Hotel Paradiso

Mit der Bahn zu 13 besonderen Orten in Mitteleuropa. Ein Reiseführer
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Reihe Kultur für Genießer
Erscheinungsdatum 29.03.2021
Umfang 256 Seiten
Verlag Falter Verlag
EAN 9783854396628
Sammlung Nachhaltig reisen Der Falter schreibt Bücherpost 2024 Aktuelle Bücher aus dem Falter Verlag
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Ein Reiseführer der anderen Art, der zum Verweilen einlädt und den Kopf beschleunigt.
Matthias Dusini, der renommierte Kunstkritiker und Feuilleton-Chef der Wiener Wochenzeitung FALTER stellt 13 Orten in Mitteleuropa vor. Von Norditalien inkl. Italienischer Schweiz über Südtirol und Ostösterreich bis nach Tschechien. In Turin, am Lago Maggiore, im Burgenland oder in Zlin gab es im 20. Jahrhundert Versuche, Utopien zu verwirklichen. Lebensreformer, Unternehmer, Künstler und Ingenieure versuchten, eine Gegenwelt zu schaffen. Einige dieser Orte, die sowohl Rückzug als auch Beschleunigung bedeuten können, haben sich erhalten. Das Buch liefert Hintergrundinformationen und Geschichten, die nicht in den Werbeprospekten stehen
Durch die lebendige Gestaltung und Präsentation der Inhalte wird die Geschichte der verschiedenen Utopien erlebbar. Der Autor bringt seine subjektive Sicht ein und verweist auf weiterführende Literatur. Somit ist das Buch nicht nur ein Reiseführer, sondern auch ein Kompass durch das jeweilige Thema.


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FALTER-Rezension

Dreizehn Mal um die Ecke

in Falter 13/2021 vom 2021-04-02 (S. 34)

Feuilleton-Chef Matthias Dusini hat den Reiseführer "Hotel Paradiso" geschrieben - über Sonnentempel, Märchenfabriken und Kunstklöster

Meinen eigenen Vorlieben kommt die durch den Lockdown beförderte Selbstbesinnung entgegen. Ich will weg, aber nicht weit. Die klassische Urlaubsreise -Flug und Ferienwohnung in Griechenland oder Vietnam - lässt mich kalt. Nach zwei Tagen Strand frage ich mich: War's das? Am liebsten ziehe ich los und lasse mich überraschen. So wie in Susch.

In dem Unterengadiner Ort errichtete die polnische Milliardärin Grażyna Kulczyk ein Museum für zeitgenössische Kunst. Die Region liegt in einem abgelegenen Tal im Dreiländereck von Österreich, Schweiz und Italien. Die Zuglinie reicht auf Schweizer Seite bis an die Grenze. Eine mehrtägige Wanderung führte mich durch das Gebirge und schließlich auch zu einem alten, längst aufgelassenen Kloster, das an einer alten Pilgerstraße errichtet wurde.

Susch liegt im Schatten des benachbarten St. Moritz, in dem sich Banker und Galeristen treffen. Das ist wohl auch der Grund, warum Grażyna Kulczyk hierher flüchtete. Sie entdeckte den Weiler, als sie auf der Landstraße im Stau stecken blieb. Kulczyk, durch die Entwicklung von Shopping-Malls in der Stadt Posen zu Reichtum gekommen, kaufte ein denkmalgeschütztes Gebäudeensemble und ließ riesige Kavernen in den Felsen sprengen, um Ausstellungsraum zu schaffen.

Der Ausflügler marschiert Wiesen entlang, auf denen Kühe grasen, und nähert sich einem Dorf. Er betritt ein steinernes Gewölbe und steht plötzlich in einer hochmodernen Galerie, in der feministische Gegenwartskunst gezeigt wird. Ich liebe solche Wunder.

Das Muzeum Susch steht für einen Typus von Orten, denen ich auf meinen Erkundungstouren immer wieder begegne. Künstlerinnen und Künstler begaben sich auf die Suche nach sich selbst, Millionäre therapierten die innere Leere. Hippies erprobten in Landkommunen ein neues Leben. Der Schweizer Ausstellungsmacher Harald Szeemann, der mit dem Tessiner Monte Verità die zentrale Gegenkultur der Moderne rekonstruierte, brachte die Dynamik auf den Punkt: "Zuerst kommen die Spinner und die Künstler, dann die Bankiers, die ihre eigenen Architekten mitbringen."

Die Krise des Reisens ist älter als das Virus aus Wuhan. Moralische Fragen entzünden das Fernweh. Umweltbewegte Kinder bestehen darauf, mit der Eisenbahn zum Sommerhaus in Griechenland zu fahren. Fliegen gilt als Sünde, die den Klimatod beschleunigt. Die Globalisierung der Ferien lenkt immer mehr Menschen auf dieselben Trampelpfade, der Buchungsalgorithmus findet das richtige Nest. Der Tourismus verwandelt die Alpen in eine riesige Maschine, die Ressourcen vernichtet und von billiger Arbeitskraft lebt.

Klöster erprobten über Jahrhundert hinweg, was uns noch heute beschäftigt. Wie kann der Einzelne eine innere Reise bewältigen, über sich selbst hinauswachsen? Und wie lässt sich dieser Alleingang mit den Anforderungen einer Gemeinschaft vereinbaren? Diese Fragen setzen gewaltige Bewegungsenergien frei. So korrespondiert die aktuelle Reisekrise mit dem ewigen Zweifel am Sinn der Existenz: Was mache ich hier?

Die Pension Briol im Südtiroler Eisacktal ist so ein Ort, der Antworten anbietet. Seit 130 Jahren fährt man hierher, um dem Himmel nahe zu sein. In Wien, New York oder Moskau kann es passieren, dass Menschen leuchtende Augen bekommen, wenn sie den Namen Briol hören.

Der berühmte Schweizer Architekt Peter Zumthor erklärte das schlichte, in einen Steilhang gesetzte Gebäude zu seinem ästhetischen Modell. 1928 errichtet, gilt die Pension Briol als Meilenstein moderner Architektur in den Alpen.

Gäste lassen sich mit einem Taxi-Jeep auf 1300 Meter bringen, andere kommen zu Fuß aus dem Dorf Barbian. Es führt keine asphaltierte Straße hinauf, die Entschleunigung ist im Preis inbegriffen. Der schlichte, aus Holz gesägte Schriftzug "BRIOL" prangt über dem Eingang. Er markiert einen Ort, der zum Inbegriff für eine radikal einfache Gastronomie aufstieg.

Bezeichnungen wie Hideaways oder Retreats übertragen die Vorstellungen klösterlicher Abgeschiedenheit in Marketingdeutsch. Der Luxus steigert die Nachfrage nach Askese, sodass Hoteliers heute um ein Vermögen anbieten, was auf Briol zu einem mittleren Preis zu haben ist: einfache Kost aus lokalen Produkten, die reinen Elemente Wasser, Luft und Sonne. Ein ovaler, von Quellwasser gespeister Pool oberhalb des Gebäudes dient an heißen Sommertagen der Abkühlung. Briol ist kein Geheimtipp, sondern ein Mythos. Ich wollte ihn hinterfragen.

Die Pension wurde im Jahr 1928 von dem Innsbrucker Maler Hubert Lanzinger (1880-1950) entworfen. Lanzinger hatte eine Tochter der Eigentümerin geheiratet und sollte das neue Gebäude auf die Grundmauern eines bereits bestehenden Gasthofes setzen. In den Zeitungsberichten ist immer von einer Architektur im Stil von Adolf Loos oder einem "Gesamtkunstwerk im Bauhausstil"(SZ) die Rede.

Doch war Lanzinger nicht jener Künstler, der wenige Jahre nach Briol das bekannteste Porträt Adolf Hitlers malte?"Der Bannerträger", kurz nach der Machtergreifung der Nazis entstanden, zeigt den Führer in Ritterrüstung, eine Hakenkreuzfahne in der Hand haltend. Lanzingers Propaganda wurde auf Postkarten millionenfach reproduziert. Wie konnte ein glühender Nazi ein Gebäude im Bauhausstil entwerfen?

So begann eine Recherche über die Geschichte der Pension Briol, seine Besitzer und Lanzingers Ästhetik. Da keine persönlichen Aussagen verfügbar sind, war die Interpretation der Zeichen die einzige Möglichkeit, das Rätsel zu lösen. Lanzinger ließ sich wohl von esoterischen Ideen leiten, als er die Pension als "Sonnentempel" und das ovale Schwimmbad als "Auge Gottes" gestaltete.

Protofaschistische Aussteiger hatten bereits um 1900 die Abhärtung des "arischen" Körpers durch reine Naturelemente gefordert und auf dem Land neogermanische Kommunen gegründet, um sich von der schmutzigen "jüdischen" Großstadt abzusondern.

Die touristische Architektur ist versessen auf Vergangenheit. Alte Klöster oder landwirtschaftliche Gebäude, Presshäuser und Almhütten haben jene sinnliche Patina, die Neubauten fehlt. Doch mit der Revitalisierung geht die Historie verloren, verstummen die materiellen Zeugen zu reizvollen Oberflächen. Orte wie Briol stellen den Gast auf die Probe: Kann man an einem Ort Urlaub machen, der möglicherweise auf eine mörderische Ideologie zurückgeht?

Der dark tourism entwickelte sich zu einem eigenen Reisegenre. Er bedient einen Voyeurismus des Grauens, der durch Orte von Verbrechen stimuliert wird. Reiseziele wie Briol hingegen fordern den Reisenden dazu auf, sich auf eine Ambiguität einzulassen: Ein Nazikünstler schuf einen atemberaubend schönen Platz, der einer hochaktuellen Idee von Reduktion entspricht. Ein erholsamer Rückzug verwandelt sich in eine Klettertour durch die Zeitgeschichte. Der Ort verliert seine Austauschbarkeit und enthüllt seine schillernde Identität.

Reisen leben von Begegnungen. Die schönsten Momente erlebte ich im Gespräch mit Menschen, die den architektonischen Denkmälern Leben einhauchten. In Torviscosa, einer kleinen Industriestadt in der Nähe von Grado, lernte ich einen alten Herrn kennen, der mir Anekdoten erzählte, die in keinem Reiseführer stehen.

Lino berichtete vom allmächtigen Unternehmer Franco Marinotti (1891-1966), der Torviscosa zu einem Vorzeigeprojekt des faschistischen Italien machte und politisch so geschickt war, dass er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg den sowjetischen Außenminister in seiner Fabrik willkommen hieß. Der Zeitzeuge erlebte im Schulbus die Hackordnung des faschistischen Ständestaates, saß ganz hinten, während die Angestelltenkinder vorne Platz nahmen. Auch die Gasthäuser und Spielplätze waren strikt getrennt. In seiner Wohnung holte Lino Ordner mit alten Dokumenten aus dem Regal. Er bewahrte handgeschriebene Listen auf, in denen die Beiträge von Arbeiterinnen und Arbeitern für die Kommunistische Partei verzeichnet sind. Sie stammen aus der Kriegszeit, als Torviscosa von den deutschen Truppen besetzt war. Im benachbarten Theater hatten die Partisanen ein Versteck, wie Lino viel später erfuhr.

In Museen liegen solche Papiere in Vitrinen. Nun blätterte ich durch Schriften, die von Leben und Sterben erzählen. Eine handkopierte Untergrundzeitung druckte den Brief eines jungen Partisanen, der sich vor der Hinrichtung von der Familie verabschiedet. Meine Hand zitterte leicht.

Grado ist ein beschaulicher Ort an der Adria. Familien mit Kindern schätzen Grado, die niederen Wellen und den Sandstrand. Bereits nach kurzer Zeit beschleicht einen das Gefühl, dass man sich in einem freiwilligen Lockdown befindet. Jeden Tag derselbe Spaziergang, dieselbe Fressmeile, auf der Kellner das Menü des Tages anpreisen. Ungeduldig blickt der Urlauber auf die Uhr. Wann kommt der Bus? Das Abenteuer wartet gleich um die Ecke.

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