An einem warmen Frühlingsabend vor zehn Jahren feierte der Knopfharmonikaspieler Walther Soyka seinen 50. Geburtstag. Im Ottakringer Bockkeller kamen die Protagonisten der Wiener Musik zusammen, um ihn hochleben zu lassen. Ein Konzert folgte dem nächsten. Soyka hörte zu, spazierte durch den Garten, meistens eine Zigarette wuzelnd, und umarmte, schüchtern lächelnd, seine Gäste. Auch als Musiker wirkte er still und zurückhaltend, saß oft am Rand der Bühne. Doch all das täuschte nicht darüber hinweg, dass von ihm eine wohlige Kraft ausging. Er hielt zusammen, was rund um ihn geschah.
Walther Soyka starb am 26. März 2025 nach schwerer Krankheit. Morgen wird er am Zentralfriedhof verabschiedet (17. April, 14.30 bis 17 Uhr, Tor 2, Halle 2). „Diese Feier steht allen offen“, schreibt seine Familie, „Fans, Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern sowie der breiten Öffentlichkeit.“ Es soll musiziert und der Sarg bunt gestaltet werden, mit Stiften bemalt, mit Pickerln beklebt: „Bitte hinterlasst dort eure Spuren.“
Seit der Kindheit war Musik für Soyka essentiell. Er lernte zuerst Cello, dann entdeckte er die Knopfharmonika. Ab 1983 war er 20 Jahre lang Mitglied bei den Extremschrammeln, der Gruppe Roland Neuwirths, dem Erneuerer des Wienerlieds. Nach seinem Ausstieg begründete Soyka viele neue Projekte mit und wurde zu einer Integrationsfigur der Wiener Musik; historisch versiert wie kaum jemand und doch immer in der Gegenwart verankert.
Als „positiv besetzte geniale Spinne in einem güldenen Netz“, bezeichnete der Wiener Liedermacher Ernst Molden seinen Freund und Kollegen einst im FALTER. „Wenn man in diesem Netz landet, wird man auch gefressen, aber man kommt wieder heraus, um vieles reicher als vorher." Molden und Soyka verband eine fast zwei Jahrzehnte währende musikalische Zusammenarbeit; gemeinsam mit dem Sänger Willi Resetarits und dem Gitarristen Hannes Wirth veröffentlichten sie vier Alben. Ein Livemitschnitt erschien heuer, drei Jahre nach Resetarits’ Tod.
Zuletzt kam auch Ernst Moldens Album „mei liab“ heraus, eine Zusammenarbeit zwischen dem Liedermacher und den Neuen Wiener Concert Schrammeln, deren Mitglied Soyka war. Neu komponierte und alte Liebeslieder finden sich darauf. Diese wunderschöne Platte ist Moldens Frau Veronika gewidmet. Nun wurde sie auch zu einem liebevollen Abschiedsgruß an den Meister der Wiener Knopfharmonika.
„Harmonikamusik entsteht, weil wissende Finger eine bestimmte Menge Luft aus einem flexiblen Balg über winzige Zungen verschiedener Tonhöhen lenken, indem sie auf Tasten oder Knöpferln drücken“, schrieb Molden in seinem Nachruf auf Soyka. „Großartige Harmonikamusik, und die Musik Walthers war die beste, die ich jemals hörte, entsteht hingegen, weil eine feine Seele die Dosierung dieser Luft vollkommen zu kontrollieren vermag.“
Mit den Bässen seiner Knopfharmonika konnte Soyka jedes Musikstück tragen, Melodien ließ er mühelos fliegen. Mit dem Zitherspieler Karl Stirner und später mit der Geigerin Martina Rittmannsberger durchforstete Soyka die traditionelle Wiener Musik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sie erlernten die Melodien, entwickelten sie weiter, arrangierten die Stücke neu. Sie pflegten die Kunst der Rubati, die Verlängerung oder Verkürzung von Tönen. Wie langsam, innig und intensiv Musik sein kann, konnte man hier verstehen lernen.
Martina Rittmannsberger war nicht nur in der Musik Soykas Partnerin, sondern auch im Leben. Jedes Jahr spielten sie beim Schrammel.Klang.Festival im niederösterreichischen Litschau, oft auf einer Naturbühne mitten im Wald. Die Augen geschlossen, versunken in ihren gemeinsamen Klängen.
Rittmannsberger starb vor zwei Jahren nach schwerer Krankheit. Kurz vor ihrem Tod nahm sie mit Soyka und Stirner noch ein neues Album auf. Soyka, der auch Produzent war und das Label Non Food Factory betrieb, feilte bis zuletzt an Details dieser Veröffentlichung. Nun ist auch er gegangen.
Wir bleiben zurück, mit seiner Musik im Ohr und im Herzen.