✍Experten kritisieren die Tarifsenkungen der Wien Energie als intransparent und kompliziert: Was sagt Wolfgang Strebl, Chef des städtischen Unternehmens, dazu? >> Zwei Familien zogen vor Gericht, um ihren Kindern mit Behinderung zwölf Schuljahre zu ermöglichen: Nun gibt es eine erste Reaktion >> Wie geht man auf dem Zahnfleisch, Frau Andrea? Wetterkritik: Dasselbe in Gelb. Die Temperatur bleibt wie gestern (nachmittag...
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Experten kritisieren die Tarifsenkungen der Wien Energie als intransparent und kompliziert: Was sagt Wolfgang Strebl, Chef des städtischen Unternehmens, dazu? >> Zwei Familien zogen vor Gericht, um ihren Kindern mit Behinderung zwölf Schuljahre zu ermöglichen: Nun gibt es eine erste Reaktion >> Wie geht man auf dem Zahnfleisch, Frau Andrea?

Wetterkritik: Dasselbe in Gelb. Die Temperatur bleibt wie gestern (nachmittags bis zu 32 Grad), der Wind hält auch noch ein wenig an. Nur die Wolken verziehen sich heute zunehmend. Das heißt: strahlender Sonnenschein.


Guten Morgen!

Wer sich Kommentare in sozialen Medien durchliest, spürt viel Wut. Das ist in der aufgeregten Internetwelt nichts Ungewöhnliches. Aber man kann dort sehr wohl ein gewisses Stimmungsbild ablesen. 

Als ich vorige Woche über die geplanten Preissenkungen der Wien Energie berichtete und dass die Tarife nicht automatisch abgesenkt werden, obwohl sie automatisch angehoben wurden, waren viele Menschen sauer.

„Komplett vertrottelt die Welt”, schrieb Diethard G. auf Facebook. „Ich verstehe nicht, warum die Wien Energie die Preise aus rechtlichen Gründen nicht automatisch senken kann”, stand in einer Mail. Kurz zusammengefasst: Die Art und Weise, wie die Wien Energie die Preise senkt, sei kompliziert und intransparent. 

Das sehen übrigens auch Arbeiterkammer, der Verein für Konsumenteninformation und Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der E-Control so. „Das Angebot der Wien Energie ist schon gut”, meint er zum FALTER.morgen. Aber der Weg dahin sei problematisch. Die Kunden müssen sich nämlich ein Jahr an den neuen Vertrag binden und den günstigeren Preis bekommen sie über einen Rabatt mit der Jahresabrechnung (hier und hier können Sie die Details nochmal nachlesen). Kompliziert eben.

Aber was sagt eigentlich die Wien Energie zu diesen Vorwürfen? Ich habe Wolfgang Strebl, den Chef des städtischen Unternehmens, damit konfrontiert. 

Außerdem: Nina Horaczek erzählt Ihnen, wie zwei Familien vor dem Verfassungsgerichtshof darum kämpfen, dass ihre Kinder mit Behinderung (14 & 16 Jahre) zwölf Jahre in die Schule gehen dürfen und wie die erste Reaktion des Gerichts aussieht. Und Andrea Dusl erklärt diese Woche, woher das Sprichwort „auf dem Zahnfleisch gehen" kommt.

Einen schönen Tag wünscht Ihnen

Paul Sonnberger

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„Natürlich gibt es eine Missstimmung unter den Kunden”

Die Wien Energie senkt ihre Preise. Allerdings passiert das nicht automatisch. Bestandskunden müssen dafür einen neuen Vertrag abschließen. Auch die Preisgestaltung wirkt intransparent. Was ist da los, Herr Strebl?

„Entscheidend ist, was die Kunden am Ende des Tages zahlen", Wien-Energie-Chef Wolfgang Strebl. (© Heribert Corn)

Im vergangenen Jahr haben Kunden der Wien Energie zum Teil horrende Nachzahlungen leisten müssen. Eine Studenten-WG hat monatlich 1.200 Euro für Strom und Gas bezahlt. Die Erhöhung erfolgte automatisch. Jetzt müssen Bestandskunden einen neuen Vertrag abschließen, wenn sie einen günstigeren Tarif wollen. Warum ist das so kompliziert?

Strebl: Das ist nicht kompliziert. Wir haben uns bemüht, das jetzige Angebot sehr niederschwellig zu machen. Wir schicken jedem Kunden den neuen Vertrag zu. Sie brauchen nur zu unterschreiben und das Formular zurückzuschicken. Wir haben die Erreichbarkeit im Kundenservice verbessert und die Öffnungszeiten unseres Kundencenters verlängert. Selbstverständlich kann man den neuen Vertrag auch auf unserer Internetseite abschließen.

Für viele unserer Leserinnen und Leser ist es nicht nachvollziehbar, warum die Preise in den aktuell bestehenden Verträgen nicht einfach gesenkt werden. Warum müssen Ihre Kunden einen neuen Vertrag abschließen, um an günstigere Preise zu kommen? 

Sterbl: Das ist ein wichtiger Punkt. Wir sind mit der rechtlichen Situation, wie wir Preisänderungen durchführen können, auch nicht zufrieden. Hier bräuchte es eine klare Regelung. Derzeit ist die Situation so: Wir haben mit unseren Kundinnen und Kunden einen fixen Vertrag mit fixen Preisen. Daher bedarf es bei einer Änderung des Vertrags einer expliziten Zustimmung der Kunden. Es ist also juristisch nicht möglich, die Preise einfach zu senken. 

Die Wien Energie wirbt zurzeit mit neuen, günstigeren Energielieferverträgen. Auf der Homepage ist beispielsweise von einem Arbeitspreis für Strom von 20 Cent pro Kilowattstunde die Rede. Aber laut Vertrag bezahlt man 42 Cent. Wolfgang Urbantschitsch von der E-Control kritisiert diese intransparente Preisgestaltung. Warum schreiben Sie nicht einfach auf die Homepage, was die Kilowattstunde Strom kostet? 

Strebl: Relevant ist doch, was der Kunde am Ende des Tages bezahlt, und das ist der rabattierte Preis. Unsere Preise sind indexgebunden. Wenn jemand letztes Jahr bei uns unser damaliges Angebot unterschrieben hat, dann ist er oder sie eine Preisgarantie für ein Jahr eingegangen. Jetzt greifen wir proaktiv ein, indem wir einen günstigeren Preis anbieten.

Konsumentenschützer kritisieren die intransparente Preisgestaltung. Es werden günstigere Preise ausgeschildert und nicht die zu zahlenden, teuren Listenpreise. Warum? 

Strebl: Als Energieunternehmen kann ich nicht in den Index eingreifen. Dieser Wert ist fix und ich kann diese Indexbindung nur umgehen, indem ich mit Frei-Energie-Tagen arbeite (diese Freien-Energie-Tage funktionieren wie ein Rabatt, den der Kunde bei der Abrechnung gutgeschrieben bekommt bzw. der bei neuen Teilbeträgen berücksichtigt wird, Anm.). Es ist eine Ironie des Schicksals: Vor drei Jahren war es der große Wunsch der Konsumentenschützer, dass die Strompreise an nicht zu beeinflussenden Indizes gebunden werden. Jetzt wird dieses Prinzip von diesen scharf kritisiert.

Um von den Frei-Energie-Tagen zu profitieren, müssen sich Ihre Kunden ein Jahr an den neuen Vertrag binden. In dieser Zeit können die Energiepreise weiter fallen, ihre Kunden können aber nicht auf einen günstigeren Vertrag umsteigen. Sichern Sie sich mit diesen Bedingungen nicht auch selbst ab?

Strebl: Wenn Sie sich für einen Tarif bei uns entscheiden, dann kaufen wir diese Strommenge im Vorhinein ein. Somit hat der Kunde eine Preisgarantie. Nun ist es so, dass wir alle nicht wissen, was am Energiemarkt in Zukunft passieren wird. Die Situation ist sehr volatil. Ich möchte nicht daran denken, was an den Märkten los gewesen wäre, wenn der Putschversuch in Russland vor knapp einem Monat geglückt wäre. Und wir wissen alle nicht, wie es in der Ukraine weitergeht. Wir möchten aber auch über den Winter einen stabilen Tarif anbieten. Die Versorgungssicherheit ist unsere oberste Priorität.

Nach einem Jahr läuft der Rabatt aus und die Preise steigen wieder. Täuschen Sie Ihre Kunden nicht mit einem vermeintlich billigen Angebot?

Strebl: Nein, absolut nicht. Jetzt sehen wir Spielräume, die Preise zu senken. Und glauben Sie mir: Wir werden im nächsten Jahr wieder alles daran setzen, unseren Kundinnen und Kunden ein sehr attraktives Angebot vorzulegen.

Uns erreichen verärgerte Mails von Leserinnen und Lesern. Die Wien Energie hat durch die hohen Energiepreise gute Gewinne gemacht und sie konnten ihre Stromrechnung beinahe nicht mehr bezahlen. Jetzt müssen Sie mühsam den Vertrag wechseln, um einen günstigeren Tarif zu bekommen. Verstehen Sie den Ärger der Kunden?

Strebl: Natürlich gibt es eine Missstimmung unter den Kunden, was die Höhe des Energiepreisniveaus betrifft. Die Preise sind nicht mehr so wie vor drei, vier Jahren. Das hat die ganze Branche betroffen und das bedauern wir alle. Wir haben uns eine möglichst einfache, aber rechtssichere Art überlegt, die Verträge anzupassen. Und ich glaube, wirklich entscheidend ist, was die Kunden am Ende des Tages zahlen. 


Stadtnachrichten

Die NGO SOS Balkanroute und ihr Gründer Petar Rosandić werden vom österreichischen International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) verklagt. Heute findet der Prozess am Wiener Handelsgericht statt. 

Worum geht es? Das ICMPD, dessen Vorsitzender der ehemalige ÖVP-Chef und Außenminister Michael Spindelegger ist, hat im bosnischen Flüchtlingslager Lipa zuletzt zwölf Haftzellen für Migranten gebaut. Rosandić sprach im Zusammenhang damit von „skandalösen Zuständen" und einem „Guantánamo in Europa". ICMPD sieht in diesen Aussagen eine „wiederholte Kreditschädigung". Die Darstellungen seien „unvollständig und irreführend”. ICMPD fordert daher die Unterlassung sowie einen Widerruf. 

Rosandićs Anwältin Maria Windhager ortet hingegen eine SLAPP-Klage „wegen unliebsamer Kritik“, wie sie gegenüber der APA mitteilte. ICMPD wolle Rosandic damit nur einschüchtern. „Eine internationale Organisation muss sich auch scharfe Kritik gefallen lassen“, so Windhager.


Es kommt, was kommen musste: Wegen der anhaltenden Hitze und Trockenheit gilt ab heute in Wien ein Grillverbot. Auch das Rauchen und jegliches Zündeln mit Feuer und Licht sind im Wald verboten. Das Verbot wird erst bei nachhaltigen Regenschauern wieder aufgehoben. Ein Verstoß kann mit bis zu 7.300 Euro bestraft werden. Kommt es zu einem Waldbrand, wird es noch teurer.


Stadtgeschichten

Bild von Nina Horaczek
VON NINA HORACZEK

„Wir haben zumindest die Eingangshürde genommen“

Zwei Familien zogen vor den Verfassungsgerichtshof, damit ihre Kinder mit Behinderung zwölf Jahre in die Schule gehen können. Nun gab es die erste Reaktion des Gerichts.

Vergangene Woche bekamen die Familien Mühlbacher und Riebenbauer ungewöhnliche Post. Beide zogen im Namen ihre Kinder, die eine Behinderung haben, vor den Verfassungsgerichtshof. Mittels Verfassungsklage wollen sie, vertreten von Rechtsanwalt Wolfram Proksch, erreichen, dass auch Kinder und Jugendliche mit intellektueller Behinderung bis zu zwölf Jahre in die Schule gehen dürfen.

Anton Riebenbauer, 14, droht in zwei Jahren der Rausschmiss aus dem Schulsystem. (© Heribert Corn)

Kinder, die eine Lernbehinderung und einen sogenannten sonderpädagogischen Förderbedarf haben, dürfen nur die neun Pflichtschuljahre sowie ein Wiederholungsjahr die Schule besuchen. Ein etwaiges 11. oder 12. Schuljahr muss derzeit von der Schule und von der jeweiligen Bildungsdirektion bewilligt werden. Speziell in Wien wurde diese Genehmigung in den vergangenen Jahren regelmäßig verweigert. Julian Mühlbacher, 16, in dessen Namen seine Eltern die Klage betreiben, hat zwar für Herbst ein 11. Schuljahr bewilligt bekommen. Der Jugendliche hat Trisomie 21 und nach der derzeitigen Gesetzeslage kaum eine Chance, danach weiter in die Schule gehen zu können. Anton Riebenbauer, 14, der aufgrund einer Erkrankung vor der Geburt eine Lernbehinderung hat, droht in zwei Jahren der Rausschmiss aus dem Schulsystem.

Nun gab es die erste Reaktion des Verfassungsgerichtshofs. Knapp zwei Wochen nach Eingabe der Beschwerde durch Rechtsanwalt Proksch fordert der Verfassungsgerichtshof das Bundesverwaltungsgericht und die Bildungsdirektion Wien auf, binnen acht Wochen sämtliche Akten zu den Verfahren sowie eine etwaige Gegenschrift an das Höchstgericht zu ermitteln.

„Damit haben wir zumindest einmal die Eingangshürde genommen“, sagt Rechtsanwalt Proksch. „Denn der Verfassungsgerichtshof hat unseren Antrag nicht zurückgewiesen. Der nächste große Schritt wäre die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens.“ Obwohl der Verfassungsgerichtshof in seinen vier Sessionen pro Jahr insgesamt etwa 1600 Fälle prüft, hofft Anwalt Proksch auf ein rasches Ergebnis. Er hat das Höchstgericht auch um eine „vordringliche Bearbeitung“ ersucht, „weil es um Rechte von Schülerinnen und Schülern geht und es Kindern wie Julian und Anton nicht mehr hilft, wenn sie vom Höchstgericht Recht bekommen, wenn sie gar nicht mehr in der Schule sind.“

Auch Antons Mutter Karin Riebenbauer freut sich über die rasche Reaktion des Höchstgerichts, „weil das bedeutet, dass Anton vielleicht doch zwölf Jahre in der Schule lernen kann und damit bessere Chancen auf ein möglichst eigenständiges Leben hat.“

Die türkis-grüne Bundesregierung hätte Ende Juni die Möglichkeit gehabt, das Gesetz so zu verändern, dass auch Kinder mit Behinderung automatisch länger in die Schule gehen dürfen. Da lag ein entsprechender Antrag im Bildungsausschuss, wurde aber vertagt, weil die ÖVP einer solchen Neuregelung nicht zustimmt. Alle anderen Parlamentsparteien haben sich bereits dafür ausgesprochen. Claudia Mühlbacher, deren Sohn Julian diese Sommerferien erstmals einen Praktikumsplatz in der Gastronomie hat, hofft nun, dass das Höchstgericht ihrem Sohn recht gibt. „Weil die Regierung bis jetzt leider nur auf Zeit spielt und vertagt, anstatt das Recht auf Bildung auch für Jugendliche mit Behinderung politisch umzusetzen.“

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Frage des Tages

Welcher dieser niederösterreichischen Gemeinden war nie Teil von Wien?

1. Traisen

2. Gumpoldskirchen

3. Purkersdorf

Auflösung von gestern: Das Krapfenwaldbad hat vor genau hundert Jahren, am 14. Juli 1923 geöffnet (nicht am 1. Mai 1917 oder am 28. August 1946).


Event des Tages

Bild von Gerhard Stöger
AUSGEWÄHLT VON GERHARD STÖGER

Musik

Das Konzertereignis des Sommers ist seit Ewigkeiten ausverkauft. Sollten Sie nicht zu den glücklichen 50.000 bis 60.000 gehören, die ein Ticket für Bruce Springsteen im Praterstadion ergattert haben: Seine österreichische Kollegin Sibylle Kefer schreibt ebenfalls tolle Songs, auch sie ist eine Meisterin der großen Emotionen, und auch sie tritt heute in Wien auf. Noch dazu bei freiem Eintritt. File under: Best Boss alternative in town!

Museumsquartier, Haupthof, 19.00


Buchtipp

Olga Tokarczuk: Empusion

An Thomas Mann scheint man in Polen ein bisschen einen Narren gefressen zu haben. Bereits vor knapp zwei Jahrzehnten hat Pawel Huelle mit „Castorp" ein Prequel zum „Zauberberg" verfasst und darin von der Zeit des Protagonisten als Schiffsbaustudent in Danzig erzählt. Nun hat sich Olga Tokarczuk in ihrem ersten Roman nach dem Nobelpreis, der ihr im Jahr 2019 gleichzeitig mit Peter Handke zugesprochen wurde, auch noch das Setting und Personal des Zauberbergs ausgeborgt: Ihr Hans Castorp ist Student der Wasser-und Canalisationsbautechnik, heißt Mieczysław Wojnicz, und die Lungenheilanstalt, in die er sich im Jahr 1913 verfügt, liegt nicht in Davos, sondern im niederschlesischen Göbersdorf. Auch die anderen Figuren tragen neue Namen, die Zuordnung zum Mann'schen Originalpersonal à la Naphta und Settembrini dürfte einer Leserschaft, die mit diesem vertraut ist, indes nicht allzu schwer fallen. … (Klaus Nüchtern)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at


Fragen Sie Frau Andrea

Wie geht man auf dem Zahnfleisch?

Liebe Frau Andrea, soeben kam uns hier im äußersten Westen der Ausdruck auf dem Zahnfleisch gehen" unter. Aber was bedeutet er?

Karin F. Knolle, Hörbranz, per E-Mail

Wer auf dem Zahnfleisch „geht", tut dies nur unter Schmerzen und großer Anstrengung. (© Yingpis Kalayom auf Unsplash)

Liebe Karin,

wir alle kennen das Bild vom Zusammenbeißen der Zähne bei körperlichem, seelischem und wirtschaftlichem Ungemach.

Den von Ihnen aufgelesenen Ausdruck kennen wir ebenfalls bestens, wenngleich niemand von uns je auf eigenem Zahnfleisch gegangen sein dürfte. Arbeitet die Metapher doch mit radikaler Übertreibung. Sehen wir uns das Sprachbild genauer an.

Das Zahnfleisch ist jener Teil der Körperoberfläche, der trotz Zartheit und intimer Ausdehnung an stetiger Arbeit beteiligt ist. Jeder Biss gleitet nach Zerteilung oder Zermahlung durch unsere Zähne am Zahnfleisch entlang. Das Bluten unseres Zahnfleisches gibt Auskunft über Verletzung und krankhaftes Geschehen. Bei anhaltendem Rückgang des Zahnfleisches droht gar der Zahnverlust.

Einen größeren Gegensatz als jenen zwischen hartem, schroffem Schmelz gesunder Zähne und der verletzlichen Weichheit von Zahnfleisch ist kaum denkbar. Der Zähne verlustig Gegangene beklagen das Beißen auf dem ungeschützten Zahnfleisch. Aus dieser Erfahrung zahnloser Kauvorgänge speist sich wohl das Bild der körperlichen Radikalabnutzung.

Wer auf dem Zahnfleisch „geht", tut dies nur unter Schmerzen und großer Anstrengung. Zahnfleischgänger sind erledigt, erschöpft und krank, wirtschaftlich und körperlich ruiniert. Im Sprichwort verbindet sich die Erfahrung der unbeschuhten Fußsohle mit jener des zahnlosen Kiefers.

Die Metapher hat kaum Entsprechungen in anderen Sprachen, sieht man davon ab, dass sie für das Niederländische in dieser Bedeutung bereits 1858 beschrieben wird: „Hij loopt op zijn tandvleesch", so viel wie: „Er läuft auf seinem Zahnfleisch."

Wem das Wandern auf der Gingiva nicht eindrücklich genug ist, mag an ein anderes Sprachbild unserer Breiten erinnert sein. Ausgebeutete und der Unversehrtheit Beraubte beschreiben ihre Qual nicht selten mit jener Metapher, nach der ihnen gerade das „Weiße aus den Augen" geholt werde.


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