Ein Hauch von Hainburg

Was als eintägige Protestaktion gegen die Stadtstraße begann, wächst sich zur Dauerbesetzung aus.

Paul Sonnberger
vom 06.09.2021

Foto: FALTER/Sonnberger

Ein Hauch von Hainburg liegt über der Donaustadt: Dort, wo künftig die Stadtstraße durch die Felder schneiden soll, entsteht ein Zeltlager. 37 Jahre nach der Besetzung der Hainburger Au richten sich Aktivistinnen und Aktivisten wieder darauf ein, mit einer dauerhaften Protestaktion ein Bauvorhaben zu verhindern, das aus Umweltschutzgründen höchst umstritten ist.

Diesmal sind es Aktivistinnen und Aktivisten von Extinction Rebellion und Fridays For Future, die dafür sorgen, dass die Bagger stillstehen müssen. Eigentlich war nur eine eintägige Protestaktion geplant, mittlerweile übernachten aber dutzende junge Menschen auf der Baustelle und blockieren den Weiterbau.

„Die alten SUV-Fahrer zerstören meine Zukunft”, sagt ein junger Demonstrant. Er steht auf einem Erdhügel und blickt auf den vorbeirauschenden Pendlerverkehr. Wie die meisten hier trägt er einen Ganzkörperoverall und eine Maske. „Das schützt uns gegen den Staub und bewahrt unsere Anonymität”, erklärt er.

Bei einer Führung durch das Camp, das in drei Zeltlager aufgeteilt ist, fällt gleich auf: Die Demonstrantinnen und Demonstranten sind gekommen, um zu bleiben. Inzwischen wurde sogar ein eigener Küchenbereich eingerichtet. Die Versorgung mit Lebensmitteln übernehmen Anrainerinnen und Anrainer.

Beim Eingang zu Camp zwei wird unterdessen fleißig gezimmert: „Wir bauen hier ein Eingangstor für unser Zeltlager”, erzählt ein Student aus Deutschland, der heute das erste Mal übernachten möchte. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass die Holzkonstruktion dazu dienen soll, die Polizei bei einer allfälligen Räumung zu behindern.

Bis jetzt deutet aber nichts auf eine Konfrontation hin. „Die Kommunikation mit den Besetzern läuft einwandfrei”, lässt der Baustellenbetreiber, die Asfinag, ausrichten. Man lässt die Besetzer machen, die Polizei hat keinen Grund zum Einschreiten.

Dennoch ist die Besetzung der Stadtstraße eine Zäsur zumindest für Fridays For Future: Zum ersten Mal übt die Bewegung mit dieser Aktion zivilen Ungehorsam. Erst im Juli hat sie dafür ihre internen Statuten geändert – dazu gibt es im aktuellen FALTER auch eine Analyse meines Kollegen Benedikt Narodoslawsky.

Doch was wollen die Umweltaktivisten? Fridays For Future und Extinction Rebellion fordern einen sofortigen Baustopp der Stadtstraße. Das Argument der Stadt Wien, die neu gebaute Straße würde den innerstädtischen Verkehr entlasten, zieht bei ihnen nicht. Gefordert wird ein rascher Ausbau von Radwegen und öffentlichen Verkehrsmitteln: „Das Problem bei öffentlichen Verkehrsmitteln ist immer die letzte Meile. Es braucht alle 200 Meter eine Bushaltestelle, um den Leuten umweltfreundliche Mobilität so angenehm wie möglich anbieten zu können”, sagt ein Besetzer. Fridays For Future setzt sich darüber hinaus für ein Klimagesetz ein, in dem festgelegt werden soll, wie hoch der jährliche Emissionsausstoß Österreichs sein darf.

Donnerstagabend veranstalteten die Campbewohner ein Mini-Festival. Die Hirschstettner Straße wurde dafür von der Polizei abgesperrt. Nach und nach versammelten sich immer mehr Menschen, die zu Hip-Hop-Beats tanzten und für mehr Klimaschutz demonstrierten. Von vielen war zu hören, man müsse einfach radikaler sein. Es sei nicht in Ordnung, dass Autos und neue Straßen unsere Leben in 20 Jahren verbocken.

Einzig und allein der Dieselgenerator am Rande des Zeltlagers, den die Besetzer für die Stromerzeugung brauchen, erinnert daran, dass das mit der Radikalität nicht immer so einfach ist.

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