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Guten Abend!

Der russische Militäraufmarsch gegen die Ukraine macht den Europäern Angst. Die NATO spricht von Kriegsgefahr. In amerikanischen Medien wird diskutiert, ob die USA einen ukrainischen Guerillakrieg gegen eine zukünftige russische Besatzung vorbereiten sollen. Kiew verlangt Waffen und beobachtet mit Argwohn, wie Deutschlands neue Außenministerin Annalena Baerbock mit Moskau im Gespräch bleiben will. Es herrscht Alarm in Europas Hauptstädten.

Eine Anspannung, die langsam auch in Österreich zu spüren ist. Außenminister Schallenberg nimmt heute am EU-Außenministertreffen in Brüssel mit US-Außenminister Antony Blinken teil. Anfang Februar möchte er mit den Amtskollegen aus Tschechien und der Slowakei nach Kiew reisen. Gut so, aber könnte Österreich nicht eigene Lösungsvorschläge zur Diskussion stellen, die über die gemeinsam von der EU vorgebrachten Warnungen vor einem russischen Gewaltstreich hinaus gehen?

Der Politikwissenschaftler Heinz Gärtner plädiert schon lange für einen völkerrechtlich abgesicherten neutralen Status für die Ukraine. Die von Kiew angestrebte NATO-Mitgliedschaft sei ein Irrweg. Realistisch ist für die Ukraine permanente Neutralität oder permanente Teilung die Alternative, argumentiert Gärtner. Dass Russland auf einen groß angelegten Einmarsch aus ist, sei unwahrscheinlich. Ein neues Afghanistan wird sich Putin nicht einhandeln wollen. Wahrscheinlicher ist eine endgültige Abriegelung des von prorussischen Separatisten kontrollierten Donbass. Wenn man sich auf keinen für alle Nachbarn akzeptablen geopolitischen Status der Ukraine einigt, wird es eine Teilung geben, wie in Deutschland im Kalten Krieg, prophezeit Heinz Gärtner. Österreichs Neutralität war das Gegenbeispiel.

Warum erzählt eigentlich Außenminister Schallenberg nicht auch diese Geschichte zusätzlich zur Verurteilung der russischen Drohungen? Es stimmt, von der Idee der Neutralität will gegenwärtig niemand etwas hören. Der Kreml hat durch den Einmarsch auf der Krim und den Krieg in der Ostukraine das Vertrauen in das Völkerrecht zerstört. In Finnland und dem blockfreien Schweden wird eine Annäherung an die NATO diskutiert, aus Sorge vor einem aggressiven Russland. Die Ukraine hat das Ziel der Mitgliedschaft im westlichen Bündnis in die eigene Verfassung geschrieben, obwohl die dazu erforderliche Einstimmigkeit unter den NATO-Mitgliedern angesichts des Widerstands von Deutschland und Frankreich ausgeschlossen ist. Die Sache ist absurd: Wegen eines angestrebten Schritts, von dem alle wissen, dass er nicht passieren wird, riskiert die Ukraine eine verheerende Eskalation mit Russland.

Klar, für Putin ist das Gespenst der NATO der Hebel, um ein generelles Rollback des westlichen Einflusses in Osteuropa zu versuchen. Österreich steht in der EU im Verdacht, prorussisch zu sein, angesichts der vielen Verbindungen von Banken, Geschäftsleuten und Ex-Politikern nach Moskau. Der Hochzeitsknicks von Karin Kneissl vor Putin wirkt nach.

Für Österreich selbst spielt die Neutralität keine große Rolle mehr. Aber wir liegen auch nicht mehr am Eisernen Vorhang. Die Ukraine hat eine heiße Grenze mit der revanchistischen Atommacht Russland. Vielleicht könnte der Außenminister bei seinem Besuch in Kiew die ukrainischen Gesprächspartner daran erinnern, dass das Bundesheer des neutralen Österreichs ein fester Teil der NATO-Friedensmission in Kosovo ist? Westintegration und Neutralität, das muss kein Widerspruch sein. In einer Situation ähnlich wie im Kalten Krieg, könnten alle Seiten ihr Gesicht wahren, findet,

Bild von Raimund Löw
Ihr Raimund Löw
Aus der Welt 1

Der Diplomat Henrik Larsen vom Center for Security Studies an der ETH Zürich erinnert im online Magazin Politico daran, dass 2014 die Maidan-Revolution zur Verteidigung eines Assoziierungsabkommens der Ukraine mit der Europäischen Union ausgebrochen ist und mit der NATO gar nichts zu tun hatte. Putin hatte den damaligen pro-russischen ukrainischen Präsidenten zu einem abrupten Abbruch der Verhandlungen gedrängt. Forget NATO, Ukraine must refocus on the EU, empfiehlt der erfahrene Experte. 

Die Analyse des Politikwissenschaftlers Heinz Gärtner zum Kalten Krieg und einer Neutralität als möglichem Ausweg können Sie in der Audiothek des Deutschlandfunks hören.

Aus dem Falter

Ein heißer Krieg liegt im Interesse keiner Konfliktpartei, argumentiert der Russland-Experte Wolfgang Sporrer in seinem Gastkommentar für den FALTER. Doch das alleine genügt nicht als Friedensgarant: Die Spannung zwischen Russland und der Ukraine ist mittlerweile so groß, dass selbst der kleinste Fehler, das kleinste Missverständnis, zu einer katastrophalen Dynamik führen könnte. Mehr lesen Sie hier.

Podcast

Barbara Coudenhove-Kalergi über Bruno Kreisky: Der Mut zum Unvollendeten. Wie bei Bruno Kreisky das Bekenntnis zu schrittweisen Reformen mit einem Abschied von geschlossenen Ideologien zusammenhängt. Hören Sie hinein: Eine Veranstaltung des Bruno Kreisky Forums.

Aus der Welt 2

Die BBC ist die wichtigste öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt der Welt. Wer verlässlich und rasch wissen will, was in irgendeinem Krisenherd sicheres Wissen ist, hört oder sieht den britischen Sender. In Großbritannien prägt die BBC mit zahlreichen Radiosendern und TV-Programmen das mediale Geschehen. Von Tony Blair bis Boris Johnson war diese Art von Journalismus vielen britischen Regierungen ein Dorn im Auge. Die Regierung Johnson will die Unabhängigkeit abschaffen und statt der jetzt geltenden Rundfunkabgabe eine Finanzierung aus dem Budget einführen, so wie das die FPÖ für den ORF angestrebt hat. Im Podcast des Guardian hören Sie, warum der Kampf für die Zukunft der BBC so wichtig ist.

Was uns freut

Wir hätten es nicht für möglich gehalten, aber Sie haben es schon wieder geschafft! Einen neuen Rekord bei der FALTER-Spendentombola "Hilfe, Geschenke!" zugunsten des Wiener Integrationshaus aufzustellen, nämlich. Heute hat uns Willi Resetarits in der FALTER-Redaktion besucht und den Scheck über unglaubliche € 241.495,- abgeholt. Zeit, "Danke" zu sagen: Allen Spenderinnen und Spendern sowie den großartigen Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen, die durch ihre großzügigen Sachspenden die Aktion überhaupt erst möglich machten. Vielen Dank! Was mit dem Geld jetzt ganz konkret passiert, erfahren Sie hier.


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