Fehlende Medikamente: Eine Apothekerin schlägt Alarm - FALTER.morgen #520

Versendet am 28.02.2023

In den Apotheken fehlen weiterhin wichtige Antibiotika und Schmerzmittel – eine Pharmazeutin schlägt Alarm >> Die Stadt stoppt alle Förderungen für den umstrittenen Kindergartenträger Minibambini. Jetzt droht die Insolvenz. Aber was passiert mit den 800 Kids, die dort in Betreuung sind? >> Vogel der Woche: Der Seeadler

Wetterkritik: Im Finale findet der Februar endlich zu seiner Form – in der Früh frostig, unter Tags bis 6 Grad und dabei strahlend schön. Da gibt's nix zu meckern, nicht einmal für den passionierten Wetterkritiker.


Guten Morgen!

Wer nachts an die Tür einer Apotheke klopft, hat wahrscheinlich nicht nur einen Schnupfen. Wer nachts an die Tür einer Apotheke klopft, braucht vermutlich ziemlich dringend Medikamente. Aber wer derzeit auf dieses Service angewiesen ist, hat ein Problem. Denn die Medikamentenschränke in den Apotheken sind oft leer – und das lässt nicht nur Pharmazeuten verzweifeln. 

Vorige Woche berichtete eine Wiener Apothekerin dem FALTER von einem Nachtdienst: „Ich habe Eltern mit fiebernden Kindern an der Türe, die bereits etliche Apotheken abgeklappert haben, ich telefoniere mit dem Kinderspital und die diensthabenden ÄrztInnen fragen: ‚Was ist überhaupt noch lieferbar?’ Das System krankt sehr.”

Ich wolle von ihr wissen, wo das System krankt, wie die Menschen damit umgehen, wenn sie keine Medikamente bekommen und wie sie selbst mit dem Stress klarkommt. Das ganze Gespräch lesen Sie gleich unten.

Außerdem im heutigen FALTER.morgen: Die Stadt Wien stoppt die Zahlungen an den umstrittenen privaten Kindergartenträger Minibambini. Der Verein könnte dadurch in die Insolvenz schlittern. Soraya Pechtl erzählt Ihnen, was das für die 800 Kinder bedeutet, die dort derzeit in Betreuung sind. Und seit ziemlich genau zwei Jahren erscheint hier jeden Dienstag der „Vogel der Woche" (Wir gratulieren ganz herzlich!). Zum heutigen Jubiläum hat sich FaVoWa Klaus Nüchtern deshalb einen besonderen Vogel mit herausragender heraldischer Stellung ausgesucht.

Einen schönen Tag wünscht

Magdalena Riedl


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„Es wird alles auf den Patienten abgeladen“

Die Krise um nicht lieferbare Medikamente nimmt kein Ende. Eine Apothekerin erzählt.

Gängige Antibiotika sind derzeit knapp, Lieferengpässe und schlechte Kommunikation bereiten den Apotheken Schwierigkeiten. Was passiert, wenn ein fieberndes Kind Antibiotika braucht, die Regale aber leer sind? Ein Gespräch mit einer Wiener Apothekerin, die anonym bleiben möchte.

FALTER.morgen: Sie arbeiten in einer Apotheke in der Wiener Innenstadt. Wie sieht dort aktuell ein Bereitschaftsdienst aus?

Apothekerin: Normalerweise beginnt ein Bereitschaftsdienst damit, dass man mal nachschaut: Was haben wir im Lager? Normalerweise ärgert man sich dann, wenn es vom wichtigsten Antibiotikum, also vom Augmentin, nur mehr ein, zwei Flascherl gibt. Wenn man aber jetzt – wie ich vorletzten Sonntag – in den Schauschrank schaut, wo die Antibiotika mit „A“ gelagert sind, sieht man leere Regale. Und das ist nicht neu, das geht schon längere Zeit so und ist besonders tragisch, wenn es einen Wochenend- oder Nachtdienst betrifft. Da passiert es, dass ein Elternteil mit Kind bei uns klingelt, die ein Rezept für ein Antibiotikum vom Kinderspital dabeihaben. Und man hat vielleicht noch ein letztes kleines Fläschchen, das nicht einmal ausreicht, weil das Kind das Antibiotikum für zehn Tage nehmen sollte, während wir nur mehr die Vier-Tage-Version haben. Befreundeten Familien sage ich: „Bitte entsorgt eure abgelaufenen Medikamente noch nicht… wer weiß, ob ihr sie noch brauchen könnt.“

Leere Arzneimittelschränke und Medikamentenladen sind derzeit keine Seltenheit in Apotheken © APA/EXPA/ STEFANIE OBERHAUSER

Wie geht man mit so einer Situation um?

Dann telefoniert man mit dem Kinderspital und denkt sich: Das geht jetzt schon einige Wochen so, eigentlich müssten die wissen, dass dieses Antibiotikum kaum verfügbar ist. Die vom Spital sagen dann: „Was gibt es denn überhaupt noch?” Dann zählt man ihnen auf, was noch im Schrank steht, während sie sagen: „Nein, das kann ich nicht gebrauchen. Dann werden wir wahrscheinlich Infusionen geben müssen.” Das ist dann ganz besonders schlimm, wenn man sich denkt: Das Kind hat eine normale Bronchitis, das hätte man ganz normal behandeln können, aber es funktioniert nicht. Auch Leuten, die vom zahnärztlichen Notdienst kommen – mit einem Rezept für genau das Antibiotikum, das es schon länger nicht gibt – kann man nur sagen: „Telefonieren Sie die anderen Apotheken durch. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass wir was finden. Sonst müssen Sie wieder mit dem Zahnarzt sprechen, was Sie nehmen dürfen.”

Wie oft passiert es denn, dass jemand kommt und ein Antibiotikum nicht verfügbar ist?

Diesen Sonntag sind tagsüber ungefähr 80 Leute in die Apotheke gekommen, in der Nacht dann zehn. Von denen hätte ein Viertel Antibiotika gebraucht. Das ist für den Sonntag eine durchschnittliche Anzahl. Bei Schmerzmitteln haben wir auch Probleme. Zum Beispiel bei den Novalgin-Tropfen. Die sind schon ewig nicht lieferbar, das Generikum dazu gibt es in Tablettenform, manchmal in anderer Packungsgröße als Tropfen. Wir wurschteln das halt irgendwie zusammen, damit wir es auf Kasse verrechnen können und der Patient irgendwie zu seinem Medikament kommt.

Wo hakt es hier? Gibt es auch ein Kommunikationsproblem zwischen Apotheken und Ärzten?

Das Problem ist, dass die Leute nicht informiert sind. Es wird alles auf den Patienten abgeladen. Die Ärzte wissen, dass der Bestand knapp ist. Aber sie schauen meistens nicht in der Online-Liste nach, was verfügbar ist. Sie bereiten die Patienten auch nicht vor, indem sie ihnen sagen: „Rufen Sie erst wo an, bevor Sie hinfahren, es kann sein, dass es nicht lieferbar ist.” Sie entlassen den Patienten einfach mit dem Rezept. Bis vor ein paar Wochen war auch immer noch die Möglichkeit da, dass man das Antibiotikum gegen ein anderes - mit den gleichen Inhaltsstoffen - austauschen konnte. Aber das ist momentan auch nicht möglich. Man erreicht die Ärzte kaum, am Wochenende oder im Nachtdienst sowieso nicht. Und wir dürfen dann nicht entscheiden, etwas anderes herzugeben.

Kommt es gerade dazu, dass Leute aus Angst vor der Medikamentenknappheit Medikamente horten?

Ja, das höre ich von verschiedenen Kollegen. Als es hieß, die Antibiotika werden knapp, hat man gemerkt, dass die informierten Leute sich Antibiotika für die ganze Familie besorgen. Informierte Leute sind in diesem Fall Ärzte und ihre Familien. Das ergibt dann eine Form der Zwei-Klassen-Medizin: Da sind diejenigen, die es sich leisten können, Medikamente zu kaufen und sie später wegzuschmeißen, wenn man sie doch nicht gebraucht hat. Und diejenigen, die das Geld dafür nicht haben.

Was wünschen Sie sich von der Apothekerkammer?

Ich würde mir wünschen, dass sie sagen: „Wir haben ein Problem, das Personal in den Apotheken ist überdurchschnittlich stark belastet. Wenn man ein Drittel des Tages damit verbringt, Medikamente von irgendwoher zu beschaffen, kann die normale Arbeit eigentlich nicht geleistet werden.“ Aber momentan beschwichtigt die Apothekerkammer nur. Während Corona sei es schlimmer gewesen. Es stimmt schon, dass es manche Blutdruckmittel nicht gegeben hat, weil Lieferketten ausgefallen sind. Aber das konnte man ausgleichen. Aber dass es wie jetzt Wirkstoffe gar nicht gibt, daran kann ich mich in den ganzen 20 Jahren, die ich arbeite, nicht erinnern. Es wird nicht besser.

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Kindergarten

Soraya Pechtl

Betreuungslücke?

Nach mutmaßlichem Fördermittelmissbrauch stoppt die Stadt die Zahlungen an den privaten Kindergartenträger Minibambini. Der Verein könnte Konkurs gehen. Was passiert dann mit den 800 Kindern, die dort betreut werden?

Jetzt also doch: Bisher wollte Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) die Zahlungen an den privaten und in Verruf geratenen Kindergarten Minibambini nicht einstellen. Gestern gab es dann eine Kehrtwende: „Es gibt einen sofortigen Förderstopp und die Fördervereinbarung mit Minibambi wird mit Ende März gekündigt, verkündete Wiederkehr bei einer Pressekonferenz. 

Das weckt erstmal unschöne Erinnerungen: Als die Stadt 2016 die Förderungen für den private Kindergartenträger „Alt Wien stoppte, weil dieser die Gelder missbräuchlich verwendet haben soll, drohten über 2.000 Kindern der Verlust ihre Betreuungsplätze. Hunderte Eltern demonstrierten vor dem Rathaus dagegen. Droht Minibambini dasselbe Schicksal? Was passiert mit den 800 Kindern, die derzeit einen der zwölf Wiener Standorte besuchen? Und warum stoppt Wiederkehr ausgerechnet jetzt die Zahlungen? 

800 Kinder sind bei Minibambini in Betreuung. Wie geht es mit ihnen weiter? © APA/dpa/Armin Weigel

Welche Vorwürfe stehen im Raum?

Das Image des privaten Kindergartenträgers Minibambini ist seit Mitte Jänner angekratzt: Der Stadtrechnungshof berichtete damals, dass Minibambini zwischen 2019 und 2021 BMW-Limousinen als Dienstfahrzeug genutzt, Scheinfirmen mit Essenslieferungen beauftragt und In-Sich-Geschäfte abgewickelt haben soll. Das Brisante: Minibambini erhielt in dem Zeitraum 15,6 Millionen Euro Förderungen von der Stadt. Die Opposition sah einen Skandal und sprach Wiederkehr sogar das Misstrauen aus. 

Der Vizebürgermeister beauftragte die MA10 (Kindergärten) und einen Wirtschaftsprüfer damit, den Verein zu durchleuchten. Einen Stopp der Förderungen sollte es aber nicht geben: „800 Kinder auf die Straße zu setzen wäre nicht verantwortungsvoll”, sagte Wiederkehr bei einer Pressekonferenz Ende Jänner. 

Jetzt liegen die Ergebnisse der Sonderprüfung vor, und damit hat sich offenbar einiges geändert. Zum einen hätten sich die Vorwürfe des Stadtrechnungshofs bestätigt und zum anderen habe Minibambini das mutmaßlich „betrügerische” System auch im Jahr 2022 weitergeführt. Bis zuletzt soll der Verein Verträge mit Scheinfirmen geschlossen haben. 

Die Konsequenzen: Die MA10 hat eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt, der private Träger muss mehrere Hunderttausend Euro Förderungen rückerstatten und weitere Zahlungen wird es nicht geben. Wiederkehr geht davon aus, dass Minibambini in weiterer Folge Insolvenz anmelden wird. Minibambini hat sich auf FALTER.morgen-Anfrage dazu bislang nicht geäußert. 

Werden die Kinder jetzt auf die Straße gesetzt?

800 Kinder besuchen derzeit einen der zwölf Kindergartenstandorte von Minibambini. Geht der Verein Konkurs, könnte entweder ein oder mehrere anderer Träger die Standorte übernehmen (wie es bei den Alt-Wien-Kindergärten der Fall war) oder die Eltern müssen für ihren Nachwuchs einen neuen Betreuungsplatz suchen. 

Die gute Nachricht: Die Kinder werden natürlich nicht auf die Straße gesetzt. „Wir können garantieren, dass es genug freie Kindergartenplätze in Wien gibt”, sagte Wiederkehr.

Die schlechte: Unklar ist, ob der neue Platz „gleich gut sein wird wie der alte. Es könnte etwa sein, dass der neue Kindergarten weiter weg ist (wobei es auch freie Plätze in der Gegend geben soll) oder andere Betreuungszeiten hat. Und die Kinder müssen erst mal in ihrem neuen Umfeld zurechtkommen. 

Wenn Ihr Kind bei Minibambini in Betreuung ist, können Sie sich zwischen 7:30 und 20:00 Uhr an die Hotline 01 90 500 20 wenden. Mitarbeiter der MA10 helfen Ihnen dann, eine Lösung zu finden. 


Stadtnachrichten

Die Stadt Wien richtet einen Schutzschirm für die Wien Energie ein. Ab Mai sollen zwei Milliarden Euro für das städtische Unternehmen zur Verfügung stehen. Das Geld soll die Kreditlinie des Bundes ersetzen, die Ende April ausläuft und darf „ausschließlich zur Absicherung von Energiegeschäften an der Energiebörse” (sogenannte Marginzahlungen) verwendet werden, wie es in einer Aussendung heißt. Die Laufzeit des Schutzschirms beträgt zwei Jahre und könnte um ein weiteres Jahr verlängert werden. Während dieser Zeit darf die Wien Energie keine Gewinne ausschütten. 

Die rot-pinke Koalition wird den Schutzschirm am 23. März im Gemeinderat beschließen. SPÖ und NEOS forderten gestern zudem erneut einen bundesweiten Schutzschirm.


Stadtgeschichten

Vorige Woche hat es Ingrid Haberhauer wieder einmal probiert – ist aber wie immer am Portier gescheitert: Seit Beginn der Pandemie vor nunmehr drei Jahren bleibt der pensionierten Investmentberaterin und ihrem Mann die gewohnte Spazierrunde auf der Baumgartner Höhe verwehrt. Das Gelände der Klinik Penzing, besser bekannt unter seiner alten Bezeichnung Otto-Wagner-Spital auf den Steinhofgründen, ist abgesperrt. Zur Kirche am Steinhof, wo sie immer gerne gesessen ist, kommt man nur umständlich über einen Trampelpfad entlang der Außenmauer. „Das ist doch eine Frechheit“, ärgert sich Frau Haberhauer. Einmal hat sie sogar versucht, sich durch einen der Eingänge zu schleichen, aber nix da: „Sofort ist ein Wachtler aus dem Häusl herausgesprungen wie der Teifl aus der Kist‘n“.

Ingrid Haberhauer mit Ehemann Rudolf vor dem gesperrten Eingang zum Park der Klinik Penzing: „Das ist doch eine Frechheit“ © FALTER/Staudinger

Begründung für die Sperre: Die Covid-Maßnahmen. Auf dem Gelände befinden sich neben dem Krankenhaus und seinen Pavillons nämlich auch die PCR-Testlabors von Lifebrain.

Nachfrage im Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) – warum ist am Steinhof immer noch zu? Ohnehin nicht immer, heißt es dort. Zwischen Freitag, 15 Uhr und Montag früh sei das Gelände bereits längst frei zugänglich. Mit dem morgigen Ende der Maskenpflicht in Öffis und Apotheken sowie der PCR-Testpflicht in Spitälern und Gesundheitseinrichtungen würden auch diese Beschränkungen fallen, allerdings nur schrittweise im Laufe des März, weil noch diverse Absperrungen abgebaut werden müssen.

Dann kann Frau Haberhauer wieder spazieren gehen. Der Teifl bleibt in der Kist’n. (M.St.)


Frage des Tages

Was meint die Bezeichnung Küssenpfennig?

1. Ein im Mittelalter in Wien verbreiteter Nachname, der auf geizige Personen anspielte

2. Ein Spiel, bei dem der Verlierer einen Pfennig küssen musste (Küss den Pfennig)

3. Eine abwertende Bezeichnung für Bettler

Auflösung von gestern: Der Komponist Richard Strauss widmete dem Schlagobers (nicht der Hüpfdohle oder der Weinlese) ein „heiteres Ballett in zwei Aufzügen“.


Event des Tages

Lisa Kiss

Theater

Aus Arthur Kipps wird wirklich kein Schauspieler mehr. Also engagiert er einen, um seine albtraumhaften Erinnerungen nachzustellen und endlich damit fertig zu werden. Hofft er zumindest. „Die Frau in Schwarz“, das Spukdrama von Stephen Mallatratt nach Susan Hills Gruselroman, ist nun in der Inszenierung von Sam Madwar zu sehen. Thomas Kamper gibt den Kipps, der in dieser Art „Familienaufstellung“ alle anderen Rollen übernimmt; Thomas Marchart als der Mime fügt sich in die gruseligen Erlebnisse des jungen Kipps prächtig ein, Geistersichtung inbegriffen. (Peter Blau)

Scala, 19.45


Buchtipp

Ana Marwan: Verpuppt

„Verpuppt“ bietet ein kunstvolles Spiel mit Realität und Täuschung. Der Geschichte verschwindet bisweilen der Boden unter den Füßen, ohne dass sie komplett abdriften würde. Marwan versteht ihr Handwerk. Und sie kann auch wahnsinnig unterhaltsam schreiben. So enthält der Roman etwa eine der komischsten Psychiatriefluchtszenen der jüngeren Literaturgeschichte. (Sebastian Fasthuber)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at


Vogel der Woche

XXXL:

Der Seeadler

Am 26. Februar 2021 erschien in der FALTER.morgen-Ausgabe #21 zum ersten Mal die Rubrik „Vogel der Woche“. Protagonistin dieser Welturaufführung war übrigens die Wacholderdrossel, die man derzeit wieder in den Baumwipfeln hocken sehen und rätschend Radau machen hören kann.

Alles andere als ein Allerweltsvogel: Der Seeadler © FALTER/Nüchtern

Hätte man mich damals nach der prognostizierten Laufzeit dieser wöchentlichen Serie gefragt, hätte ich ihr gewiss keine zwei Jahre gegeben. Ja, schon klar, die Artenliste der Vögel Österreichs umfasst aktuell 443 Arten, aber an welchem Vogelhäuserl dieses Landes wurde je eine Bergkalanderlerche oder eine Lasurmeise gesichtet? Und wer hat  von der Rüppellseeschwalbe auch nur gehört?  

Immerhin: Von Amsel bis Zaunkönig wurden in der genannten Zeit an die hundert VDWs vorgestellt. Fast ausnahmslos Allerweltsvögel wie die soeben Genannten, aber das war und ist ja auch Ziel und Zweck dieser Kolumne: Aufmerksamkeit auch jenen Vögeln zuteil werden zu lassen, die auf selbstverständliche und vielfach unbemerkte Weise Bestandteil unseres Alltags sind.

Nichtsdestotrotz habe ich mir für die heutige Ausgabe einen Vogel ausgesucht, dessen  Besonderheit schon durch seine herausragende heraldische Stellung belegt ist: Immerhin zeigen das österreichische Bundeswappen so wie vier von neun Wappen der österreichischen Bundesländer einen Adler – von Westen nach Osten: Tirol, Oberösterreich, Niederösterreich und das Burgenland.

Anhand der symbolisch-abstrahierenden Darstellung ist es natürlich nicht auszumachen, um welche Art es sich dabei handelt. Würde man diese aber gleichsam habitatrealistisch interpretieren, müsste es sich in den westlichen beiden Bundesländern um einen Stein-, in den zwei östlichen um einen See- oder Kaiseradler handeln. Auf der vor vier Jahren herausgekommenen 90-Cent-Sonderbriefmarke der Österreichischen Post ist jedenfalls tatsächlich ein Seeadler zu sehen. 

Unter all den leider nur allzu realistischen „Horror Stories“ über Artensterben und abnehmende Biodiversität bietet der Seeadler Anlass, endlich auch einmal eine Erfolgsgeschichte zu erzählen. Haliaeetus albicilla war hierzulande ab den 1970er-Jahren nämlich tatsächlich ausgestorben, ehe Anfang der 2000er Bruterfolge im burgenländischen Seewinkel und im Nationalpark Donau-Auen registriert werden konnten. Der gegenwärtige Bestand beläuft sich bundesweit auf etwa 45 Brutpaare.

Mit einer Spannweite von bis zu zwei Metern dreißig ist der Seeadler der größte europäische Adler, wenn auch nicht der größte heimische Greifvogel (der Bartgeier bringt es fast auf drei Meter).

Der Zeitpunkt, den Seeadler just jetzt vorzustellen, ist übrigens gar nicht schlecht gewählt, denn Mitte Februar erfolgt die Ablage von in der Regel zwei bis drei Eiern, die dann rund 38 bis 40 Tage bebrütet werden – und zwar unter Beteiligung der Männchen. Charakteristisch für den braungefiederten Seeadler sind die breite, brettartige Flugsilhouette mit den langfingren Handschwingen, der große gelbe Schnabel und der keilförmige und – bei adulten Vögeln – rein weiße Schwanz (der ihn auch vom Kaiseradler unterscheidet). Die gemütlichste Seeadlersichtung ist dem FaVoWa übrigens von der Konditorei Karlo am Hauptplatz von Illmitz gelungen. Die fraglos majestätische Ausstrahlung des Seeadlers lappt mitunter allerdings auch ein wenig ins beknackt Wilhelminische.

Übrigens: Klaus Nüchtern zwitschert als @ClousInTheSky auf Twitter.


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