Macht Strenge glücklich? Und wen? Ruth Maders starrer Nichtthriller "Serviam"

Drehli Robnik
FALTER:Woche, FALTER:Woche 48/2022 vom 30.11.2022

Zwei Arten von Vergangenheit: "Serviam -Ich will dienen" spielt um 1980 in einem katholischen Wiener Mädcheninternat; dessen rigoroses Regime, das teilweise weltliche, schick gekleidete Lehrerinnen phlegmatisch exekutieren, wirkt aus auch noch dieser Zeit gefallen. Zöglingsväter (Udo Samel, Fritz Karl, Florian Teichtmeister) kommen zu Besuch, sie sind mehr narzisstisch als fromm. Und so kotzbrockig wie die Buben am Internatszaun.

Mädchen und Erzieherinnen, erstarrt im Reglement. Nur in dessen Überbietung erfolgt hier Ausbruch: Mit Stehsätzen über Gehorsam treibt eine junge Nonne (Maria Dragus) eine Zwölfjährige (Sophia Gómez-Schreiber) zu immer mehr Demut bis hin zum Bußgürtel. Zu Filmmusik à la Bernard Herrmann kündigt sich ein Psychothriller an - rund um Glaubenswahn, finstere Pädagogik, Heimlichkeit im unbewohnten Trakt, Argwohn unter Zimmerkolleginnen, Vertuschung von oben. Er kündigt sich an und kommt nicht. (Wie die Erlösung.)

All den Exerzitien der Strenge schmiegt sich Ruth Maders Erzählen und Inszenieren nahtlos an: repetitiv, in starr-frontalen Symmetrie-Kadragen, in leeren Gängen und Handlungen. Im Willen zur Abtötung abirrender Regungen erstickt "Serviam" auch Paranoia-Stimmungen, wie sie das Zwangsroutinenpanorama von Maders vorigem Film 2018 vermittelt hatte: Der Sci-Fi-Thriller "Life Guidance" bildet ein Diptychon mit Maders neuem Szenario strenger Lebens-Führung; Crew und Cast -Petra Morzé nun als Oberin -sind sehr ähnlich, ebenso Elemente wie eine "Wohltäter in Afrika"-Fantasie als Flucht aus der jeweils beschworenen Luftdichte des Systems.

Dass Mader mit dem Thrill nun auch das liberale Narrativ "Systemtranszendenz durch eine einzelne Abweichlerfigur" weglässt und eine Welt entwirft, in der Ominöses sich kaum vom Normalablauf abhebt, bezeugt Mut. Den aber macht ihr Gehorsam zur fixen Form fast zunichte: "Serviam" ist vergafft in die Endlos-Exposition einer Dressurstruktur; sozial unvermittelt und ungerührt von Handeln oder Gefühlsaufladung, bleibt diese im vollen Sinn ohne Geschichte.

Ab Fr in den Kinos

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