Quizfrage: Was haben Karl-Heinz Grasser, Heinz-Christian Strache, Werner Faymann und Sebastian Kurz gemeinsam? Alle vier Spitzenpolitiker nutzten öffentliche Mittel, um sich selbst zu bewerben. Grasser gönnte sich Millionen für Roadshows (und eine Website von der Industriellenvereinigung). Strache versprach einer Fake-Oligarchin in Ibiza staatliche Milliardenaufträge, wenn sie ihn mit der Krone propagandistisch an die Macht schreibt. Faymann ließ sich eine Krone-Kampagnen von den ÖBB finanzieren. Und Sebastian Kurz, so sagt es zumindest Thomas Schmid aus, soll sich mit Regierungsinseraten das Wohlwollen des Boulevard erkauft haben.
Öffentliche Mittel für private Politiker-PR zu missbrauchen, das ist fast schon eine Art Gewohnheitsrecht geworden. Nun hat auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ein Problem. Sein persönlicher Social-Media-Account – auf dem er kürzlich ganz forsch eine Aussetzung von Asylverfahren verkündete – wurde offenbar von den Steuerzahlern mitfinanziert. Das zumindest behauptet der Rechnungshof (ein Kontrollgremium des Nationalrats) in einer Stellungnahme zum Rechenschaftsbericht der ÖVP in Sachen Parteispenden.
Der Rechnungshof überprüfte im Jahr 2022 die Social-Media-Accounts von ausgewählten Regierungsmitgliedern, unter anderem auch von Nehammer. Medieninhaber seines Socia-Media-Accounts war die ÖVP, nicht die Republik. Wer für die Produktion von Parteiwerbung bezahlt? Alle Bürger, nicht nur ÖVP-Mitglieder, so die Prüfer. Personalkosten für den Social-Media-Account in der Höhe von rund 50.600 Euro seien vom Bundeskanzleramt finanziert worden. "Die Partei hat diese Kosten dem Bundeskanzleramt nicht vergütet. Sie sind daher bis zu diesem Betrag der Partei zugutegekommen." Ein Griff in die Staatskasse, so der Rechnungshof.
Die ÖVP habe in dreierlei Hinsicht profitiert. Erstens: "Die Partei nutzte öffentliche Personalressourcen für ihr eigenes Medium". Zweitens: "Weiters wurden Postings veröffentlicht, die die Regierungsarbeit des Bundeskanzlers nicht unmittelbar betreffen, sondern als Sujets der Partei zu qualifizieren sind. Der zentrale Werbeeffekt einzelner amtlicher Postings der Social-Media-Accounts war aus Sicht der Durchschnitts-User somit auf den Bundesparteiobmann der ÖVP, Karl Nehammer, und damit auf die Partei gerichtet, während der Informationscharakter 'zugunsten' der Regierungsarbeit des Bundeskanzlers in den Hintergrund getreten war." Diese Postings seien "als Werbung für die Partei zu qualifizieren". Drittens: "Die Partei konnte durch den Einsatz öffentlicher Mittel zusätzliche Follower generieren und daher von einem erhöhten Werbewert ihrer parteipolitischen Inhalte profitieren."
Nach Ansicht des Rechnungshofes liegt hier eine unzulässige Spende des Bundeskanzleramts an die ÖVP vor. Man wird wohl davon ausgehen, dass die Finanzprokuratur diese Summe nun von der ÖVP zurückfordert - oder Karl Nehammer den Betrag von sich aus der Republik zurückerstattet.
Karl Nehammer will zu den Vorwürfen kein Statement abgeben, so sein Sprecher Daniel Kosak. ÖVP-Sprecher Peter Treml hält fest: "Die Österreichische Volkspartei hat im Zuge der Erstellung des Rechenschaftsberichtes gegenüber dem Rechnungshof dargestellt, dass die Betreuung des Accounts zu parteipolitischen Inhalten ausschließlich durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundespartei erfolgt und daher eine Trennung zwischen Partei-und Regierungsarbeit sehr wohl gegeben ist."
Die Entscheidung, ob eine Parteispende vorliegt, trifft nun der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat.