Stell dir vor, es ist Narrenzeit und keiner geht hin: Warum man in Wien kaum Fasching feiert >> Warum Native Speaker Teacher in Österreich unter schlechteren Bedingungen arbeiten müssen als österreichische Lehrer >> Insekten in der Stadt: Die Winterlibelle >> Was ist ein „karnierte Zwiebelsack“, Frau Andrea?Wetterkritik: Jeder hat mal eine Auszeit verdient. Auch die Sonne. Nachdem sie in den vergangenen Tagen wirklich alles gegeben hat, um gegen den Winterblues anzustrahlen, zieht sie sich heute die Nebeldecke über den Kopf und lässt den Februar Februar sein. Bei maximal 7 Grad und leichtem Nieseln würden wir es ihr am liebsten gleichtun.
Guten Morgen! In einer Woche ist wieder Faschingsdienstag. Und ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin furchtbar schlecht im Verkleiden. Der Höhepunkt meiner Kostümkarriere war ein anthrazitfarbener Morphsuit (das ist ein hautenger Ganzkörperanzug), mit dem ich mich an die Fersen meiner Mitmenschen heften wollte, um ihren Schatten zu mimen. Das kommt nicht bei jedem gut an, glauben Sie mir. Aber auch der Fasching ist nicht überall beliebt. In Wien zum Beispiel: nicht besonders. Ich habe den österreichischen Kulturwissenschaftler Thomas Macho gefragt, woran das liegt. Außerdem: David Levy ist Lehrer an einer bilingualen Volksschule in Wien. Weil er in den USA geboren ist und keinen österreichischen Uni-Abschluss hat, bekommt er aber weniger Gehalt als seine Kollegen. Mehr über die Situation von Native Speaker Teachern lesen Sie im Anschluss. Dominique Zimmermann berichtet von einem der ältesten flugfähigen Organismen der Erde, der Libelle. Andrea Maria Dusl weiß, was die Bezeichnung „karnierte Zwiebelsack“ bedeutet. Einen schönen Tag wünscht Viktoria Klimpfinger PS: Die FAKTory der Arbeiterkammer hat am Dienstag und Donnerstag geöffnet (nicht wie gestern berichtet von Dienstag bis Donnerstag). |
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Anzeige | | | Running on Sand (Regie: Adar Shafran, Israel 2023, hebräische OV mit englischen UT) Ein junger eritreischer Flüchtling steht kurz vor seiner Abschiebung aus Israel, wagt am Flughafen die Flucht und wird zu seiner Verblüffung kurz darauf begeistert in Empfang genommen. Er wird für den sehnlichst erwarteten Fußballstar gehalten, der ein glücksloses Team zum Erfolg bringen soll. Eine hintergründige Verwechslungskomödie die zu Herzen geht, mit ernsten Untertönen und zahlreichen schrägen Momenten. 13. März, 20:30 Uhr | Village Cinplexx Cinema 25. März, 20 Uhr | Metro KinoKulturHaus Info und Tickets: www.jfw.at |
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NarrenfreiheitNächsten Dienstag geht es wieder rund: Am Faschingsdienstag sind die Narren los. In Wien spürt man davon herzlich wenig. Warum ist das so? In Österreich gibt es zwei Sorten von Menschen: die, die einem am 11.11. um 11:11 Uhr vor Begeisterung die Luftschlangen um die Ohren tröten, und jene, die Ohrwascheln anlegen. Was den närrischen Enthusiasmus angeht, gibt ein gewisses Stadt-Land-Gefälle. Während in vielen ländlichen Gebieten am Faschingsdienstag Ausnahmezustand herrscht, Schulen blau machen und sogar Polizisten Clownsperücken tragen, muss man in Wien schon akribisch nach einem waschechten Faschingsgschnas suchen. Kulturwissenschaftler und Philosoph Thomas Macho erklärt, woran das liegen könnte. |
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| Am 11.11.2024 haben die Wiener Tanzschulen den Fasching am Graben mit einer Quadrille begrüßt. (© APA/Georg Hochmuth) |
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Falter.morgen: Herr Macho, warum ist der Fasching in der Stadt so unbeliebt? Thomas Macho: Fasching, Karneval, Fastnacht – es gibt ja viele Namen für diese Feste – waren immer stärker am Land verankert und weniger in den Städten. Das hatte viel damit zu tun, dass eine Reihe von Ritualen und Praktiken direkt auf das bäuerliche Leben und vor allem auf den möglichen Ernteertrag oder Misserfolg bezogen war. Hängt dieses Gefälle auch mit einer gewissen Kritik an der Obrigkeit zusammen, die vornehmlich in den Städten lebte? Macho: Ja, das ist richtig. Der Fasching entstand aus Festen, die schon vor vielen Jahrhunderten gefeiert wurden. Dabei geht es um das Ende des Jahres, das im Winter immer auch mit einem kurzen Absturz ins Chaos verbunden wurde, und danach um eine Art von Neuschöpfung. In dieser Zeit der verkehrten Welt waren viele Dinge erlaubt, die sonst verboten waren. Im Rahmen der Saturnalien-Feste in der Antike durfte man etwa hemmungslos Wein und Bier trinken, Würfelspielen frönen und eine Art von Freiheit genießen, die ansonsten untersagt war. Eine Art praktizierte und fröhliche Form der Anarchie. In dieser Zeit durfte man sich auch über die Herrscher lustig machen? Macho: Genau. Das Fest der Bauern hängt mit den vielen Problemen zusammen, die die Bauern hatten. Vor allem auch mit der Ungewissheit, der sie viel stärker ausgeliefert waren als die Städter. Deshalb implizierten diese Feste auch eine Art Krisentraining mit Blick auf äußere Bedrohungen. Das musste intelligent und mit viel Witz und Humor bewältigt werden. Wenn es nach Krisen geht, wäre der Fasching dann nicht heutzutage besonders relevant? Macho: Das kann durchaus sein. Bei den Narrenumzügen wird ja sehr deutliche Kritik an den politischen Verhältnissen geübt, wenn endlich die kleinen Frauen und Männer das Sagen haben. Wobei nicht alle nur nach oben treten. In der Vergangenheit kam es dabei ja auch zu frauenfeindlichen oder rassistischen Witzen. Ein Irrtum? Macho: Ja, denn der Kern von Festen wie dem Fasching zielt eher auf die Kritik an den herrschenden Verhältnissen ab und ist gerade nicht sexistisch und rassistisch geprägt. Auch manche Kostümierungen stehen in der Kritik, weil sie Stereotype bedienen. Sind die Verkleidungen problematischer geworden? Macho: Der Vorwurf der kulturellen Aneignung spielt heute eine größere Rolle. Früher war das Verkleiden der Versuch, sich in andere Identitäten und Kontexte einzufühlen. Auch das Kostüm war einerseits ein Element der Herrschaftskritik, andererseits eine Illustration von Herrschaft. Das Schöne daran war, dass jeder einmal König sein konnte. In Wien verkleidet man sich heutzutage bevorzugt an Halloween. Ist es also ein urbaneres Fest als der Fasching? Macho: Der starke rurale Hintergrund des Faschings liegt in seinen vielen Bräuchen, das gilt aber eigentlich auch für Totenwiederkehrfeste. In diesem Fall ist der Zusammenhang mit den ländlichen Praktiken aber nicht mehr so leicht herstellbar. Auch Halloween ist also in gewisser Weise kulturelle Aneignung, weil man es nicht nur aus anderen Kulturen übernommen, sondern auch von einem ländlichen in einen städtischen Kontext verpflanzt hat. Mithilfe der sozialen Medien hat es fast schon Punk-Charakter bekommen. Totenwiederkehrfeste? Macho: Halloween ist eines dieser Feste, die es auch schon in der Antike und in einer Vielzahl anderer Kulturen gab. Das Kostüm ist hier ein Versuch, die Verstorbenen darzustellen und wiederkommen zu lassen. In Griechenland gab es etwa die Anthesterien-Feste: Dabei durften die Toten die Lebenden besuchen, das war auch ein bisschen unheimlich. Aber wenn das Fest zu Ende war, konnte man sie mit Erleichterung wieder rausschmeißen. (lacht) |
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Anzeige | | Dara Birnbaum, Pop-Pop Video: Kojak/Wang, 1980, © Courtesy Dara Birnbaum und Eletrconic Arts Intermix (EAI), New York | Radical Software: Women, Art & Computing 1960–1991 Die Ausstellung in der Kunsthalle Wien Museumsquartier beleuchtet als erste die Geschichte der digitalen Kunst aus einer feministischen Perspektive. Im Mittelpunkt stehen Frauen, die Computer als Werkzeug oder Thema nutzten, sowie Künstlerinnen, deren Arbeitsweise rechnergestützten Prozessen ähnlich war. Die Ausstellung zeigt über einhundert Werke von fünfzig Künstlerinnen aus vierzehn Ländern. Eröffnung: 27.2., 19 Uhr, Eintritt frei |
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Stadtnachrichten | School Nurses versorgen einerseits akute Fälle von Bauchweh bis Schürfwunde, andererseits unterstützen sie Kinder mit Behinderungen und chronischen Krankheiten wie Diabetes, beraten die Eltern und entlasten so auch das Lehrpersonal. Sie sollen eine Art Drehscheibe sein zwischen Schülern, Eltern, Pädagogen und der medizinischen Versorgung. In den USA gibt es das Konzept schon längst (daher auch der Name), in Österreich hat man es in den vergangenen zwei Jahren ausprobiert – mit Erfolg. Das EU-geförderte Pilotprojekt startete 2022 mit vier School Nurses an sechs Wiener Schulen im 10. und 23. Bezirk. Im Unterschied zu Schulärztinnen, die nur ein paar Stunden in der Woche in der Schule tätig sind, ist die Idee, dass die School Nurses an jedem Schultag und damit kontinuierlich zur Verfügung stehen. Weil die erste Testphase sehr gut funktioniert habe und von allen Seiten positiv angenommen wurde, verkündeten Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und Vize-Bürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) gestern bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, dass das Projekt mit nächstem Schuljahr auf 40 zusätzliche Pflegepersonen in 27 Bildungsstätten und 14 Bezirken ausgeweitet wird. Grundvoraussetzung, um als School Nurse eingesetzt zu werden, sei laut Hacker eine „lange, g’standene Berufserfahrung” als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger. Damit wolle man Pflegekräften, die bereits zehn bis 15 Jahre in ihrem Beruf tätig waren, einen „Tapetenwechsel” ermöglichen. Laut Hans-Peter Hutter, Vorsorgemediziner der MedUni Wien, ist das Projekt für alle Beteiligten eine „Win-Win-Win-Situation”. Es gehe nämlich nicht nur um die Akutversorgung, sondern auch um Vorsorgearbeit, die angesichts wachsender Herausforderungen wie vermehrten psychosozialen Problemen oder Bewegungsmangel dringend nötig wäre.
Seit gestern ist die Straßenbahnlinie 49 für mehrere Monate eingestellt. Der Grund: Dieses Jahr müssen auf der Hütteldorfer Straße rund 1.800 Meter Gleise getauscht werden. Den Großteil der 49er-Strecke übernehmen in dieser Zeit die Straßenbahnen 46 und 52. Zwischen Hütteldorfer Straße und Gürtel können Fahrgäste außerdem auf die U3 ausweichen.
Vor einer Woche wurde in Wien die Hebamme Margarete Wana wegen grob fahrlässiger Tötung verurteilt. Wana legt nun Rechtsmittel gegen den Schuldspruch ein. Sie bestreitet, zu spät auf den Notfall reagiert oder die „die gebotene Handlungspflicht“ außer Acht gelassen zu haben. |
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Falter-Radio | Warum wählen so viele Deutsche AfD, Herr Ronzheimer? – #1329Paul Ronzheimer, stellvertretender Bild-Chefredakteur und erfolgreicher Podcaster, ist aus der deutschen Medienszene nicht mehr wegzudenken. Was er vom Ausgang der Wahlen in Deutschland hält und warum er sich manchmal auch von Israels Premier Benjamin Netanyahu einspannen lässt, erzählt er im Gespräch mit Tessa Szyszkowitz. Das Interview hören Sie heute ab 17 Uhr im Falter-Radio. |
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Stadtgeschichten | | „Wir sitzen nicht im Beifahrersitz”In Österreich arbeiten über 70 Native Speaker. Viele haben eine volle Lehrverpflichtung. Sie bekommen allerdings deutlich weniger Geld als ihre österreichischen Kollegen. David Levy unterrichtet Englisch, Mathe und Sachunterricht an einer bilingualen Volksschule in Wien. Er hat eine volle Lehrverpflichtung, steht 20 Stunden in der Woche alleine in einem Klassenzimmer. Und trotzdem verdient er deutlich weniger als seine Kollegen. Levy arbeitet seit 14 Jahren in Wiens Schulen, vorher hat er in den USA – seinem Geburtsland – neun Jahre als Lehrer gearbeitet. Hier ist er ein sogenannter Native Speaker Teacher (NST), ein Lehrer, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist und der ausschließlich in dieser Sprache unterrichtet. In Österreich gibt es davon über 120. Die meisten von ihnen haben Sonderverträge und bekommen zwischen 5 und 48 Prozent weniger Gehalt (je nachdem, ob es sich dabei um einen alten oder neuen Vertrag handelt). | | David Levy unterrichtet seit 14 Jahren in Österreich. (© Heribert Corn) | „Viele von uns müssen nebenberuflich arbeiten, um finanziell über die Runden zu kommen”, sagt Levy. Er hat im Jänner 2024 die NST Advocacy Group gegründet, die sich für bessere Bedingungen für die Native Speaker einsetzt. In einer Petition fordert die Gruppe, dass NSTs mit Uni-Abschluss aus englischsprachigen Ländern dasselbe Gehalt bekommen sollten wie österreichische Lehrkräfte. Zudem sollte die Berufserfahrung der Lehrer aus anderen Ländern als Vordienstzeit anerkannt werden. Denn derzeit werden Levy die neun Jahre, die er im amerikanischen Bildungssystem gearbeitet hat, nicht angerechnet. Diese Ungleichbehandlung kann er nicht nachvollziehen. „Wir sitzen nicht im Beifahrersitz”, sagt er. „Wir machen dieselbe Arbeit wie unsere Kollegen.” Sie nehmen an Konferenzen und Elterngesprächen teil, organisieren Schulveranstaltungen. In den AHS würden Native Speaker Maturaprüfungen vorbereiten und kontrollieren. Warum verdienen sie dann weniger? Immerhin können auch Quereinsteiger ohne pädagogische Ausbildung dieselben Verträge und dasselbe Gehalt wie Lehrkräfte mit entsprechendem Studium bekommen. Derzeit gilt: Wer einen Uni-Abschluss im EU-Ausland erworben hat, muss diesen erst von einer heimischen Hochschule anerkennen lassen (das ist oft ein langwieriger und komplizierter Prozess). Erst dann können „die zuständigen Personalabteilungen eine Überführung in einen Regelvertrag vornehmen”, schreibt das Bildungsministerium. Wenn das passiert ist, gelten für die Native Speaker auch dieselben Bedingungen wie für Quereinsteiger und reguläre Lehrer. Auch Levy hat seinen Uni-Abschluss im Frühjahr 2024 nostrifizieren lassen. Allerdings werden seine Vordienstzeiten nicht angerechnet. Er verdient daher immer noch weniger verdienen als Kollegen mit derselben Berufserfahrung. Dass die Situation nicht optimal ist, weiß man aber auch im Ministerium. Man führe „regelmäßig Gespräche zum Thema der Sonderverträge” mit dem zuständigen Beamtenministerium, um die Situation der Lehrer zu verbessern. |
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Insekten in der Stadt #4 | | Die Winterlibelle – Eisprinzessin im DornröschenschlafVergangene Woche wurde ich gleich zweimal darauf hingewiesen, dass ich mich als Nächstes mit der Libelle beschäftigen sollte. Zuerst erhielt ich eine Nachricht von jemandem, der mein Buch gelesen hatte und es gut fand – „obwohl Libellen darin fast nicht vorkamen“. Am nächsten Tag erwähnte ich einer Kollegin gegenüber die Kolumne, und sie rief sofort: „Winterlibelle!“ Damit war klar: Die Libelle muss ins Rampenlicht. Libellen sind großartige Tierchen und verdienen definitiv Aufmerksamkeit. Tatsächlich gehören sie zu den ältesten flugfähigen Organismen der Erde. Vor rund 300 Millionen Jahren schwirrten gigantische Ur-Libellen mit einer Flügelspannweite von bis zu 70 Zentimetern durch die Luft – in einer Zeit, als Insekten noch die einzigen flugfähigen Organismen waren (ein lebensgroßes Modell einer Riesenlibelle können Sie übrigens im Paläozoikum-Saal des Naturhistorischen Museums Wien bestaunen). | | Ein mit Reif überzogenes Weibchen der Gemeinen Winterlibelle. Foto von Antoine van der Heijden. (© Antoine van der Heijden) | Heute unterscheidet man in Europa zwei große Gruppen: die Großlibellen, deren Flügel in Ruhestellung seitlich abstehen, und die Kleinlibellen, die ihre Flügel über dem Körper zusammenfalten. Zu Letzteren zählt auch die Gemeine Winterlibelle (Sympecma fusca). Sie ist von anderen Libellenarten leicht zu unterscheiden, da sie beide Flügelpaare auf einer Seite des Hinterleibs zusammenklappt. Während die meisten Libellen als Larven im Wasser überwintern, überdauert die Winterlibelle die kalten Monate in ihrer ausgewachsenen Form. Dabei klammert sie sich an einen Schilfhalm oder eine andere Pflanze in Gewässernähe. Sobald es kühler wird, krabbelt sie Richtung Boden. Das ist auch eine wichtige Info für alle mit Garten und Teich: im Herbst nie den gesamten Schilfbestand entfernen! Die Winterlibelle selbst wird von Schnee bedeckt, die Temperaturen sinken unter den Gefrierpunkt, Eiskristalle bilden sich auf ihrem Körper – doch sie überlebt. Wie genau, ist bisher nicht erforscht. Bei einigen anderen Insektenarten senken Glycerin (ein Zuckeralkohol) oder bestimmte Eiweiße im Blut den Gefrierpunkt. Schon ab etwa sechs Grad Celsius beginnt sich die Libelle langsam zu regen und krabbelt der Sonne entgegen. Sobald kräftige Sonnenstrahlen sie wärmen, erwacht sie vollständig und steigt in die Luft auf. Durch diese Strategie vermeidet sie von Feinden wie Fischen oder Vögeln gefressen zu werden - schließlich sind diese zu anderen Zeiten aktiv. Optisch ist die Winterlibelle nicht unbedingt auffällig, sie setzt auf ein ”tarnbraun”. Doch zur Paarungszeit wird es ein wenig bunter: die Augen bekommen dann einen strahlend blauen Punkt – wie schön! Die Umweltspürnasen (ein Verein, in dem Biolog:innen mit Kindern auf Entdeckungstour in die Natur gehen) konnten dieses Jahr bereits Ende Januar im Prater beim Lusthaus eine Winterlibelle bestaunen. Entdeckt hat sie übrigens ein Kind, welches sie vorsichtig einfing. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Naturerlebnisse in der Kindheit der stärkste Faktor sind, um Menschen zu umweltfreundlichem Verhalten zu motivieren. Wer weiß: Vielleicht haben Sie ja an einem sonnigen Tag auch Zeit, um mit Kind und Becherlupe aufzubrechen! |
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Frage des Tages | Warum ist auf dem Bezirkswappen der Brigittenau eine rote Zunge abgebildet?1. Im 18. Jahrhundert wurden in dem Bezirk Lebensmittel mit Läuseblut gefärbt, woraufhin sich die Zunge der Bewohner rot färbte. 2. Die Zunge steht für ein heidnisches Ritual, das in dem Bezirk gängig war: Man schnitt Kühen vor dem Verzehr die Zunge heraus und vergrub sie – als Opfergabe. 3. Die Zunge ist das Symbol des Heiligen Johannes Nepomuk, der für das Gebiet der heutigen Brigittenau steht. Auflösung von gestern: Die älteste Freiluft-Kunsteisbahn der Welt befindet sich in Hernals (nicht in der Donaustadt oder in Favoriten). Oberbaurat Eduard Engelmann schuf sie im Jahr 1909 in der Syringgasse 6-14. |
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Events des Tages | | AUSGEWÄHLT VON GERHARD STÖGER |
| MusikSteve Wynn und Chris Cacavas. Gemeinsam. Im Chelsea. Wie schön! Die beiden nicht ganz unlegendären US-Songwritertypen blicken auf eine jahrzehntelange Geschichte zurück, die in beiden Fällen in den Ausläufern des Punk wurzelt: Wynn war Sänger, Gitarrist und Songwriter der Band Dream Syndicate, die das Erbe von The Velvet Underground in den 1980ern mit einem Hang zur Sanftmütigkeit pflegte. Chris Cacavas wiederum bildete gemeinsam mit Dan Stuart den Kern der Gruppe Green On Red, die für Americana mit Punk im Herzen stand. Chelsea, 20.30
LiteraturDer Südtiroler Oswald Egger gehört zu den eigenwilligsten deutschsprachigen Schriftstellern. Bisweilen wird ihm vorgeworfen, seine Bücher seien hermetisch. Sie verlangen nach offenen Leserinnen und Lesern, die sich auf Eggers Frequenz tunen. 1963 in Tscherms geboren, entwickelte er seit den 1980er-Jahren aus lyrischer Prosa ein eigenes Idiom, in dem Klang und Bild gleichwertig nebeneinander stehen. Zuletzt wurde Egger mit 2024 dem renommierten Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. Unter dem Titel „Der Formel-Welt-Pilot“ liest er in der Literaturgesellschaft und führt ein Gespräch mit der Germanistin Daniela Strigl. (Sebastian Fasthuber) Österr. Gesellschaft für Literatur, 19.00 (Eintritt frei) |
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Buch | Jonas Lüscher: Verzauberte Vorbestimmung In „Verzauberte Vorbestimmung" erzählt Jonas Lüscher von einer lebensbedrohlichen Corona-Erkrankung, von den Weberaufständen des 19. Jahrhunderts oder einer Love-Story mit Androiden in Neu-Kairo. Aber ist die geschichtsgesättigte und assoziationsreiche Reflexion über die Potenziale und Ambivalenzen technischen Fortschritts tatsächlich der "„Jahrhundertroman", als den ihn manche Kritiker bereits feiern?
Contra: Allein schon der Titel! „Verzauberte Vorbestimmung". Vorstellen kann man sich darunter erstmal alles oder nichts, und damit erfüllt er wohl auch seinen Zweck, suggeriert die raunende Alliteration doch gedankliche Tiefe ebenso wie poetischen Reichtum. Und hochambitiös ist das jüngste Opus des Schriftstellers und studierten Philosophen Jonas Lüscher, dessen Vorgängerroman „Kraft" (2017) mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet wurde, allemal: Sein Ich-Erzähler bereist nicht nur die südostfranzösische Gemeinde Hauterives, das nordböhmische Varnsdorf und die Planstadt von Neu-Kairo, sondern unternimmt darüber hinaus auch gleich eine Zeitreise, die von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in eine nahe Zukunft reicht. … (Klaus Nüchtern) Pro: Das ist ein Roman, der seine Leser ganz schön fordert -und sie reichlich belohnt, wenn sie sich auf dieses Lektüre-Abenteuer einlassen, denn sie verlassen den Roman klüger, als sie ihn betreten haben. Der Schweizer Autor Jonas Lüscher (Jg. 1976) organisiert seinen Erzählverlauf nicht chronologisch mittels Plot, sondern durch Leitmotive, die scheinbar frei assoziierend durch den Roman flottieren, aber tatsächlich raffiniert, nämlich rhizomartig, miteinander verflochten sind. Dies ist kein verwildertes, sondern vielmehr ein subtil konstruiertes Erzählkunststück über die konfliktreiche Beziehung von Mensch und Maschine. … (Sigrid Löffler) Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at |
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Fragen Sie Frau Andrea | Das Rätsel vom karnierten ZwiebelsackLiebe Frau Andrea, im Telefonat mit meiner 90-jährigen Tante Mimmi fiel der Begriff „karnierter Zwiebelsack“. So wurde meine Tante von ihrer Tante, Jahrgang zwischen 1890 und 1900, genannt, wenn die Kinder es mit dem Spiel zu weit getrieben hatten, wenn sie die Tante also verärgert hatten. Mimmi meinte, sie habe nie herausgefunden, was die Tante wohl damit gemeint hat, würde es heute aber liebend gerne wissen. Ich würde Mimmi wahnsinnig gerne mit der Auflösung dieses Kinderrätsels überraschen. Und hier kommen Sie ins Spiel. Ist Ihnen der Begriff schon jemals untergekommen? Zur Verortung des Begriffs: Die liebevolle Beschimpfung hat in Groß St. Florian, in der Weststeiermark, in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts stattgefunden. Hochachtungsvoll Gertraud Freiberger, Leopoldstadt | | Die Zwiebeln unser Großeltern und Urgroßeltern waren in der Regel in Säcke aus blickdichtem Hanf- und Jutegewebe gepackt. (© Couleur auf Pixabay) | Liebe Gertraud, die meisten von uns kennen als Zwiebelsack ein weitmaschiges, rötlich gefärbtes Netz aus unzerreißbaren Kunststofffasern. Die Zwiebeln unser Großeltern und Urgroßeltern aber waren in der Regel in Säcke aus blickdichtem Hanf- und Jutegewebe gepackt. Säcke, die die Sportart „Sackhüpfen“ hervorbrachten. Desgleichen kennen wir den despektierlichen Ausdruck „Kartoffelsack“ für den unförmigen, übergewichtigen jungen Mann. Sehen wir uns nun „karniert“ an. Ein altes, kaum noch bekanntes Wort für die lederne Schultasche, den Ranzen, ursprünglich die Hirtentasche (zur Aufbewahrung von Brot) ist der „Karnier“ oder „Carnier“. Es kommt vom lateinischen „carneria“, Fleischbehälter. Trugen doch Jäger erlegtes Wild und Falkner das Fleisch für die Falken in solcher Tasche. Ist der „karnierte Zwiebelsack“ ein in der Ledertasche aufbewahrter Jutesack? Wahrscheinlich nicht, denn wir kennen noch ein anderes Wort für karniert. Es kommt von lateinisch „caro, Gen. caris“, Fleisch und bedeutet wörtlich „fleischgeworden“, wir kennen es aus den religiösen Begriffen Inkarnation und Reinkarnation. Der „karnierte Zwiebelsack“ ist demnach (sehr wahrscheinlich) der übel riechende, ausgebeulte und unförmige Mensch, in billigen Stoff gewandet. Ein Schimpfwort, dessen Herkunft auf studentische und militärakademische Insult-Traditionen verweist. |
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