Auch Ex-Skirennläufer Benjamin Raich war zum Heliskiing unterwegs, auf dem Foto allerdings im Kaukasus – auch dort bietet die Vorarlberger Firma Wucher Flüge an.

Foto: Wucher Helicopter

Bregenz/Wien – Der 2.652 Meter hohe Mehlsack und das Schneetäli mit 2.450 Metern sind die einzigen zwei Berge, die in Österreich für Heliskiing angeflogen werden. Beide Gipfel befinden sich in der Umgebung des Skigebiets Lech/Zürs am Arlberg – nach einer etwa einstündigen Abfahrt schwingen die Heliskifahrerinnen und -skifahrer im kleinen Ort Zug bei Lech ab. Die Kosten für drei Passagiere mit einem Bergführer: 490 bis 550 Euro, je nach Startpunkt. Pro Saison, die von Dezember bis Ende Mai dauert, gebe es in etwa 250 Flüge.

Go mit Einschränkung

All das soll auch in Zukunft möglich sein. Denn am Mittwoch gab Christian Gantner (ÖVP), der als Vorarlberger Landesrat unter anderem für Tourismus und Regionen zuständig ist, grünes Licht für weiteres Heliskiing: Die luftfahrtrechtliche Bewilligung für die Durchführung von Heliskiflügen wird per Bescheid bis Ende Mai 2024 – und nicht wie laut Ansuchen für fünf Wintersaisonen – erteilt. Die letzte Bewilligung, die im November 2016 erteilt wurde, war Ende Mai 2021 ausgelaufen. Die Betreiberfirma Wucher hat im vergangenen Herbst einen neuerlichen Antrag eingebracht.

Offener Brief von Umweltorganisationen

Zuvor gab es umfangreiche Kritik, etwa einen offenen Brief von Naturschutz- und Umweltorganisationen (unter anderen mit dabei der Alpenverein, Birdlife und der Naturschutzbund), die die Touristenattraktion für "extrem problematisch" halten. Aspekte des Klimaschutzes würden nicht berücksichtigt, obwohl sich die schwarz-grüne Landesregierung dazu im Regierungsprogramm bekenne. Diesem zufolge "will Vorarlberg auch Vorbild für andere Regionen sein und eine Spitzenposition in Österreich und Europa einnehmen".

"Wenn nun in Vorarlberg als einzigem Bundesland in Österreich touristische Hubschrauberflüge genehmigt würden, obwohl der Flugverkehr bekanntlich die klimaschädlichste Form der Mobilität darstellt, hätte dies sicherlich eine Vorbildwirkung in die gegenteilige Richtung", heißt es in dem offenen Brief vom Montag. Auch Naturschutzanwältin Katharina Lins forderte mit Verweis auf die Klimaziele ein klares Nein für die Flüge.

Landesrat sieht überwiegendes öffentliches Interesse

Die ÖVP – formal zuständig ist Landeshauptmann Markus Wallner – entschied sich dennoch dafür, betont aber die "strengen Auflagen" – man habe nicht nur die Bewilligungszeit auf zweieinhalb Jahre verkürzt, die Tourismusverantwortlichen in Lech seien außerdem aufgefordert worden, ein Konzept zu entwickeln, wie Heliskiing mit der Nachhaltigkeit im Tourismus zu vereinbaren sei. Man hat laut Gantner umweltökologische, wildökologische, touristische, aber auch sicherheitsrelevante Aspekte abgewogen und sei zu dem Schluss gekommen, dass eine Bewilligung nach wie vor überwiegend im öffentlichen Interesse sei.

Koalitionspartner mit Kritik

Mehrere Umweltorganisationen prüfen derzeit rechtliche Schritte gegen den Bescheid. Naturschutzanwältin Lins, die die Entscheidung nicht überrascht hat, fordert Transparenz: "Wir möchten die Grundlagen für diese Entscheidung sehen."

Und auch der grüne Koalitionspartner ist mit dem Go für das Heliskiing – trotz der erwähnten Einschränkungen – nicht glücklich. Landessprecher Daniel Zadra verweist etwa auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, das klar besage, dass nur dann ein besonders wichtiges öffentliches Interesse bestehe, wenn ohne Verwirklichung eines Vorhabens wesentliche Nachteile für den Fremdenverkehr zu befürchten wären. "Das Vorhaben, hier eben Heliskiing, müsste also einen entscheidenden Beitrag zur wirtschaftlichen Existenzsicherung leisten, ohne den der Betrieb einer zeitgemäßen Tourismuswirtschaft ernstlich infrage gestellt wäre. Reine Ertragsverbesserungen oder Verbesserungen der touristischen Auslastung reichen nicht", sagt Zadra, der auch auf Twitter ungewohnt offen und direkt Kritik am Regierungspartner übte.

Dort teilte er eine Grafik zur Erderwärmung und schrieb dazu: "Das ist die menschengemachte Erderhitzung. Gleichzeitig wird Heliskiing vom Landeshauptmann in Vorarlberg weiterhin genehmigt." Er verwies auch auf den Film "Don't Look Up", der Wissenschaftsfeindlichkeit in der Politik aufarbeitet.

Naturschutzabteilung des Landes mit negativer Stellungnahme

Auch diverse Stellungnahmen fallen kritisch aus. In jener der Naturschutzabteilung des Landes heißt es beispielsweise, dass die "Versagung der luftfahrtrechtlichen Bewilligung" wegen "erheblicher naturschutzrechtlicher Beeinträchtigungen" bereits 2006, 2011 und 2016 gefordert worden sei. Gerade die Flugrouten zum Schneetäli und Mehlsack würden in abgelegene, wenig frequentierte Naturräume führen, die im Winter bevorzugt als Rückzugsgebiete für Schalenwild und Raufußhühner dienen. "Helikopterflüge zu skitouristischen Zwecken erfolgen unregelmäßig und unvorhersehbar, sodass langfristig kein Gewöhnungseffekt bei störungsempfindlichen Arten eintreten kann."

Die Landesbehörde kommt zu dem Schluss, dass es nicht nachvollziehbar wäre, "wenn angesichts derart schwerwiegender entgegenstehender öffentlicher Interessen im Rahmen der Gemeinwohlabwägung der Schluss gezogen würde, dass das wirtschaftliche Interesse an der Durchführung höher wiegt", denn eine wirtschaftliche Auswirkung auf das Skigebiet oder gar die Region scheine "geradezu ausgeschlossen".

Keine Prüfung durch Naturschutzbehörde

In der Stellungnahme heißt es außerdem, "dass das Erfordernis einer artenschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung oder Naturverträglichkeitsprüfung im Sinne der naturschutzrechtlichen Vorschriften seitens der Bezirkshauptmannschaft Bludenz als zuständiger Naturschutzbehörde zu prüfen ist" – eine solche Prüfung gab es allerdings nicht. Die Bezirkshauptmannschaft verfasste eine "naturschutzfachliche Stellungnahme". Es stellt sich daher die Frage, ob der Bescheid gesetzeskonform zustande gekommen ist.

Apropos Bezirkshauptmannschaft Bludenz: In deren Stellungnahme steht unter anderem, dass Heliskiing eine ressourcenintensive Freizeitnutzung darstelle, die mit den Erfordernissen des Klimawandels und internationalen Klimaabkommen nicht vereinbar erscheine. "Insbesondere der Alpenraum wird von den Folgen des globalen Klimawandels betroffen sein." Auch diese Stellungnahme fällt also negativ aus.

Landesrat mit anderen Stellungnahmen

In einer Aussendung der Landesregierung hieß es, den "kritischen bis ablehnenden Stellungnahmen" diverser Umweltschutzorganisationen und der Umweltabteilung stünden Stellungnahmen und Erfahrungsberichte aus der Praxis, aber auch das "Sicherstellen der Durchführung von notwendigen Lawinenspreng- und Rettungsflügen und eben auch Fremdenverkehrsinteressen" gegenüber.

Auch über die Bundeslandesgrenzen hinaus sorgten die Heliskiingflüge bereits in der Vergangenheit für Aufsehen. Der vergangenes Jahr verstorbene Günther Kräuter bezeichnete sie 2018 – damals war er Volksanwalt für die SPÖ – als verfassungswidrig, weil "öffentliches Interesse" von der Landesregierung lediglich behauptet, aber nicht untermauert worden sei.

Von Gourmetflügen bis Bautransporten

Für die Firma Wucher ist das Heliskiing, das auch in Georgien angeboten wird, jedenfalls nicht das einzige Geschäftsfeld. Das Unternehmen hat einen Vertrag mit der Vorarlberger Bergrettung, außerdem werden VIP- und Shuttleservices angeboten – etwa vom Zürcher Flughafen nach Lech oder vom Münchner Flughafen nach Zell am See –, zusätzlich gibt es sogenannte "Gourmetflüge" zu Restaurants. Man habe eine Reihe prominenter Stammgäste im VIP-Transport, heißt es auf der Website. Spezialisiert ist Wucher aber nicht nur auf Personen-, sondern auch auf Lastenflüge, etwa Transporte für den Bau von Seilbahnen oder Hotels im Gebirge, das sei das Kerngeschäft der Firma.

Und was sagt die Touristik in Lech? Man sei zufrieden mit der Entscheidung, sagt Tourismusdirektor Hermann Fercher zu den "Vorarlberger Nachrichten". Immerhin befinde sich das Skifahren hier "in der DNA", und da gehöre Heliskiing dazu. Er verweist aber gleichzeitig darauf, dass Nachhaltigkeit ein Schwerpunkt in der Tourismusstrategie sei. Das touristische Angebot werde vor diesem Hintergrund immer wieder geprüft – auch das Heliskiing. Man stehe also auch neuen Entwicklungen offen gegenüber. (Lara Hagen, 20.1.2022)