Jenseits der Grenzfalle
Alexander Lukaschenko setzt Flüchtlinge im EU-Grenzgebiet aus. Wie Brüssel sich gegen die versuchte Erpressung wehren kann
Ein skrupelloser Diktator in Belarus lockt Menschen mit dem Versprechen ins Land, von diesem aus schnell in die Europäische Union zu gelangen. Einmal an der Grenze, können sie, von seinen Sicherheitskräften kontrolliert, oft weder vor noch zurück. Der EU-Staat Polen reagiert auf die Politik von Belarus mit Härte: Man lasse sich von Alexander Lukaschenko nicht erpressen, verkündete der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki schon vor drei Monaten. Das Ergebnis ist eine menschliche Tragödie, das Aussetzen von EU-Recht, bislang mindestens zehn Tote und eine humanitäre Katastrophe, die sehr schnell schlimmer zu werden droht.
Offensichtlich ist es der EU in den letzten Jahren nicht gelungen, eine für ihre Zukunft als Wertegemeinschaft entscheidende Frage zu beantworten: Wie könnte humane Kontrolle an ihren Grenzen aussehen? So, dass die Menschenwürde respektiert wird. Dass die Konventionen (Menschenrechte, Flüchtlinge, Kinderrechte) und Gesetze der EU für jeden, auch für irreguläre Migranten, gelten. An einer humanen Grenze kommen Menschen nicht ums Leben, wie in diesem Jahr schon mehr als 1600 auf dem Meer rund um die EU. Und wie heute in den Wäldern und Sümpfen zwischen Polen und Belarus.