Hitzeflimmern

Katharina Kropshofer
Versendet am 21.06.2023

Es ist einer dieser Tage: Man kann nicht oft genug kalt duschen, die Mückenstiche des Vorabends nicht ausreichend mit kühlender Creme versorgen (ja, es wird ein Gelsenjahr) und wenn die Tiroler Verwandten Videos von Regengüssen schicken, wächst das Selbstmitleid ins Unermessliche. 

Irgendwie auch berechtigt: Die ersten Hitzerekorde und Tropennächte stehen ins Haus (sprich, die Temperaturen kühlen auch nachts nicht unter 20 Grad ab), dieses Jahr eigentlich überraschend spät. Die Klimakrise ist schließlich schon lange kein abstraktes Phänomen mehr, das wir spüren, wenn ab und an wilde Stürme oder lange Dürreperioden über die Länder ziehen; auch kein Problem ferner Länder oder der Zukunft, in der unsere armen Enkerl und Urenkerl klimapolitische Versäumnisse ausbaden müssen. 

Sie äußert sich ganz anders: An Nahrungsmittelpreisen, die nach oben schnellen, weil Ernten ausfallen. An Wintertourismusregionen, die vergeblich auf Touristen warten. Und eben auch in Form von gesundheitlichen Folgen: Hitzestress etwa, wenn Herz, Gehirn und Niere um Flüssigkeit konkurrieren. Sie hören bestimmt nicht zum ersten Mal, dass es mittlerweile mehr Hitze- als Verkehrstote gibt (falls doch, können Sie hier den preisgekrönten Artikel meines Kollegen Benedikt Narodoslawsky nachlesen). Schon bei 31 Grad kann man an den Folgen der Hitze sterben, vor allem wenn dazu noch wie heute eine hohe Luftfeuchtigkeit kommt - unser Schweiß kann dann nicht mehr verdunsten. 

Und es hört hier nicht auf: Neue Krankheitsüberträger wie die Tigermücke und womöglich auch die Tropische Riesenzecke haben sich in unseren Breiten etabliert; Allergien werden zunehmend stärker, sowie das Hautkrebsrisiko - einen vollen Bericht hat das Climate Change Center Austria hier veröffentlicht. 

Kein Wunder also, dass sich die Wiener Ärztekammer vergangene Woche solidarisch mit den Forderungen der Klimaaktivist:innen gezeigt hat: „Die Klimaaktivistinnen und -aktivisten erinnern uns als Bevölkerung ebenso wie die Bundesregierung auf möglicherweise ‚störende‘, aber immer friedliche und gewaltfreie Art und Weise, die selbst gesetzten und absolut notwendigen Klimaziele einzuhalten und umzusetzen“, heißt es in der Resolution. 

Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Klimaschutz-Maßnahmen bringen oft sogenannte Co-Benefits mit sich. Wer mit dem Rad fährt, verursacht weniger Emissionen und kümmert sich gleichzeitig um seine Herzgesundheit. Wer die Energiewende in der Industrie vorantreibt, verbessert auch die Luftqualität. Und wer Straßen redimensioniert, entsiegelt, trägt nicht nur zur Mobilitätswende und somit zur Reduktion klimaschädlicher Emissionen bei, sondern bremst das Artensterben, hilft wichtige Böden für die Landwirtschaft zu erhalten. 

Und trotzdem bricht Österreich auch hier traurige Rekorde: Wenn wir laut Umweltbundesamt immer noch zehn Hektar pro Tag versiegeln, also Häuser, Straßen, Gewerbeparks auf der grünen Wiese bauen, wertvolle Böden zubetonieren – und das auf einer Fläche von neun Fußballfeldern. Viermal so viel als das, was viele Expert:innen als Höchstwert definieren. 

Gestern tagte die Raumordnungskonferenz dazu – und scheiterte. Die Grünen beriefen sich auf Expert:innen, wollten, dass das 2,5 Hektar-Ziel - also bis 2030 nur noch maximal 2,5 Hektar pro Tag zu versiegeln - verpflichtend wird. Länder und Gemeinden lehnten das ab.

Man kann es aber auch so formulieren: Die Vertagung der Konferenz hat vielen auch Hoffnung gemacht – nämlich doch noch klimafreundliche und somit auch gesundheitsfreundliche Bodenpolitik durchzusetzen. 

Ich wünsche gute Abkühlung!

Ihre Katharina Kropshofer


Noch mehr Natur-News

An Naturschutz- und Klimathemen kommt dieser Tage übrigens niemand vorbei: Die EU-Umweltminister einigten sich gestern auf ein weitreichendes Naturschutzgesetz (die Grüne Klimaministerin Leonore Gewessler enthielt sich übrigens, “aus Respekt” den Bundesländern gegenüber - schließlich ist Naturschutz Ländersache). Es sieht unter anderem vor, bis 2030 zumindest 30 Prozent der Ökosysteme in schlechtem Zustand wiederherzustellen. 

Außerdem feierte die Umweltorganisation Greenpeace Österreich gestern ihr 40-jähriges Jubiläum. Dafür habe ich Geschäftsführer Alexander Egit interviewt, mehr dazu lesen Sie hier

Und meine Kollegin Eva Konzett schreibt, was ein Maisberg mit der Ukraine und der europäischen Nahrungssicherheit zu tun hat.  


Aus dem Falter

Sind Sie Fußballfan? Cool, ich auch nicht. Und trotzdem habe ich Daniela Krenns Reportage über die Rapid (ja, das sagt man so, weiß ich als Laie jetzt) sehr gerne gelesen. Als letzter großer österreichischer Fußballverein bekommt nun nämlich auch Rapid Wien eine Frauenabteilung. Der Falter war beim ersten Sichtungstraining für Mädchen.

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Podcast

Ich hatte vor kurzem selbst die Ehre, mit dem Science-Fiction-Autor Kim Stanley Robinson ein Gespräch zu führen (wenn auch nur via Mail). Eines der schönsten Gespräche, das ich seit langem gehört habe, finden Sie aber bei einem würdigen Konkurrenten: Ezra Klein, der Journalist der New York Times, hat sich in seinem Podcast ausführlich mit ihm unterhalten. Herausgekommen ist ein Gespräch über Berge, und (ich empfehle die zweite Hälfte) über Ungleichheit gesprochen - und was diese mit unserem Verhältnis zu Natur zu tun hat.

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