WO WIR GERNE BADEN GEHEN
Falter Redaktion in Falter 30/2023 vom 2023-07-28 (S. 38)
Palast des Badevolks
Vom Beckenrand hat der Schwimmer einen Blick über ganz Wien. Das Krapfenwaldbad, vor genau 100 Jahren eröffnet, ist das landschaftliche Juwel der kommunalen Wasseranstalten. Oberhalb von Grinzing, nicht weit vom Cobenzl, grenzt das Areal an Weinberge und den Grüngürtel Wienerwald. Der Eingang befindet sich in einem palastartigen Gebäude von 1911, was für ein erhabener Empfang! Das "Krawa" glänzt durch Großzügigkeit.
Gäste aller Altersstufen verteilen sich auf verschieden tiefe Becken. Wer den Schaulauf sucht, planscht im zentralen 25-Meter-Pool. Rückzugsbedürftige verziehen sich unter die mächtigen Kiefern, die die Wiesen beschatten. Entgegen dem Klischee vom Schnöselbad im Nobelbezirk Döbling schwimmt im Krawa ein bunt gemischtes Völkchen. Körperbetontes Protzgehabe ist zwischen Villenjugend, Gemeindebau, einheimisch und migrantisch gut verteilt. Familien finden Spielplatz für den Nachwuchs. Da nimmt man auch zehn Minuten Fußweg von der Bushaltestelle in Kauf.
MATTHIAS DUSINI
Krapfenwaldlbad, 19., Krapfenwaldgasse 65-73
Kitsch und Kulinarik
Oft hat die Autorin versucht, das Erlebte in Worte zu fassen - und es meist aufgegeben: Kitschgefahr! In etwa war es so: Auf dem Rückweg vom geliebten Strombad Kritzendorf kam sie vom Weg ab und fand sich plötzlich in einem Wäldchen wieder. Die Fahrradlichter vermochten den Weg kaum auszuleuchten, aber Abhilfe folgte in seiner schönsten Form: Hunderte, gar tausende Glühwürmchen (dass die genaue Artangabe hier ausbleibt, sei verziehen) umgaben plötzlich Rad und Lenkerin.
Das ist bei weitem nicht das Einzige, das dieses Bad zu bieten hat: Wer nach der Arbeit ein bisschen Bewegung sucht, die Massen des Gänsehäufels meiden will, steigt für 45 bis 60 Minuten auf Rad und passiert bereits die ersten Häuser auf Stelzen. Unmissverständliches Zeichen, dass man das kleine Kritzendorf und seinen kühlenden Donauzugang erreicht hat. Vielleicht überzeugt auch die ältere Geschichte des Bads (in der Nazizeit wurde es "arisiert", die enteigneten Häuser NSDAP-Mitgliedern übergeben), oder die vielleicht wichtigste Info: Bei der "Fischerin" (Strombad Donaulände 15) nebenan gibt es das beste asiatisch-österreichisch-fusionierte Streetfood der Stadt (und ihrer Ausläufer!)
KATHARINA KROPSHOFER
Strombad Kritzendorf, 3420 Klosterneuburg, Strombad Rondeau 30
Ein bisschen Berlin Tausende Wiener fliegen jedes Jahr nach Berlin, anlässlich der Partylandschaft, fürs Metropolgefühl, in diese urbane Wildnis. Dabei reichte eine Reise von sieben U1-Stationen ab Stephansplatz für eine Nase voll Berliner Luft.
Andere Bäder werden zu Oasen des Sommerfriedens stilisiert, gelten als Tagesausflüge in eine selige Vergangenheit, als noch Abort, Bassena und Cottage das Wiener ABC bildeten. Das Laaerbergbad aber, ganz oben in Favoriten, ist die pflastersteinharte Konfrontation mit der Gegenwart. Täglich von 9 bis 19.30 Uhr werden die Wiesen zur Bühne kleinerer Kulturkämpfe, zwischen Halbstarken und Stammgästen, zwischen oben ohne und Burkini, zwischen Kindergeburtstagen und Lärmscheuen (wenn der Lärm von Ausländern kommt.)
Die Blaulichtquote der berüchtigten Berliner Bäder mag das Laaerbergbad noch nicht erreicht haben. Aber wer sich einmal als Frau an der vollbesetzten Tribüne neben dem Sportbecken vorbeigewagt hat, braucht keinen Nacktscanner am Flughafen mehr zu fürchten.
LUKAS MATZINGER
Laaerbergbad, 10., Ludwig-von-Höhnel-Gasse 2
Minimalismus für Minigäste Liebhaber des Reduzierten fühlen sich hier geborgen, jedenfalls wenn sie Kinder haben: im Familienbad am Einsiedlerplatz in Margareten. Unter Baumkronen ist alles aufs Wesentliche beschränkt: Es gibt Wasser in drei kleinen Becken. Es gibt eine Wiese. Und darauf stehen weiße Plastikliegen, auf denen die Erwachsenen liegen oder aus denen die Kinder Burgen bauen. Vor hundert Jahren kam das Rote Wien auf die Idee, eigene Bäder für Kinder zu errichten, und zwar dort, wo viele sind: mitten in der Stadt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten die sogenannten Kinderfreibäder eine Blüte, der Individualverkehr und finanzielle Urlaubsspielräume an der Adria brachten den Niedergang.
Historische Bäder aber sind erhalten geblieben, zum Beispiel im Augarten. Im fünften Bezirk schloss man 2018 an die Tradition an und eröffnete dieses Kleinod. Der Kiosk überlebte nur den ersten Sommer, er wurde nicht einmal durch einen Kaffeeautomaten ersetzt. Auf Schwimmbadpommes muss man verzichten. Und Eis? Das holt man sich vom Billa gegenüber, am besten gleich im Sechserpack.
EVA KONZETT
Familienbad Einsiedlerplatz, 5., Einsiedlerplatz 18
Abendsonnenseite der Alten Donau Die Alte Donau ist ohnehin ein Traum. Welche Stadt hat so ein Gewässer, mit so viel kostenlosem Zugang? Die Lagerwiese etwa, vormals Romawiese: Gepflegter Rasen, Spielplatz, Volleyballfeld, Kiosk, alles ohne Eintritt. Mein heuriger Lieblingsplatz ist aber auf der Seite gegenüber, Höhe Fultonstraße.
Dort gibt es Badestege mit Plattformen, von denen es sich abends herrlich ins Wasser köpfeln lässt, ohne dass man als Algenmonster wieder auftaucht. Dort weht meistens auch etwas mehr Brise als gegenüber, was auch die Seglerinnen und Segler wissen, die oft gefährlich nahe an den Badeplattformen aufkreuzen.
Von dort aus sieht man auf den Donauturm und die Skyline der Platte, was sich ziemlich metropolitan anfühlt. Vor allem aber: Hier scheint die Abendsonne am längsten hin und man kann in Ruhe liegen bleiben, wenn von den Freibädern gegenüber schon das "Badeschluss" rüberklingt.
BARBARA TÓTH