Amena Karimyan: Endlich in Sicherheit

Wie es nach Monaten der Ungewissheit gelungen ist, die afghanische Wissenschaftlerin Amena Karimyan vor dem Taliban in Sicherheit zu bringen – allerdings nicht, wie eigentlich versprochen, in Österreich.

vom 11.01.2022

Amena Karimyan am Flughafen in Islamabad vor dem Abflug nach Deutschland (© privat)

Am Ende dauerte es nur wenige Tage, um Amena Karimyan in Sicherheit zu bringen. Aber bis dahin war es ein weiter und beschwerlicher Weg.

Als die Taliban im August weite Teile des Landes übernehmen, flieht die 25-Jährige aus ihrem Heimatland – auf ein Versprechen aus Österreich hin. Mit im Gepäck: Zehn Bücher, ihren Reisepass und ein Schutzbrief, in dem die österreichische Botschaft in Islamabad die Taliban bittet, Karimyan am Grenzübergang Turkham nach Pakistan ausreisen zu lassen – ein Visum liege für sie bereit. Die Gotteskrieger kommen diesem Ersuchen nach.

In Pakistan angekommen, steckt Karimyan aber fest. Österreich lehnt plötzlich ihren Antrag auf ein Besuchervisum ab und verweigert ihr die Einreise.

Warum? Den Schutzbrief habe man an hunderte Menschen in Afghanistan ausgestellt, um ihnen die Ausreise aus Afghanistan zu ermöglichen, heißt es vom Außenministerium. Das darin enthaltene Versprechen für ein Visum sei eine allgemeine Formulierung gewesen. Erst bei der Prüfung des Antrags in Pakistan habe sich herausgestellt, dass Karimyan die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Laut dem Ministerium konnte sie nicht glaubhaft machen, dass sie wieder aus Österreich bzw. dem Schengen-Raum ausreisen würde.

In Österreich setzen Wissenschafter und NGOs währenddessen alle Hebel in Bewegung, um der 25-Jährigen doch noch einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen. Mehrere Medien greifen den Fall auf, die Bemühungen bleiben aber erfolglos. „Es ist einfach nichts weitergegangen”, sagt Evelyn Schalk vom Grazer Medium der ausreißer, das Karimyan finanziell und emotional unterstützte.

Das ändert sich erst, als sich vergangene Woche die deutsche Bundesregierung einschaltet. Das Auswärtige Amt, das seit dem Regierungswechsel von der Grünen Annalena Baerbock geführt wird, setzt Karimyan auf die Liste besonders gefährdeter Personen. Vier Tage später sitzt die Astronomin im Flieger nach Deutschland.

Offenbar hat Deutschland also eine Gesetzeslage, die es erlaubt, Frauen in Schutz zu nehmen, die im Afghanistan der Taliban um Leib und Leben fürchten müssen – Österreich, wenn man dem hiesigen Außenministerium folgt, aber nicht.

Mittlerweile ist Karimyan in einem Flüchtlingsheim in der Lüneburger Heide, rund 80 Kilometer südlich von Hamburg, untergebracht. „Momentan fühle ich mich noch sehr niedergeschlagen. Die vergangenen Monate waren sehr schwierig für mich”, sagt Karimyan, die ihre ganze Familie in Afghanistan zurücklassen musste, zum FALTER.morgen.

Die deutsche Regierung hat ihr ein dreimonatiges Visum mit Aussicht auf ein reguläres Asylverfahren gewährt. Die ersten Wochen muss Karimyan in dem Aufnahmezentrum bleiben, danach will sie zu einer Gastfamilie ziehen.

*In einer vorigen Version war die Rede davon, dass Österreich Amena Karimyans Antrag auf Asyl ablehnte. Sie hat allerdings ein Besuchervisum beantragt.

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