✍Vergangenen Sonntag war ich im Stadtmuseum St. Pölten, um bei der Lesereihe "Blätterwirbel" gemeinsam mit der First Lady Doris Schmidauer unser Buch "Land der Töchter zukunftsreich" vorzustellen. Danach erzählte uns eine Besucherin, sie habe sich vor einigen Jahren einen großen Wunsch erfüllt und in einer niederösterreichischen Kleinstadt ein Geschäft mit ökologischen Produkten eröffnet, auch mit der Idee, so die We…
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Guten Abend Werner Drizhal!
Demonstrantinnen während des "Frauenruhetags" am 24. Oktober 1975 in Island (Foto © Kvennasögusafn (Women's History Archives))

Vergangenen Sonntag war ich im Stadtmuseum St. Pölten, um bei der Lesereihe "Blätterwirbel" gemeinsam mit der First Lady Doris Schmidauer unser Buch "Land der Töchter zukunftsreich" vorzustellen. Danach erzählte uns eine Besucherin, sie habe sich vor einigen Jahren einen großen Wunsch erfüllt und in einer niederösterreichischen Kleinstadt ein Geschäft mit ökologischen Produkten eröffnet, auch mit der Idee, so die Welt für ihren Sohn ein kleines bisschen zu verbessern.

Als das Kind dann aber von der Volksschule in die AHS-Unterstufe wechselte, sei sie beruflich ins Schleudern geraten. Ein Ehemann, der sechzig Stunden pro Woche arbeitet, den ganzen Tag das Geschäft offen halten und dazu eine Halbtags-Schule, die ständig per Schul-App mitgeteilt habe, was alles für die nächsten Schularbeiten und Tests zu Hause gelernt werden müsse, das sei sich einfach nicht ausgegangen. Sie sperrte ihren Laden, den sie so sehr liebte, zu und arbeitet nun wieder Teilzeit als Angestellte.

Dass Frauen beruflich zurückstecken müssen, ist kein Naturgesetz. In Island reagierten Frauen schon vor fünfzig Jahren auf diese Ungerechtigkeit und setzen ein klares Zeichen. Die Isländerinnen sahen nicht ein, wieso sie für die bezahlte Arbeit weniger Geld bekommen als ihre männlichen Kollegen und zusätzlich auch fast die gesamte unbezahlte Arbeit leisten müssen. 

Damals, am 24. Oktober 1975, protestierte ein breites Bündnis von konservativen und progressiven Frauen gemeinsam. Das ging als "Kvennafrídagurinn" ("Frauenruhetag") in die isländische Geschichte ein.

Warum Ruhetag? Damals schlossen sich Frauen aus verschiedenen politischen Richtungen unterschiedlichen Weltanschauungen zusammen. Weil sich die konservativen Frauen mit dem Kampfbegriff "Streik" nicht wohlfühlten, einigten sie sich mit den linken Frauen darauf, dass sie sich gemeinsam einen "freien Tag" nehmen. Den hatten sie sich schließlich verdient.

Im Vergleich zu den Isländerinnen sind österreichische Frauen beeindruckend geduldig. Denn in Österreich bleibt in Sachen Gleichberechtigung die Zeit nicht stehen. Die Uhr dreht sich sogar zurück. 2017 gingen noch 20,5 Prozent der Väter in Babykarenz, 2021 waren es nurmehr 16,7 Prozent. Von den wenigen Männern, die in Karenz gehen, blieben nur 0,4 Prozent länger als sechs Monate beim Kind. 

Frauen in Österreich schließen mittlerweile häufiger die Universität ab als Männer. Sie bekommen aber trotzdem signifikant weniger Gehalt. "Frauen in der Privatwirtschaft, also ohne Beschäftigte im öffentlichen Dienst, verdienen im Schnitt um 18,8 Prozent weniger als Männer. Im Durchschnitt der EU-Mitgliedstaaten beträgt dieser Unterschied 12,7 Prozent", ist im 2024 veröffentlichten Gleichstellungsbericht des Frauenministeriums zu lesen.

Für die sogenannte Sorgearbeit, – also putzen, waschen, einkaufen, kochen, die Kinder versorgen, den bettlägerigen Opa pflegen, etc. – wenden Frauen und Mädchen durchschnittlich 3 Stunden und 37 Minuten pro Tag auf, Männer und Buben durchschnittlich 2 Stunden und 6 Minuten.

Eine, die das gerne ändern möchte, ist Hedwig Wagner. Vorigen August ging die 77-Jährige mit ihrer 55-jährigen Nichte ins Kino und sah sich die (übrigens äußerst empfehlenswerte) Dokumentation "Ein Tag ohne Frauen" über den Frauenstreik in Island an. "Beim Herausgehen aus dem Kino beschlossen wir, etwas zu tun", erzählte Wagner kürzlich dem FALTER.

Also riefen die beiden Frauen für den 24. Oktober, jenem Tag, an dem sich der Streik der Isländerinnen zum 50. Mal jährt, um 17 Uhr zu einem Frauenstreik vor dem Parlament in Wien auf. Es sei vielleicht "ziemlich naiv" gewesen, so aus dem Nichts etwas aus dem Boden zu stampfen, "aber ich hoffe, dass sich viele anschließen werden".

Der Frauenstreik in Österreich wird wohl nicht so spektakulär werden wie damals in Island. Geplant ist, dass die Frauen sich einfach vor das Parlament legen und so zeigen, dass sie genug haben von der Geschlechterungerechtigkeit in unserem Land. Aber es ist zumindest ein Anfang.

Den Isländerinnen hat der Tag, an dem sie sich freinahmen, übrigens sehr viel gebracht. Das Land mauserte sich seitdem zum Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung. Und die österreichischen Frauen haben eigentlich nichts zu verlieren – aber viel zu gewinnen.

Bild von Nina Horaczek
Ihre Nina Horaczek

Heute für Sie auf falter.at:

Diese drei Texte wurden auf unserer Website vergangene Woche besonders oft gelesen:

Tatbestand: Wohltätigkeit. Eine 80-jährige Frau wird von den Waste-Watchern der MA 48 zu 50 Euro Geldstrafe verdonnert. Warum? Sie hat einen Bund Lauch und ein Packerl Trauben auf einem Mäuerchen am Humboldtplatz in Favoriten deponiert – im Wissen, dass dort oft überschüssige Lebensmittel für Bedürftige abgelegt werden. Soraya Pechtl hat hier im FALTER.morgen über diesen Fall besonderer Behörden-Herzlosigkeit berichtet.

Gut, böse, jenseits: Unsere kleine, ironische Rubrik lobens-, tadelns- und erstaunenswerte Vorkommnisse aus aller Welt wurde vergangene Woche besonders oft gelesen. Vielleicht liegt es ja daran, dass dort diesmal Marko Arnautović zu Ehren gekommen ist.

Neuigkeiten über René Benko interessieren sowieso viele Leute – umso mehr, wenn Armin Thurnher über den Immobilienpleitier schreibt: “Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!” lautet der Titel seiner Seuchenkolumne, in der es um journalistische Vorahnungen geht, die sich im ersten Prozess gegen Benko bewahrheitet haben.


Kopftuchdebatte 1

Die Regierung plant ein Kopftuchverbot für Mädchen bis 14 Jahre an den Schulen. Nun ortet die Gleichbehandlungsanwaltschaft in dem vom Bildungsministerium vorgelegten Gesetzesentwurf "Verfassungswidrigkeiten und grobe rechtliche Mängel". Man gehe davon aus, dass der Verfassungsgerichtshof das Gesetz aufheben werde, sollte es im Parlament beschlossen werden.

Dies war bereits 2019 der Fall. Damals konnte die Gleichbehandlungsanwaltschaft beobachten, dass die vom Kopftuchverbot "betroffenen Mädchen und Familien dadurch verstärkt rassistischen Belästigungen ausgesetzt waren. Das ist aus rechtsstaatlicher Sicht sehr bedenklich", warnt Sandra Konstatzky, die Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Im FALTER haben wir uns mit der Kopftuchfrage übrigens auch auseinandergesetzt. Zwei unterschiedliche Positionen (eine davon von mir) lesen Sie hier.


Kopftuchdebatte 2

Eine praxisnahe Debatte zum Thema hören Sie auch im FALTER-Podcast. Zu Gast bei Raimund Löw waren Alev Korun (Lehrerin, ehem. Grüne Abgeordnete), Kenan Güngör (Integrationsexperte) und der Schuldirektor Andreas Feirer.

Hinweis: Die Stellungnahme der Gleichbehandlungsanwaltschaft war zum Zeitpunkt der Aufzeichnung noch nicht veröffentlicht. Das Gespräch ist dennoch lohnend anzuhören.


Ein Missverständnis

Auf das FALTER.maily von Anna Goldenberg mit dem Titel "Entschuldigung!" erreichten uns ein paar erboste Leserbriefe. Was in die Autorin gefahren sei, dass sie ihre zergatschten Mandarinen einfach in den Sporttaschen ihrer Mitbürger entsorge?

Wir dürfen beruhigen: Zum einen trug sich die Sache im Kindergartenalter zu und ist somit verjährt. Zum anderen hat sich die Autorin bereits damals beim betroffenem Sporttaschenträger (und dessen Mutter!) entschuldigt. Mittlerweile entsorgt Kollegin Goldenberg ihren Müll fachgerecht, versprochen!

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Glanzvolle Vintage Räder

Was als Trend unter Designfreaks und Radsportler:innen begann, ist heute mitten in der Gesellschaft angekommen: das Fahren, Sammeln und Restaurieren alter Rennräder. Glänzendes Chrom und die klaren Linien der Stahlrenner aus den 70ern und 80ern faszinieren mehr denn je. Besonders in Wien hat sich eine lebendige Vintage-Radszene entwickelt. Florian Holzer erklärt, warum das so ist und präsentiert in dem Buch Rennradliebe die besten Adressen, Bikes und Leute der Szene.

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