✍Während ich diese Zeilen schreibe, hängt ein Damoklesschwert über meinem Kopf. Mein Auto, ein zehn Jahre alter VW, muss dringend zum Pickerl. Ich schiebe den Termin seit Wochen auf, langsam wird es, wie jeden Herbst, eng. In Österreich müssen PKWs ab dem sechsten Jahr nach der Erstzulassung jährlich auf ihre Verkehrstüchtigkeit abgeklopft werden. Also bewege ich mein Auto alle Jahre wieder in die Werkstatt, drücke m…
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Guten Abend!
Ein Pickerl in einer Windschutzscheibe
Jedes Jahr müssen die Besitzer älterer Fahrzeuge "zum Pickerl". (FOTO © APA / ROLAND SCHLAGER)

Während ich diese Zeilen schreibe, hängt ein Damoklesschwert über meinem Kopf. Mein Auto, ein zehn Jahre alter VW, muss dringend zum Pickerl. Ich schiebe den Termin seit Wochen auf, langsam wird es, wie jeden Herbst, eng.

In Österreich müssen PKWs ab dem sechsten Jahr nach der Erstzulassung jährlich auf ihre Verkehrstüchtigkeit abgeklopft werden. Also bewege ich mein Auto alle Jahre wieder in die Werkstatt, drücke mir einen Kaffee aus dem Automaten und atme erleichtert auf, wenn der Mechaniker ein neues Pickerl auf die Windschutzscheibe klebt.

Geht es nach Sepp Schellhorn (Neos), muss ich das in Zukunft seltener tun. Der Staatssekretär für Deregulierung will Österreich entbürokratisieren. Am Donnerstag hat er dem Koalitionspartner 160 Vorschläge dazu vorgelegt. Sie kommen direkt aus der Bevölkerung. Und so möchte ich jener Person danken, die Schellhorn auf die Pickerl-Fährte gelockt hat.

Denn die Intervalle für die § 57a-Begutachtung, wie das Pickerl im Kraftfahrgesetz heißt, sind in Österreich verhältnismäßig eng. Der EU, nicht unbedingt für ihr lockeres Regelwerk bekannt, würde es reichen, wenn ich mein Auto alle zwei Jahre in die Werkstatt bringe. Viele europäische Länder, etwa Italien, Frankreich, Norwegen, Deutschland, wenden die EU-Richtlinien an. Was ihren Bürgern viel Geld spart.

Laut Arbeiterkammer kostet das Pickerl in Österreich durchschnittlich 92 Euro. Bei über fünf Millionen zugelassenen PKWs summieren sich die Kosten unter den geltenden Regeln auf 417 Millionen Euro pro Jahr. Würde Österreich die von der EU geforderten Intervalle einführen, würden sich die Leute 200 Millionen Euro im Jahr sparen.

Mit meinem VW wäre ich trotzdem genauso sicher unterwegs wie jetzt. Staaten mit entspannteren Pickerl-Intervallen weisen keine höheren Unfallraten auf, wie die Zahlen zeigen. Auch die verkehrsbedingte Umweltbelastung ist dort in etwa gleich hoch wie hier.

Bleibt spannend, wie die Koalitionspartner ÖVP und SPÖ und ihre parteinahen Automobilclubs, ÖAMTC und ARBÖ, auf Schellhorns Vorschlag reagieren. Die verdienen gut mit dem Pickerl. Eines vorweg: Seltenere Intervalle und dafür höhere Preise wären eine zu offensichtlich österreichische Lösung.

Und jetzt muss ich in der Werkstatt anrufen.

Bild von Matthias Winterer
Ihr Matthias Winterer

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Melisa Erkurt ringt mit dem Dilemma, wie wir mit den Gefahren umgehen sollen, denen Jugendliche durch Social Media ausgesetzt sind: "90 Prozent der Jugendlichen sprechen sich laut Ö3-Jugendstudie jetzt schon für ein höheres und kontrolliertes Mindestalter für Social Media aus. Es ist ein Hilfeschrei, den wir erhören sollten. Aber wir können uns eben nicht darauf verlassen, dass ein Verbot alle Probleme lösen wird."

Doris Knecht widmet sich den Zuständen in der Verkehrshölle Gürtel – und der Frage, ob es wirklich unmöglich ist, dort für Verbesserungen zu sorgen: "Der Gürtel macht es einem richtig schwer, ihn zu lieben. Bis zu 70.000 Kraftfahrzeuge fahren dort täglich, unter Lärm, Dreck, Stau, Gefahr und schlechter Luft leiden nicht nur, aber zuvorderst die 80.000 Anwohnerinnen. Doch der motorisierte Strom auf dem Gürtel ist sakrosankt."


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