Wo man zwischen Rot und Grün grau wird

Wie eine ärgerliche Ampel im 2. Bezirk die Leute zusammenbringt und für einen amüsanten schriftlichen Dialog zwischen Wartenden sorgt.

vom 14.01.2022

„Ich warte hier 2 Wochen pro Jahr. Habe hier meinen Mann kennengelernt und 2 Kinder gezeugt“, schreibt eine genervte Passantin. (© Oskar Schmid)

Wer in der Stadt wohnt, hat fast zwangsläufig eine tägliche Begegnung, die sich nicht vermeiden lässt – auch wenn man das gerne hätte, weil sie einen aufhält, und zwar (gefühlt) viel zu lange. Nein, die Rede ist nicht von nervigen Leuten, die kann man ja meistens irgendwie umgehen. Nervige Ampeln hingegen kaum: Sie stehen jeden Tag im Weg, 24 Stunden lang, 365 Tage im Jahr, und man könnte fast auf die Idee kommen, sie hätten eine Persönlichkeit, wenn man nicht wüsste, dass sie von irgendeinem Algorithmus in irgendeiner Leitzentrale gesteuert werden.

Eine, die besonders nervt (ich weiß das aus eigener Erfahrung) regelt den Verkehr an der Brigittenauer Lände nahe dem Siemens-Nixdorf-Steg. Genauer gesagt: Sie regelt es, dass der Kraftfahrzeugverkehr möglichst ungehindert Richtung Norden aus der Stadt hinausfließen kann, während Fußgänger und Radfahrer vor dem Zebrastreifen beim Warten auf ihre Grünphase ein beträchtliches Stück an ihr Regelpensionsalter herangeführt werden.

Dass es nicht nur mir so geht, hatte ich schon vermutet – jetzt wird es durch einen amüsanten Dialog bestätigt, den Passantinnen und Passanten seit ein paar Tagen auf aufgeklebten Zetteln führen.

Weil man es auf dem Foto möglicherweise nicht so gut erkennen kann, hier die Texte zum Lesen:

„Diese Ampel ist immer ROT. Ich warte hier 2 Wochen pro Jahr. Habe hier meinen Mann kennengelernt und 2 Kinder gezeugt. Danke, Stadt Wien!“

„Diese Ampel wird alle 100 Sekunden grün, wenn man drückt, dann haben die Autos eine grüne Welle. Ich habe meine Freundin auf Tinder kennengelernt und wir haben keine Kinder.“

„Auch ich verbringe jährlich zwei Wochen an dieser Ampel. Das sind ungefähr 20160 Minuten jedes Jahr und 161280 Minuten, seitdem ich hier arbeite. Leider habe ich noch keinen Mann kennengelernt und bin auch nicht über Tinder fündig geworden. Zum Glück habe ich noch keine Kinder.“

„Seit ich meinem Gspusi (welchen ich auf Tinder kennengelernt habe) erzählt habe, dass die Ampel immer rot ist, ist die Ampel immer grün, sobald ich mit ihm in die Nähe komme. Ich habe keine Kinder, nur einen Hund und eine furzende Mitbewohnerin. GaLiGrü“

Mutmaßlich ist die Ampel an der Brigittenauer Lände nicht die einzige, die so viele Leute nervt. Haben Sie auch eine? Geben Sie uns unter morgen@falter.at Bescheid – und wir porträtieren die drei mit den meisten Nennungen.

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