Sie haben bestimmt meinen letzten Newsletter gelesen. Darin habe ich beschrieben, dass vier Parteien planen, das Parteiengesetz zu ihren Gunsten zu ändern. Es soll künftig nicht mehr als illegale Parteispende gelten, wenn Kabinettsmitarbeiter die Social-Media-Accounts von Ministern bespielen, selbst wenn diese den Parteien gehören.
Bisher war das nicht explizit geregelt, aber – wie der Unabhängige Parteien-Transparenz Senat jüngst feststellte – verboten. ÖVP, Grüne und Neos wurden zu saftigen Strafen verurteilt, weil sie für ihre Instagram-, X- und Facebook-Profile die öffentliche Hand anzapften (ÖVP: 50.637 Euro; Neos: 70.956 Euro; Grüne: 98.017,90 Euro).
Nun wollen die Regierungsparteien und die Grünen diese illegale Praxis (nachträglich) legalisieren. Sie umgehen damit den Rechnungshof, der die bisherige Vorgehensweise scharf kritisiert hat. Es handle sich um eine Vermischung von Regierungs- und Parteiarbeit. "Die beabsichtigte Regelung (...) ist unzureichend", wird Rechnungshof-Präsidenten Margit Kraker von ihrem Sprecher zitiert. Mehr wollte Kraker auf FALTER-Anfrage nicht kommentieren. Es sei alles gesagt.
Vergangene Woche erhielt ich einen spannenden Anruf aus dem Parlament. Eine Abgeordnete erzählte mir, Kraker sei "extrem sauer" und "richtig haß". Sie sei vieles gewohnt, aber so eine Gesetzesänderung hätte sich die Rechnungshof-Präsidentin nicht erwartet.
Die Vorgehensweise von ÖVP, SPÖ, Neos und Grünen erinnert an einen bewährten Trick: Um ein Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu sichern, beschließt man es mit einer Zweidrittelmehrheit. In diesem Fall ist es nicht der VfGH, sondern der Rechnungshof, der ausgebootet wird.
Die FPÖ hatte erst kürzlich noch eine Ausschussbegutachtung zum geplanten Parteiengesetz gefordert. So hätte der Rechnungshof seine Kritik offiziell darlegen können. Margit Kraker wäre dazu bereit gewesen, wie sie laut Parlamentskorrespondenz im Rechnungshofausschuss anmerkte. Aber ÖVP, SPÖ und Neos sind dagegen. Diese Blöße, vom Rechnungshof öffentlich gemaßregelt zu werden, will sich die Regierungskoalition offenbar nicht geben.
Aber nicht nur im Rechnungshof rumort es. Vor allem innerhalb der Grünen und Neos summen Störgeräusche. "Ich bin sehr enttäuscht", sagt eine Abgeordnete aus dem grünen Klub. Ihrem Umfeld könne sie nicht erklären, warum ihre Partei dieses Gesetz unterstützt. Aus dem pinken Reihen ist Ähnliches zu hören. Ein Mandatar bezeichnet den Entwurf als "völlig absurd". Zwar sei die Social-Media-Frage komplex, aber die jetzige Lösung sei aus "ökonomischer Not" heraus geboren.
Beide Abgeordnete wollen hier namentlich nicht genannt werden. Was uns unweigerlich zur Frage bringt: Was tun?
Die Bundesverfassung garantiert den Abgeordneten das freie Mandat: "Die Mitglieder des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates sind bei der Ausübung dieses Berufes an keinen Auftrag gebunden", heißt es dort. Das heißt, sie können ihr Mandat unbeeinflusst von Druck und internen wie externen Einflüssen ausüben.
Die Abgeordneten, die gegen die Novelle sind, können also ganz einfach dagegen stimmen. Es ist ihre Entscheidung, wie sie zur Änderung des Parteiengesetzes stehen. Erklären müssen sie sich nur vor ihren Wählern, die sie im Hohen Haus vertreten.
Wäre da nicht dieser Klubzwang. Wer in einem Klub sitzt, soll nach gelebter Tradition und Praxis im österreichischen Parlament auch wie der restliche Klub abstimmen. Denn hinter einem Klub stehen ja Abgeordnete, die sich gerade deshalb zusammengetan haben, weil sie im Großen und Ganzen dieselben Standpunkte vertreten.
Tanzt mal jemand aus der Reihe und stimmt nicht mit dem Klub, wird das schnell als Verrat gesehen. Deshalb ist es Usus geworden, dass Abgeordnete, die einem vom Klub eingebrachten Entwurf nicht zustimmen wollen, den Plenarsaal vor der Abstimmung verlassen. So erspart man der Partei unnötige Aufregung - und ist fein raus.
Schauen Sie bei der nächsten Nationalratssitzung mal genau hin, wer aufsteht (Zustimmung), wer sitzen bleibt (Ablehnung) und wer den Saal verlässt (keine Stimmabgabe). Ich werde es jedenfalls tun.
Ein schönen Abend wünscht