Wappentier der Diktatur

Am Justizpalast prangt noch immer der Doppeladler des Austrofaschismus. Der Wiener Rechtsanwalt Thomas Höhne über ein totalitäres Symbol, das dringend entfernt werden muss.

vom 08.06.2021

Der austrofaschistische Doppeladler über dem Eingang zum Justizpalast, in dem eines der drei höchsten Gerichte Österreichs angesiedelt ist. (Foto: Thomas Höhne)

Im Allgemeinen ist das, was in einem Gebäude passiert, wichtiger als das, was außen drauf ist. Und für ein Gerichtsgebäude gilt das wohl in besonderem Maße. Einerseits. Andererseits spielen gerade in der Justiz Äußerlichkeiten und Symbolik eine nicht zu unterschätzende Rolle, geht es doch hier auch um die Darstellung staatlicher Autorität. Und wenn es sich bei dem Gerichtsgebäude um das wohl imposanteste Gerichtsgebäude der Republik handelt, in dem eines der drei höchsten Gerichte dieses Landes angesiedelt ist, nämlich den Justizpalast, dann darf man sich schon auch einmal mit dessen Fassade beschäftigen. Besonders dann, wenn auf dieser Fassade ein Symbol jenes Regimes angebracht ist, das konstitutive Elemente der parlamentarischen Demokratie beseitigte, den Verfassungsgerichtshof und die oppositionellen Parteien ausschaltete, die Pressefreiheit weitgehend beseitigte und letztlich auch den Nationalrat ausschaltete.

Die Rede ist vom austrofaschistischen Herrschaftssystem, dessen Doppeladler nach wie vor das Eingangstor des Justizpalastes „ziert“. Ich weiß nicht, wie oft ich durch dieses Tor schon gelaufen bin, und wenn ich einen Blick hinaufwarf, dann sah ich halt irgendeine Variation des Bundesadlers. Ist es aber nicht. Und hätte mich nicht das großartige Buch „Die Symbole Österreichs“ von Peter Diem (1995) aufgeklärt, wäre mir das Wappentier da oben wohl weiterhin egal. Das geht jetzt nicht mehr. Noch dazu, wo mir das austrofaschistische Symbol in Gestalt der Arkadenbrüstungen im Halbstock gleich 16-fach noch einmal erscheint. Und auf dem Wandteppich im großen Saal des OGH abermals.

Diem berichtet: 1919 beschloss die konstituierende Nationalversammlung das „Gesetz über das Staatswappen und das Staatssiegel der Republik Deutschösterreich“. Das Staatswappen bestand aus einem einköpfigen Adler, „der auf dem Haupte eine goldene Mauerkrone mit drei sichtbaren Zinnen, im rechten Fange eine goldene Sichel mit einwärts gekehrter Schneid, im linken Fange einen goldenen Hammer“ trug. Zehn Jahre später bezeichnete dies die christlich-soziale „Reichspost“ als „Moskauer Bolschewikensymbole“ und den einköpfigen Adler als „zermalmte Spottfigur umstürzlerischer Einfaltspinsel“, dessen „künstlerische Umgestaltung“ sie forderte. Und so kam es auch: 1934 wurde dieser Adler durch einen doppelköpfigen ersetzt, Hammer und Sichel waren verschwunden. Alles sollte getilgt werden was an den verhassten „Parteienstaat“ erinnerte, die nimbierten (mit „Heiligenschein“ versehenen) Adlerköpfe symbolisierten die christlich-katholische Orientierung des „Ständestaates“.

„Ausgerechnet der prominente Haupteingang jenes Amtsgebäudes, das 1927 in Flammen aufging, als es Ziel von Arbeiterunruhen mit 89 Toten und über 1600 Verletzten war, ist bis heute mit drei derartigen Wappendarstellungen geschmückt“, bringt es Diem auf den Punkt.

Als Peter Diem 1992 den damaligen (parteilosen) Justizminister Nikolaus Michalek damit konfrontierte, antwortete dieser, dass die Doppeladler „den Ziergittern integriert und daher als Teil der künstlerischen Ausstattung zu betrachten (seien); sie könnten nur durch in gleicher Weise ausgeführte Wappen von heute ersetzt werden“. Dazu Diem: „Sie könnten? Nein, sie müssen ersetzt werden! Denn es ist gedanken- und würdelos, ein Gebäude wie den Justizpalast mit den Symbolen einer Diktatur zu schmücken.“

Ja, es gibt Wichtigeres als Symbole, auch in der Justiz. Aber es ist gewissermaßen eine Frage der Hygiene. Egal kann es uns nicht sein, womit sich der Justizpalast schmückt. Daher: Frau Justizministerin Zadić, Sie sind am Zug!

Dr. Thomas Höhne ist Rechtsanwalt in Wien und Gründungspartner der Kanzlei Höhne, In der Maur & Partner.

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