„Kinder sind nicht höflich. Gut so“

Zehn Jahre lang begeisterte der Wiener Musiker Matthäus Bär ein junges Publikum, jetzt hängt er die Kinder-Rockstar-Gitarre an den Nagel. Warum?

FALTER:Woche, FALTER:Woche 50/2022 vom 14.12.2022

Matthäus Bär bleibt der Kinderkultur erhalten, zuletzt veröffentlichte er sein Kinderbuchdebüt „Elvis, Ziggy & Kate“ (Foto: S.Vucsina)

Matthäus Bär geht in den Ruhestand, der beliebte Wiener Kinderlieder-Rockstar mit Indiepop-Vergangenheit wird am Samstag sein Abschiedskonzert spielen. Eine Woche davor liegt der 33-Jährige, selbst Vater zweier Kinder, mit Grippe im Bett, bis zum Auftritt sollte er aber wieder fit sein. Neben seiner Band sind auch Bärs jüngere Geschwister beim Kehraus dabei: als klassisches Streichensemble auf ästhetischen Abwegen.

Falter: Herr Bär, was haben Sie eigentlich gegen Kinder?

Matthäus Bär: Gar nix, Kinder sind cool!

Trotzdem quittieren Sie als einer der beliebtesten Kindermusikmacher der Stadt nun den Dienst. Warum brechen Sie die Herzen Ihrer jungen Fans?

Bär: Ich mache das jetzt seit fast zehn Jahren, und es ist einfach an der Zeit, neue Wege zu gehen.

Wurde Ihnen fad dabei, Kindergartenkinder zu unterhalten?

Bär: Nein, denn Kinder sind in ihrer Direktheit eine wunderbare Schule. Sie sind nicht höflich, was als Publikum gut ist. Bringst du dein Programm nicht auf den Punkt, bekommst du sofort entsprechendes Feedback: Die Kids werden unruhig und beginnen zu tratschen. Tatsächlich genervt haben mich als Kinderunterhalter Probleme mit der Infrastruktur. Kultur für Kinder muss billiger sein und schneller gehen als für Erwachsene, sie hat einen vergleichsweise geringeren Stellenwert. Das stört mich.

Was macht ein gutes Kinderlied aus?

Bär: Dass es verständlich ist, nachvollziehbar und als Song funktioniert. Die Komplexität der Akkorde ist egal, umso wichtiger ist, dass es einen irgendwie berührt. Wie bei allen Liedern geht es um die großen Themen des Lebens: gebrochene Herzen und Enttäuschungen, aber auch Freude. Herausfordernd ist, dass man immer ein zweites Publikum mitdenken muss. Du bedienst ja nicht nur die Kinder, sondern du musst auch die Eltern ansprechen.

Wie gewinnt man auf der Bühne die Aufmerksamkeit der Kids?

Bär: Gut performen und nicht zu viel reden, aber auch nicht zu wenig, lautet der Grundsatz. Die Kinder wollen Anknüpfungspunkte zu den Inhalten. Mein Standardsatz lautete lange Zeit vor fast jedem Lied "Kennt ihr das Gefühl?", irgendwann hat meine Band schon nur mehr darüber gelacht. Aber wenn sich die Kinder mit den transportierten Gefühlen identifizieren, ist das immer schön. Egal, ob es ums Eisessen geht oder um die Enttäuschung, weil die beste Freundin nicht bei mir geschlafen hat, sondern bei der anderen Freundin.

Womit sollte man Kindern dagegen auf keinen Fall kommen?

Bär: Mit Zahnputzliedern! Das war immer mein Grundsatz: Wenn mir nur mehr Zahnputzlieder einfallen, muss ich aufhören. Pädagogische Lieder möchte ich weder hören noch machen.

Kinder mit Musik zu bespaßen ist ein krisensicherer Job. War das in Zeiten wie diesen keine Überlegung für Sie?

Bär: Den Entschluss, aufzuhören, habe ich vor über einem Jahr getroffen. Teilweise hatte ich bei Konzerten damals schon Bauchweh, weil es nicht mehr wirklich meines war, was ich auf der Bühne verkörpere. Seit der Abschied fix ist, sind die Auftritte aber auch für mich wieder superwitzig, entsprechend wehmütig macht mich das allerletzte Konzert. Vor einem Jahr dachte ich noch, dass ich bis dahin schon wüsste, womit ich 2023 mein Geld verdienen werde. Inzwischen habe ich dafür nur mehr wenige Tage Zeit. Es soll aber definitiv in Richtung Kinderliteratur gehen, ich werde der Kinderkultur also weiter erhalten bleiben.

Wie endgültig ist Ihr Abschied als Kinderliedersänger?

Bär: Die nächsten Jahre hat die Welt sicher eine Ruhe vor Matthäus Bär. In zehn Jahren gibt es dann vielleicht "Back to Bär", das wäre doch ein guter Titel? Wobei, nein, das ist jetzt schon endgültig. Musik werde ich zwar sicher weitermachen, allerdings eher für die Zielgruppe 30plus.

Die Themen der Songs werden dabei vermutlich dieselben bleiben: Freude, gebrochene Herzen ...

Bär: Erweitert um Depression und Selbstzweifel, ja. Vielleicht dann unter dem Namen Dark Bär.

Abschließend noch einige Fragen vom siebenjährigen Sohn einer Kollegin: Heißt du wirklich Bär? Und wenn nein, warum dieser Name?

Bär: Bär war immer mein Spitzname, warum auch immer. Als es mit den sozialen Medien losgegangen ist, habe ich mich "Matthäus Bär" genannt und das später einfach beibehalten.

Wie lange brauchst du, um ein Lied zu komponieren, also von der Idee bis es dann fixfertig ist?

Bär: Ganz unterschiedlich, aber die besten Lieder sind immer die, bei denen es ganz schnell geht, weil sie fast von allein entstehen. Im Idealfall genügt eine halbe Stunde. Thema und Stimmung müssen da aber schon klar sein. An anderen Songs doktert man wochenlang herum, aber das viele Feilen macht sie selten besser.

Und schließlich, die wichtigste Frage: Wie wird man Rockstar?

Bär: Indem man es ganz einfach behauptet.


Abschiedskonzert Matthäus Bär: Wuk, Saal, Sa 16.30

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