Soll ich mein Kind im Herbst gegen Corona impfen, Frau Dr. Hutter?

Wir haben Dr. Caroline Hutter gefragt, ob es Sinn macht, Kinder vor dem Schul- oder Kindergartenstart gegen Corona impfen zu lassen oder ob es besser ist, auf den angepassten Impfstoff zu warten

Barbara Fuchs
07.09.2022

Foto: Unsplash

Kind in Wien: Frau Dr. Hutter, der Herbst ist da, Kinder starten wieder in den Kindergarten oder die Schule, soll ich also mein Kind in Hinblick auf die vielen Kontakte impfen lassen?

Hutter: Das hängt davon ab, ob und wie viele Impfungen ihr Kind schon bekommen hat. In Österreich empfiehlt das Nationale Impfgremium eine Grundimmunisierung aller Kinder ab 5 Jahren: Das sind insgesamt 3 Impfungen nach dem sogenannten 2+1-Schema, ähnlich wie bei der Pneumokokkenimpfung oder Sechsfachimpfung. Diese Impfungen soll man übrigens unabhängig von durchlaufenen Corona-Infektionen machen. Eine 4. Impfung wird für Kinder ab einem Alter von 12 Jahren empfohlen, allerdings hat das zu einigen Diskussionen geführt.

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Privatdozentin Dr. Caroline Hutter, PhD

Kinderfachärztin der Kinderarztpraxis Schumanngasse

KIWI-Expertin

Kind in Wien: Oder ist es besser, auf den angepassten Impfstoff zu warten?

Hutter: Eher nicht. Die EMA hat am 1. September zwar die ersten neuen Impfstoffe zugelassen (bivalente Impfstoffe von Moderna und Pfizer) - allerdings sind diese noch an Omikron BA.1. angepasst, nicht an die derzeit vorherrschende Variante BA.5 - für diese Impfstoffe laufen in Europa gerade erst die Zulassungsverfahren. Ich denke, ein aufrechter Impfschutz ist wichtiger als eine Anpassung an einen bestimmten Subtyp. Die jetzt vorhandenen Impfstoffe geben sie nach wie vor einen Schutz vor schweren Verläufen.

Kind in Wien: Sind die angeblichen „milderen“ Varianten auch für Kinder milder?

Jein. Die neuen Varianten verursachen weniger schwere Erkrankungen bei Kindern. Aber: Insgesamt waren in den USA während der Omikron-Welle im Frühling viel mehr Kinder stationär aufgenommen als bei den vorhergehenden Coronavirus-Wellen. Warum das so ist, ist nicht ganz klar. Eine Erklärung ist die höhere Ansteckungsrate von Omikron, dadurch mehr Infektionen bei Kindern, gekoppelt mit fehlendem Schutz durch eine Impfung oder abgelaufene Infektion. Generell waren diese Kinder meist nicht schwer erkrankt, mussten also beispielsweise nicht beatmet werden.

Was man derzeit noch nicht definitiv sagen kann, ist, ob PIMS, ein Hyperinflammationssyndrom, das einige Wochen nach COVID auftreten und zu schwerer Erkrankung führen kann, bei den neueren Virusvarianten weniger häufig auftritt. Auch zu Long COVID gibt es noch nicht ausreichend Daten.

Kind in Wien: Was würden Sie von einer Aufhebung der Quarantänepflicht halten?

Inzwischen haben wir eine Verkehrsbeschränkung. Das bedeutet, man darf auch als infektiöse Person unter Leute gehen, ins Konzert, Einkaufen und in die Arbeit. Allerdings muss man durchgehend eine FFP2-Maske tragen. In der Theorie kann so etwas schon funktionieren, in der Praxis glaube ich eher nicht – wir werden so sicher die eine oder andere Infektion übertragen, die leicht zu vermeiden gewesen wäre.

Kind in Wien: Welche Schutzmaßnahmen würden Ihrer Meinung nach in den Schulen/Kindergärten wirklich etwas bringen?

Das Virus wird vor allem durch das Einatmen übertragen. Eine möglichst hohe Frischluftzufuhr in Klassenräumen und Kindergartengruppen ist daher eine der besten Schutzmaßnahmen, um eine Ansteckung zu verhindern.

Es gibt unterschiedliche technische Möglichkeiten, wie man das erreichen kann. 

Raumlufttechnische Anlagen sind nur sinnvoll, nur wenn sie möglichst viel frische Luft zuführen statt alte Luft recyclen. Zusätzlich sollten sie mit HEPA-Filtern ausgestattet sein und müssen regelmäßig gewartet werden.  Es gibt aber auch einfachere, sehr effiziente Systeme.  Das Max-Planck-Institut für Chemie hat beispielsweise hat ein low-cost Ventilator-Fensterlüftungssystem für Klassenräume entwickelt, das bereits in mehreren Hundert Schulklassen in Deutschland eingesetzt wird.  Die TU Graz hat in einer Grazer Schule gezeigt, dass man wirkungsvolle Abluftsysteme in Schulen und Kindergärten selber kostengünstig bauen kann. 

Ein Minimum für jede Klasse/Raum sind CO₂-Sensoren, die ein Anhaltspunkt für die Luftqualität sind. Ab einer bestimmten CO₂-Menge in der Luft könnte man dann zumindest durch Stoßlüften die Luftqualität in Schulklassen und Kindergartenräumen verbessern. 

Was Masken betrifft, wenn sie ordentlich getragen werden, sind sie sehr wirksam. Im Kindergarten ist das denke ich illusorisch, und auch in den Schulklassen ist die Akzeptanz nicht mehr gegeben. Je nach Infektionsgeschehen im Herbst ändert sich das vielleicht.


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