„Das Benefizkonzert wurde aus Respekt abgesagt"

Der Musikjournalist Axel Brüggemann hatte den Kulturmanager wegen eines geplanten und dann abgesagten Benefizkonzertes des Dirigenten Teodor Currentzis kritisiert. Nun hält Naske dagegen.

vom 14.04.2022

Konzerthaus-Intendant Matthias Naske (© Lukas Beck)

Falter: Herr Naske, Sie haben Teodor Currentzis zur einem Benefizkonzert ins Konzerthaus eingeladen, das dann prompt abgesagt wurde. War das nicht absehbar?

Matthias Naske: Mein Arbeitsfeld ist nicht die Politik, sondern die Kultur. Das Benefizkonzert hat nach seinem Bekanntwerden eine politische Dimension erhalten, die für uns zum Zeitpunkt der Programmierung nicht absehbar war. Das Benefizkonzert wurde aus Respekt gegenüber dem Ukrainischen Botschafter und seinem Argument, dass dieses eventuell von russischer Seite für Propagandazwecke missbraucht werden könnte, abgesagt.

Was wollten Sie mit dem Konzert erreichen?

Naske: Für das Wiener Konzerthaus stand beim Benefizkonzert die humanitäre Hilfe für Menschen in der Ukraine und auf der Flucht im Vordergrund. Unsere Intention war es, gemeinsam mit den Musiker:innen aus Russland, der Ukraine und anderen Ländern durch die Kraft der Musik zum Ausdruck zu bringen, dass Kunst und Musik über Grenzen hinweg eine wichtige verbindende Rolle spielen können.

Ein Kritiker sprach von einer PR-Aktion, also dass ein von einer russischen Staatsbank finanzierter Künstler moralisch reingewaschen werden soll. Was sagen Sie zu dem Vorwurf?

Naske: Es gibt in Russland und wohl auch sonst nur in den seltensten Fällen vollständig unabhängige kulturelle Einrichtungen. Im Zentrum der Kritik steht die finanzielle Unterstützung von Teodor Currentzis´ musicAeterna durch die mittlerweile sanktionierte, russische VTB Bank. Diese Verbindung besteht seit der Übersiedlung des Orchesters von Perm nach St. Petersburg. Nun hat dieses Sponsoring aber aufgrund des Krieges unausweichlich eine politische Dimension erhalten, die zum Zeitpunkt der Planung des April-Gastspiels von musicAeterna im Wiener Konzerthaus nicht bestand.

Und der Vorwurf der Weißwaschung?

Naske: Diesen Vorwurf können wir so nicht im Raum stehen lassen. Daher werden wir den von Ihnen erwähnten Kritiker, Axel Brüggemann zu einer Paneldiskussion einladen.

Die Aktivitäten von Currentzis und seinem Orchester werden über eine Liechtensteiner Stiftung abgewickelt, in der Sie Stiftungsrat sind. Als Konzerthaus-Intendant vergeben Sie Aufträge an eine Stiftung, der Sie angehören. Was sagt die Compliance Ihres Hauses dazu?

Naske: Ich vergebe keine Aufträge an die Stiftung. Engagements werden mit dem Management des Orchesters verhandelt und über die Stiftung abgewickelt. Daher besteht hier auch kein Compliance- Widerspruch. MusicAeterna und Teodor Currentzis werden nicht bevorzugt behandelt.

Am Tag der Kriegsbeginns haben Sie mit Currentzis in St. Petersburg Geburtstag gefeiert. Würden Sie das wieder tun?

Naske: Meine Reise nach St. Petersburg war bereits seit langem geplant. Ich wurde am 24.2. 2022 von dem Beginn dieses Krieges genauso überrascht, wie die meisten anderen Menschen, und erfasste erst in den Tagen danach die Tragweite und Dimension des damit verbundenen Unrechts. Solange die Russische Föderation von dem aktuellen Regime regiert wird, werde ich dieses Land trotz meiner hohen Achtung vor den kulturellen Errungenschaften Russlands nicht mehr besuchen.

Dirigenten wie Waleri Gergiew sind tief in die Geschäfte des Kreml verstrickt. Sind Sie für einen Boykott von Künstlerinnen und Künstlern, die im Krieg keine klare Position beziehen?

Naske: Ich bin für eine differenzierte Haltung. Im Wiener Konzerthaus gibt es keine pauschale Verurteilung russischstämmiger Künstler:innen nur aufgrund ihrer Nationalität. Fest steht jedoch, dass Künstler:innen oder Einrichtungen, die sich solidarisch mit dem von der Russischen Föderation initiierten Krieg zeigen oder die zur Legimitation des Regimes beitragen, im Wiener Konzerthaus keine Bühne geboten wird.

Zur Person: Matthias Naske, 1963 in Wien geboren, arbeitete u.a. für das Gustav Mahler Jugendorchester, die Camerata Academica Salzburg, Jeunesse Musicale Österreich und der Philharmonie Luxembourg ehe er 2013 zum Intendant der Wiener Konzerthausgesellschaft und Präsident des Festivals Wien Modern aufstieg.  

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