Den vergangenen Freitag verbrachte ich auf dem "4. Internationaler Journalisten Kongress" der Libertatem Stiftung in Hohenems, Vorarlberg. Dass ich dort überhaupt hinfuhr, animierte den Standard zu einer Recherche. Nach dem Motto: Wie kann man sich als seriöse Journalistin überhaupt mit Proponent:innen der sogenannten "alternativen Medien" auf ein Podium setzen?
Das Thema ist nicht neu. Setzt man sich mit solchen Leuten hin, hebt man sie auf Augenhöhe. Setzt man sich nicht hin, bleiben sie unter sich und keiner lernt was dazu. Ich entschied mich, so wie mein Kollege Michael Prock von den Vorarlberger Nachrichten, dabei zu sein, um besser zu verstehen, was sie antreibt.
Außerdem wollte ich die Gelegenheit nutzen, die Vorstände der Libertatem Stiftung persönlich kennenzulernen, um herauszufinden, warum sie Portale wie Exxpress oder Libertatus von Gudula Walterskirchen unterstützen - und damit eine "Allianz rechtspopulistischer Krawallmedien" fördern, wie es meine Kollegin Lina Paulitsch im August recherchiert hat.
Vorweg: Die Identität des vor fünf Jahren verstorbenen Libertatem-Stifters konnte ich nicht herausfinden. Anders als in Österreich sind Stiftungen mit Sitz in Lichtenstein geheim. Der Stifter selbst wollte seinen Namen aus der Öffentlichkeit halten, wurde mir erklärt, selbst sein Begräbnis lief inkognito ab. Nur soviel: Er hat sein Geld mit Touristik in Deutschland gemacht und blieb ohne Nachfahren. Dass die Stiftung bei exxpress eingestiegen ist, entschied er noch selbst vor seinem plötzlichen Tod.
Ich stelle mir den Libertatem-Stifter vom Mindset her so ähnlich vor wie den deutschen Millionär Frank Gotthardt, der Nius unterstützt. Oder wie Didi Mateschitz, der in einem legendären Interview mit der Kleinen Zeitung (leider nicht mehr online) tief in sein Weltbild blicken lies.
Es sind superreiche, ältere Herren, die das Gefühl haben, dass sich die Welt in die falsche Richtung entwickelt – zuerst durch die Migration, dann durch Corona. Sie verachten die politische Elite und wollen irgendwie dagegen halten. Und das scheint ihnen am einfachsten, indem sie Plattformen unterstützen, die sich als Journalismus camouflieren und lautstark die Meinungen ihrer Financiers trommeln.
Der Libertatem-Stiftungszweck lautet: Förderung von "Meinungsfreiheit", "kritischem Journalismus" und "der persönlichen Freiheitsrechte sowie die Stärkung des Individuums". Die beiden Anwälte und der Vorstand, der die Stiftung verwalten, glauben offensichtlich fest daran, im Sinne des Stifters zu handeln, wenn sie "Medienkongresse" ausrichten, auf denen Nius und exxpress den Lead haben. Vielleicht wäre ein divers besetzter Fachbeirat, der sie unterstützt, keine schlechte Idee.
Was habe ich in Hohenems gelernt? Aus den vielen "Impulsreferaten" von Nius, exxpress, Liberatus et al. lässt sich jedenfalls folgende düstere Sicht auf die Welt destillieren: es gibt einen "linken" und einen "rechten" Journalismus. Der "linke" ist jener der Eliten und er hat versagt. Die Wahrheit findet man jetzt deshalb vorwiegend auf rechten Plattformen. Ein ganz wichtiger Katalysator für ihre Denke ist immer noch Corona. Viele sind offensichtlich nach wie vor traumatisiert.
"Linker" und "rechter" Journalismus? Das ist natürlich "Quatsch", wie ich am Freitagabend bei einer Podiumsdiskussion im Streitgespräch mit der Nius-Kolumnistin Birgit Kelle argumentierte. Es gibt weder "linken", noch "rechten", sondern nur handwerklich guten und handwerklich schlechten Journalismus.
Journalismus ist ein Beruf. Die Grundregeln des Handwerks sind erstaunlich simpel: Recherchieren, recherchieren und recherchieren. Dann: Check, Recheck, Doublecheck. Keine neue Information wird gedruckt, ohne dass sie nicht von zwei voneinander unabhängigen Quellen bestätigt wurde. Und dann sollte man Meinung (in Form von Kommentaren) von Berichten trennen.
Weder Nius noch exxpress halten sich an diese Regeln, also machen sie keinen professionellen Journalismus, sondern professionelle Propaganda. Für diese Worte erntete ich kaum Applaus, sondern viele Zwischenrufe. Als Beleg nannte ich die Hetzkampagne gegen eine österreichische Top-Journalistin durch Nius. "Das war alles wahr", hieß es dann aus dem Publikum.
Journalist:innen machen übrigens auch immer wieder Fehler, wie in jedem Beruf. Handwerklich guten Journalismus erkennt man dann daran, dass es eine transparente Fehlerkultur gibt. So wie im FALTER mit der Rubrik "Errata". Auch das versuchte ich in Hohenems dem Publikum zu vermitteln. Ob es rüberkam, kann ich schwer einschätzen.
In diesem Sinne: Danke, dass Sie uns als Leser und Leserin treu bleiben. Wir revanchieren uns bei Ihnen Woche für Woche mit "the Search for the 'Best Obtainable Version of the Truth'", wie es Watergate-Aufdecker Carl Bernstein einmal formulierte. Mit der Suche nach der bestmöglichen Version der Wahrheit.