das Verwordageln (© Jon Sullivan/Wikicommons)

Lieber Werner,

in semantischer Hinsicht ist geborenen (und gelernten) Österreichern die Bedeutung des Wortes klar und bestens bekannt, allzu oft dient es der Beschreibung misslungener, verunstalteter, schief oder hässlich geratener Dinge. Sei es selbst Erzeugtes oder Verderbtes aus fremder Hand. Wörtlich spricht Kollege Setz von „verwordagelten Einfällen“, also Gedachtem. Das Verwordagelte kann also auch literarisch transzendieren.

Sprachgeschichtlich gesehen stammt unser Begriff aus vorindustrieller Zeit. Das Mittelhochdeutsche kannte das Partizip Perfekt verwohrt für fehlgeschlagen, schlecht gemacht. Es ist eine Abschwächung des wesentlich schärferen und älteren gotischen frawaúrht(a), so viel wie sündig, schuldig. Verwirken (älter: verwürken), das zugrunde liegende Verb, hat die ursprüngliche Bedeutung noch besser bewahrt.

Woher aber kommt der zweite Wortbestandteil „dageln“? Nach gängiger etymologischer Lehrmeinung liegt hier die bairisch-österreichische Aussprache des Zeitworts „teigeln“ vor, also etwas „teigen“, „aus Teig formen“.

Das Fawoadagelte (Verwohr(ge)teigelte) ist also das schlecht geformte, sichtbar misslungene Backwerk, wohl die hässliche Semmel, die falsch verschränkte Brezel, das aus der Form geratene Striezerl.

„Hinich“, würden die Wienerinnen und Wiener sagen, müsste es rascher gehen.


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