Löcher im Licht: "Die Fabelmans", Steven Spielbergs Oscar-nominierte Autofiktion

Drehli Robnik
FALTER:Woche, FALTER:Woche 10/2023 vom 08.03.2023

In Steven Spielbergs Coming-of-Age-Film "Die Fabelmans" dreht sich alles, auch die Kommentare seiner Schwestern, heiter bis melancholisch um einen Buben in den 1950ern und 1960ern. White-Middle-Class-Familie aus New Jersey zieht nach Arizona, dann Los Angeles: Dad, ein softer Nerd, macht Karriere als Computerentwickler; Mum, ein Schrull, verzichtet der Familie wegen auf die ihre als Pianistin, bald aber nicht mehr auf ihre Liebe. Der Bub erlebt Bullying und Schmusen in der Schule und macht sein Hobby zum Beruf.

Das ist dramatisch, schematisch, eh schön. Vor allem sind die Fabelmans die Spielbergs: Das Autobiopic erzählt, wie ein kleiner, später junger Jude zu einem Filmemacher wird, der in seinen Klassikern oft mit einer Popversion des mosaischen Bildverbots hantiert: Anders als die christliche Anbetung der Licht-Offenbarung ist Spielbergs Blick indirekt, gebrochen -in "Duell", bei Indiana Jones, in Filmen, die, so wie diesen, Tony Kushner mitgeschrieben hat ("Munich", "Lincoln"). Der Bub dreht Schmalfilme; sie werden ihm zum Mittel, seine Angst-und Schmerzerfahrungen bearbeitend durchzuspielen: von zehn Sekunden Modelleisenbahnkollision bis zur Rache an Highschool-Antisemiten -dadurch, dass sein Schulausflugsfilm sie larger than life zeigt, bis es wehtut.

Initiation ins Kino: Steht dabei Dad (Paul Dano) für Technik und Mum (Michelle Williams) für Kunst? Nun, eher verkörpert Dad Kontinuität: immer weiter (ohne "The End", sagt er), auf Basis der Speicherplatzerweiterungen, die er erfindet und in denen Kino heute nachlebt. Mum aber steht für Schnitt, Unterbrechung, Löchern des Lichts: von Chanukka-Lichtern, die tageweise, kleinweise kommen (nicht als Big-Christmas-Moment), über das Loch im Ablauf als Effekt, den der Bub von Mums Notenblatt lernt, bis zu ihrem Tanz im Scheinwerferlicht ("Don't look!") spinnt das Spiel mit der Fabel einen Faden, der reißt.

Am Ende gibt ein einäugiger Hollywood-Filmregiegigant dem Buben Ezzes in Sachen Horizont, der Bilder durchschneidet: Es ist to be seen.

Ab 9.3. in den Kinos (OmU im Votiv)

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