Entführt im Auftrag des Vatikans. Die Affäre Finaly.
Vor siebzig Jahren entführten katholische Priester auf Befehl aus dem Vatikan zwei in Frankreich geborene jüdische Kinder. Zuvor waren die Brüder gegen den Willen ihrer Familie getauft worden. Diese kam aus Wien. Das Schicksal der nach Spanien verschleppten Holocaust-Waisen bewegte Frankreich. Das ist ihre Geschichte.
Wären die Juden nicht gewesen, hätten Robert und Gérald eine unbeschwerte Kindheit gehabt. Doch nun müssen sie durch den tiefen Schnee stapfen, steil bergauf, stundenlang.
„Eines Tages sagte man uns: Die Juden sind euch auf den Fersen, ihr müsst fliehen. Über die Pyrenäen. Als brave Kinder haben wir das ohne Widerspruch akzeptiert“, erzählt Robert siebzig Jahre später.
60 Zentimeter Schnee sind im Februar 1953 in den Bergen gefallen. Die Brüder, zehn und elf Jahre alt, tragen kurze Hosen, ihre Halbschuhe sind nicht fürs Gelände gemacht. Ein baskischer Schlepper spurt den Weg, die Kinder steigen in seine Fußstapfen.
„Er wollte schneller marschieren, aber wir konnten nicht, uns fehlte die Kraft. Wir hatten die Monate davor stets versteckt in Zimmern verbracht und waren kaum ins Freie gekommen. Und nun mussten wir plötzlich ein Gebirge überqueren, bei Schnee und Kälte. Es war sehr hart für uns beide, aber wir mussten eben fliehen. Unsere Füße waren eiskalt. Ich weinte die ganze Zeit, mein Bruder auch. In einer Herberge bekamen wir dann etwas zu essen. Man hat mir auch drei Gläser Anisschnaps gegeben, das hatte Folgen: Den restlichen Weg ging ich in Schlangenlinien.“