Vergangenen Sonntag war ich im Stadtmuseum St. Pölten, um bei der Lesereihe "Blätterwirbel" gemeinsam mit der First Lady Doris Schmidauer unser Buch "Land der Töchter zukunftsreich" vorzustellen. Danach erzählte uns eine Besucherin, sie habe sich vor einigen Jahren einen großen Wunsch erfüllt und in einer niederösterreichischen Kleinstadt ein Geschäft mit ökologischen Produkten eröffnet, auch mit der Idee, so die Welt für ihren Sohn ein kleines bisschen zu verbessern.
Als das Kind dann aber von der Volksschule in die AHS-Unterstufe wechselte, sei sie beruflich ins Schleudern geraten. Ein Ehemann, der sechzig Stunden pro Woche arbeitet, den ganzen Tag das Geschäft offen halten und dazu eine Halbtags-Schule, die ständig per Schul-App mitgeteilt habe, was alles für die nächsten Schularbeiten und Tests zu Hause gelernt werden müsse, das sei sich einfach nicht ausgegangen. Sie sperrte ihren Laden, den sie so sehr liebte, zu und arbeitet nun wieder Teilzeit als Angestellte.
Dass Frauen beruflich zurückstecken müssen, ist kein Naturgesetz. In Island reagierten Frauen schon vor fünfzig Jahren auf diese Ungerechtigkeit und setzen ein klares Zeichen. Die Isländerinnen sahen nicht ein, wieso sie für die bezahlte Arbeit weniger Geld bekommen als ihre männlichen Kollegen und zusätzlich auch fast die gesamte unbezahlte Arbeit leisten müssen.
Damals, am 24. Oktober 1975, protestierte ein breites Bündnis von konservativen und progressiven Frauen gemeinsam. Das ging als "Kvennafrídagurinn" ("Frauenruhetag") in die isländische Geschichte ein.
Warum Ruhetag? Damals schlossen sich Frauen aus verschiedenen politischen Richtungen unterschiedlichen Weltanschauungen zusammen. Weil sich die konservativen Frauen mit dem Kampfbegriff "Streik" nicht wohlfühlten, einigten sie sich mit den linken Frauen darauf, dass sie sich gemeinsam einen "freien Tag" nehmen. Den hatten sie sich schließlich verdient.
Im Vergleich zu den Isländerinnen sind österreichische Frauen beeindruckend geduldig. Denn in Österreich bleibt in Sachen Gleichberechtigung die Zeit nicht stehen. Die Uhr dreht sich sogar zurück. 2017 gingen noch 20,5 Prozent der Väter in Babykarenz, 2021 waren es nurmehr 16,7 Prozent. Von den wenigen Männern, die in Karenz gehen, blieben nur 0,4 Prozent länger als sechs Monate beim Kind.
Frauen in Österreich schließen mittlerweile häufiger die Universität ab als Männer. Sie bekommen aber trotzdem signifikant weniger Gehalt. "Frauen in der Privatwirtschaft, also ohne Beschäftigte im öffentlichen Dienst, verdienen im Schnitt um 18,8 Prozent weniger als Männer. Im Durchschnitt der EU-Mitgliedstaaten beträgt dieser Unterschied 12,7 Prozent", ist im 2024 veröffentlichten Gleichstellungsbericht des Frauenministeriums zu lesen.
Für die sogenannte Sorgearbeit, – also putzen, waschen, einkaufen, kochen, die Kinder versorgen, den bettlägerigen Opa pflegen, etc. – wenden Frauen und Mädchen durchschnittlich 3 Stunden und 37 Minuten pro Tag auf, Männer und Buben durchschnittlich 2 Stunden und 6 Minuten.
Eine, die das gerne ändern möchte, ist Hedwig Wagner. Vorigen August ging die 77-Jährige mit ihrer 55-jährigen Nichte ins Kino und sah sich die (übrigens äußerst empfehlenswerte) Dokumentation "Ein Tag ohne Frauen" über den Frauenstreik in Island an. "Beim Herausgehen aus dem Kino beschlossen wir, etwas zu tun", erzählte Wagner kürzlich dem FALTER.
Also riefen die beiden Frauen für den 24. Oktober, jenem Tag, an dem sich der Streik der Isländerinnen zum 50. Mal jährt, um 17 Uhr zu einem Frauenstreik vor dem Parlament in Wien auf. Es sei vielleicht "ziemlich naiv" gewesen, so aus dem Nichts etwas aus dem Boden zu stampfen, "aber ich hoffe, dass sich viele anschließen werden".
Der Frauenstreik in Österreich wird wohl nicht so spektakulär werden wie damals in Island. Geplant ist, dass die Frauen sich einfach vor das Parlament legen und so zeigen, dass sie genug haben von der Geschlechterungerechtigkeit in unserem Land. Aber es ist zumindest ein Anfang.
Den Isländerinnen hat der Tag, an dem sie sich freinahmen, übrigens sehr viel gebracht. Das Land mauserte sich seitdem zum Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung. Und die österreichischen Frauen haben eigentlich nichts zu verlieren – aber viel zu gewinnen.