Das geklonte Paradies
Österreichs Wildnis wächst, ihr Herzstück - der Urwald - bleibt klein. Nur etwa 50 Menschen dürfen pro Jahr ins Innere vordringen. Nun soll's Ersatz für die anderen geben
Ein Ranger steht im Walde, ganz still und stumm. Der Wind fährt ihm durchs weiße Haar, seine Hand hat er in der Hosentasche vergraben, rings um ihn Wildnis. "Was hören wir grad?", fragt Reinhard Pekny, pausiert und sagt: "Einen unglaublichen Luxus: technische Stille."
Kein Handynetz, kein Verkehr, in Zeiten der Pandemie bleibt selbst Flugzeuglärm aus. Still ist es trotzdem nicht. Drosseln trillern, Finken zwitschern, Meisen singen und immer wieder übertönt sie der Ruf des Bussards, der über dem Wald kreist. Pekny blickt hinüber auf die Kitzmauer neben dem Dürrenstein, der sich jenseits des Tals erhebt. Dort hausen die Steinadler.
Hier im südlichen Mostviertel ist die Natur so intakt wie nirgendwo sonst in Österreich. Das "Wildnisgebiet" in den Kalkalpen genießt die höchste Naturschutzkategorie. 2017 hat die Unesco den niederösterreichischen Landstrich als Teil der "Alten Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas" zum einzigen Weltnaturerbe Österreichs gekürt. Im Osten des Wildnisgebiets Dürrenstein liegt sein Herzstück, der Rothwald. Seit dem Ende der Eiszeit entfaltet sich die Natur hier ohne Zugriff der Menschenhand.