✍Den vergangenen Freitag verbrachte ich auf dem "4. Internationaler Journalisten Kongress" der Libertatem Stiftung in Hohenems, Vorarlberg. Dass ich dort überhaupt hinfuhr, animierte den Standard zu einer Recherche. Nach dem Motto: Wie kann man sich als seriöse Journalistin überhaupt mit Proponent:innen der sogenannten "alternativen Medien" auf ein Podium setzen? Das Thema ist nicht neu. Setzt man sich mit solchen Le…
FALTER.maily - Der fast tägliche Newsletter
Guten Abend Stefan Kappacher!
Ihre Maily-Autorin mit Moderatorin Daphne Hruby (mitte) und Michael Prock (rechts) von den Vorarlberger Nachrichten auf einem Podium des Medienkongresses der "Libertatem Stiftung" (Screenshot: YouTube/@frontline_filmproduktion)

Den vergangenen Freitag verbrachte ich auf dem "4. Internationaler Journalisten Kongress" der Libertatem Stiftung in Hohenems, Vorarlberg. Dass ich dort überhaupt hinfuhr, animierte den Standard zu einer Recherche. Nach dem Motto: Wie kann man sich als seriöse Journalistin überhaupt mit Proponent:innen der sogenannten "alternativen Medien" auf ein Podium setzen?

Das Thema ist nicht neu. Setzt man sich mit solchen Leuten hin, hebt man sie auf Augenhöhe. Setzt man sich nicht hin, bleiben sie unter sich und keiner lernt was dazu. Ich entschied mich, so wie mein Kollege Michael Prock von den Vorarlberger Nachrichten, dabei zu sein, um besser zu verstehen, was sie antreibt.

Außerdem wollte ich die Gelegenheit nutzen, die Vorstände der Libertatem Stiftung persönlich kennenzulernen, um herauszufinden, warum sie Portale wie Exxpress oder Libertatus von Gudula Walterskirchen unterstützen - und damit eine "Allianz rechtspopulistischer Krawallmedien" fördern, wie es meine Kollegin Lina Paulitsch im August recherchiert hat.

Vorweg: Die Identität des vor fünf Jahren verstorbenen Libertatem-Stifters konnte ich nicht herausfinden. Anders als in Österreich sind Stiftungen mit Sitz in Lichtenstein geheim. Der Stifter selbst wollte seinen Namen aus der Öffentlichkeit halten, wurde mir erklärt, selbst sein Begräbnis lief inkognito ab. Nur soviel: Er hat sein Geld mit Touristik in Deutschland gemacht und blieb ohne Nachfahren. Dass die Stiftung bei exxpress eingestiegen ist, entschied er noch selbst vor seinem plötzlichen Tod.

Ich stelle mir den Libertatem-Stifter vom Mindset her so ähnlich vor wie den deutschen Millionär Frank Gotthardt, der Nius unterstützt. Oder wie Didi Mateschitz, der in einem legendären Interview mit der Kleinen Zeitung (leider nicht mehr online) tief in sein Weltbild blicken lies.

Es sind superreiche, ältere Herren, die das Gefühl haben, dass sich die Welt in die falsche Richtung entwickelt – zuerst durch die Migration, dann durch Corona. Sie verachten die politische Elite und wollen irgendwie dagegen halten. Und das scheint ihnen am einfachsten, indem sie Plattformen unterstützen, die sich als Journalismus camouflieren und lautstark die Meinungen ihrer Financiers trommeln.

Der Libertatem-Stiftungszweck lautet: Förderung von "Meinungsfreiheit", "kritischem Journalismus" und "der persönlichen Freiheitsrechte sowie die Stärkung des Individuums". Die beiden Anwälte und der Vorstand, der die Stiftung verwalten, glauben offensichtlich fest daran, im Sinne des Stifters zu handeln, wenn sie "Medienkongresse" ausrichten, auf denen Nius und exxpress den Lead haben. Vielleicht wäre ein divers besetzter Fachbeirat, der sie unterstützt, keine schlechte Idee.

Was habe ich in Hohenems gelernt? Aus den vielen "Impulsreferaten" von Nius, exxpress, Liberatus et al. lässt sich jedenfalls folgende düstere Sicht auf die Welt destillieren: es gibt einen "linken" und einen "rechten" Journalismus. Der "linke" ist jener der Eliten und er hat versagt. Die Wahrheit findet man jetzt deshalb vorwiegend auf rechten Plattformen. Ein ganz wichtiger Katalysator für ihre Denke ist immer noch Corona. Viele sind offensichtlich nach wie vor traumatisiert.

"Linker" und "rechter" Journalismus? Das ist natürlich "Quatsch", wie ich am Freitagabend bei einer Podiumsdiskussion im Streitgespräch mit der Nius-Kolumnistin Birgit Kelle argumentierte. Es gibt weder "linken", noch "rechten", sondern nur handwerklich guten und handwerklich schlechten Journalismus.

Journalismus ist ein Beruf. Die Grundregeln des Handwerks sind erstaunlich simpel: Recherchieren, recherchieren und recherchieren. Dann: Check, Recheck, Doublecheck. Keine neue Information wird gedruckt, ohne dass sie nicht von zwei voneinander unabhängigen Quellen bestätigt wurde. Und dann sollte man Meinung (in Form von Kommentaren) von Berichten trennen.

Weder Nius noch exxpress halten sich an diese Regeln, also machen sie keinen professionellen Journalismus, sondern professionelle Propaganda. Für diese Worte erntete ich kaum Applaus, sondern viele Zwischenrufe. Als Beleg nannte ich die Hetzkampagne gegen eine österreichische Top-Journalistin durch Nius. "Das war alles wahr", hieß es dann aus dem Publikum.

Journalist:innen machen übrigens auch immer wieder Fehler, wie in jedem Beruf. Handwerklich guten Journalismus erkennt man dann daran, dass es eine transparente Fehlerkultur gibt. So wie im FALTER mit der Rubrik "Errata". Auch das versuchte ich in Hohenems dem Publikum zu vermitteln. Ob es rüberkam, kann ich schwer einschätzen.

In diesem Sinne: Danke, dass Sie uns als Leser und Leserin treu bleiben. Wir revanchieren uns bei Ihnen Woche für Woche mit "the Search for the 'Best Obtainable Version of the Truth'", wie es Watergate-Aufdecker Carl Bernstein einmal formulierte. Mit der Suche nach der bestmöglichen Version der Wahrheit.

Bild von Barbara Tóth
Ihre Barbara Tóth

Heute für Sie auf falter.at

Im FALTER.morgen haben wir bereits darüber berichtet: Am Montag wurden am Straflandesgericht Wien sechs Teenager schuldig gesprochen, die über Monate hinweg eine junge Lehrerin vergewaltigt, erpresst und bestohlen haben. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, müssen sie monate- oder gar jahrelang ins Gefängnis. Viktoria Klimpfinger hat den Prozess beobachtet. Sie beschreibt in einer ausführlichen Reportage, wie es zu dieser monströsen Tat kommen konnte – und wer die Täter eigentlich sind.

Jetzt ist es also passiert: Der Klimawandel löst den ersten der gefürchteten Kipppunkte aus. Die tropischen Korallenriffe des Planeten sind kaum mehr zu retten, wie aus dem vor wenigen Tagen veröffentlichten "Global Tipping Points"-Report hervorgeht. Das ist eine unbequeme Nachricht, die man lieber ignorieren möchte, schreibt Katharina Kropshofer, Leiterin des unseres Natur-Ressorts: Aber wegschauen löst das Problem nicht.

Schon wieder ein Fall von ÖVP-Postenschieberei. Und schon wieder ein dabei Übergangener, der sich dagegen wehrt. Diesmal spielt die Geschichte allerdings nicht in der oberösterreichischen Provinz, sondern im Außenministerium. Dort bekam ein Vertrauter von Sebastian Kurz einen Versorgungsjob als Botschafter – an einem ausgewiesenen Profi-Diplomaten vorbei. Der klagte. Und gewann. Eva Konzett weiß, wieviel Entschädigung die Republik jetzt zahlen muss.

Anzeige

Anzeigenbild

FRANZ K.

Die oscarnominierte Regisseurin Agnieszka Holland wirft in FRANZ K. einen einzigartigen Blick auf das Leben des einflussreichen Schriftstellers. Zwischen Büroalltag, Vaterkonflikt und künstlerischer Sehnsucht entfaltet sich ein fesselndes Kaleidoskop, das Kafkas Innenwelt erlebbar macht und seine Geschichte auf ebenso berührende wie originelle Weise erzählt.

Ab 24.10. im Kino!


Tabubruch im Justizressort

Im Juli berichtete an dieser Stelle Florian Klenk über einen Aufstand im Justizministerium. Der Grund: Eine neue Abteilung soll mit Xenia Köck besetzt werden. Köck sitzt im Kabinett von Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ), kandidierte einst für die Grünen.

In einem Brief an Sporrer empörten sich Richter und Staatsanwälte über die anstehende Besetzung. Denn in den wichtigen und meisten akademischen Positionen des Justizministeriums (Ausnahme etwa im Strafvollzug oder speziellen Stabstellen) waren bislang ausschließlich ausgebildete Richterinnen und Staatsanwälte tätig. Mit dieser Personalauswahl sichere man die Unabhängigkeit der Justiz.

Köck hat eine solche Ausbildung aber nicht – und trotzdem hat sie nun den Job bekommen, wie man hier sehen kann. Der Ruf aus Richter- und Staatsanwaltschaft hat Justizministerin Sporrer nicht gehört.


Einladung

Die nächste FALTER Arena, das journalistische Live-Event des FALTER dreht sich um das Thema: "Wer cancelt hier wen? Meinungsfreiheit in Gefahr" 

Journalismus, Politik und Öffentlichkeit geraten durch einen neuen Autoritarismus weltweit unter Druck. Aber wer ist der wahre Feind der freien Rede? Trägt "linke Wokeness" ihren Anteil am Rechtsruck? Warum gerieren sich ausgerechnet Machthaber von Orbán bis Trump als jene Sprachpolizei, die sie vorgeben, zu bekämpfen? Und wie schaffen wir neue Wege für Dialog, Demokratie und Meinungsvielfalt? 

Mit: Konrad Paul Liessmann (Philosoph und Publizist), Faika El-Nagashi (Politikwissenschaftlerin und Frauenrechtsaktivistin), Lea Susemichel (Journalistin/ an.schläge), Michal Hvorecký (Schriftsteller und Journalist) Lina Paulitsch, Eva Konzett und Florian Klenk (FALTER).

Am Donnerstag, 06. November 2025, ab 19:30 Uhr im Wiener Stadtsaal, musikalisch wieder begleitet von der famosen Anna Mabo. 

Alle Informationen und Tickets finden Sie hier


Podcast

Der israelische Regisseur Avi Mograbi zeigt auf der Viennale '25 seinen Dokumentarfilm "The First 54 Years", der die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete beleuchtet. Die Filmemacherin Ruth Beckermann hat mit ihm gesprochen – das Interview können Sie im FALTER Radio nachhören.


Wie fanden Sie diese Ausgabe?
Nur durch Ihr Feedback können wir unseren Newsletter verbessern.

Sehr gut | Gut | Weniger gut | Schlecht

FALTER.maily Logo
Das FALTER-Abo bekommen Sie hier am schnellsten: abo.falter.at
Wenn Ihnen dieser Newsletter weitergeleitet wurde und er Ihnen gefällt, können Sie ihn hier kostenlos abonnieren.
Unser FALTER.maily-Archiv finden Sie auf falter.at/maily.
Sie wollen in unserem Newsletter Werbung schalten? Alle Informationen finden Sie hier.
Teilen via FacebookTeilen via BlueskyTeilen via E-MailTeilen via WhatsApp
Sie sind bei unserem Newsletter mit folgender E-Mail-Adresse eingetragen: stefan.kappacher@orf.at

Profil und Newsletter-Abos verwalten

Von allen Newslettern abmelden

Medieninhaber: Falter Verlagsgesellschaft m.b.H., Marc-Aurel-Str. 9, 1011 Wien
FB: 123082d HG Wien
Impressum/Offenlegung
Datenschutz