Empfohlen Filmkritik

Saint Omer

© Viennale

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Eine schwangere Schriftstellerin mit senegalesischen Wurzeln verfolgt in Saint Omer, einer kleinen Gemeinde bei Calais, den Prozess einer jungen Frau, die wegen Kindsmords angeklagt ist. Die in Dakar geborene und zum Studium nach Frankreich gekommene Laurence Coly gesteht, ihr Töchterchen an einem Strand dem Meer überlassen zu haben. Der auf einem realen Fall fußende Gerichtsfilm versucht, die Hintergründe der Tat aufzuklären und zitiert dazu aus Prozessakten. Das nüchterne, in statischen, langen Einstellungen umgesetzte Drama wird durch die persönliche Sicht der Schriftstellerin ergänzt, die den Stoff als moderne Auseinandersetzung mit dem Medea-Mythos verarbeiten will.

Regie:
Regie:
Alice Diop
Darsteller:
Darsteller:
Guslagie Malanda, Valérie Dréville, Kayije Kagame, Ege Güner
Land/Jahr:
Land/Jahr:
F 2022
Genre:
Genre:
Drama
Dauer:
Dauer:
122 min
Altersfreigabe:
Altersfreigabe:
Keine Angabe
Kinostart:
Kinostart:
7. März 2023

Wirklichkeit und Wahrheit: "Saint Omer"

Martin Nguyen | 08.03.2023

Eine Mutter lässt ihr Kind am Strand zurück. Die senegalesische Studentin Laurence Coly (Guslagie Malanda) ist angeklagt, ihre 15 Monate alte Tochter getötet zu haben. Die Dokumentarfilmerin Alice Diop schickt in ihrem preisgekrönten Spielfilmdebüt die junge Schriftstellerin Rama (Kayije Kagame) aus Paris zu dem Gerichtsprozess in die titelgebende Stadt Saint Omer in Nordfrankreich. Auf einem realen Fall basierend, verdichtet sich in starren Einstellungen und langen Dialogen der Versuch einer Erklärung. Denn Coly begreift selbst nicht, wie sie ihr Kind der einsetzenden Flut überlassen konnte.

"Saint Omer" zeichnet nüchtern familiäre und kollektive Identitätsbilder einer ins französische Exil geschickten Tochter nach; eine moderne Medea, die den Erwartungen der Gesellschaft verhängnisvoll nicht gerecht werden konnte.

Im Lauf der Verhandlung erkennt die schwangere Rama mehr Gemeinsamkeiten mit der Angeklagten, blickt plötzlich in den inneren Spiegel, der die belastende Bindung zur eigenen Mutter freigibt und ihr Selbstverständnis erschüttert.

Der Film verwebt diese Erzählschichten klug mit Fragen rund um Status, Moral und kulturelle Differenzen. Für die Komplexität der unfassbaren Tat bietet er jedoch keine einfachen Antworten.

Ab Fr in den Kinos (OmU im Admiral)

Dieser Film bei Video on demand

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