Tropisch-hypnotisch: "Pacifiction"

FALTER:Woche, FALTER:Woche 48/2022 vom 30.11.2022

Cremeweißer Anzug, Sonnenbrille selbst nachts. De Roller, Hochkommissar Frankreichs auf Tahiti, ist ständig auf Achse: Mittagessen mit Vertretern der Einheimischen. Die Hotelrezeptionistin Shannah über ausländische Gäste aushorchen. Im Nachtclub, wo sich alle Mächtigen versammeln, den Admiral beobachten. Man munkelt von einem U-Boot, es verbreitet sich das Gerücht von der Wiederaufnahme der Atomtests, die Französisch-Polynesien bis 1996 heimgesucht haben. De Roller forscht nach und fragt sich: Erodiert seine eigene Position?

Albert Serras "Pacifiction" als Thriller zu bezeichnen führt in die Irre: Das Werk ist zuerst ein experimentelles, das freilich mit den Genres des Paranoia-Krimis, der politischen Farce, des apokalyptischen Film noir spielt. Seine 163 Minuten sind lang, das Tempo wie von tropischem Fieber gedämpft. Bei der Stange hält die Rätselhaftigkeit: Viele Figuren werden kaum eingeordnet, ihre Beziehungen muss die eigene Fantasie ausstaffieren. Gespielt sind sie mit Leidenschaft, es glänzen Benoît Magimel als De Roller und Pahoa Mahagafanau als Shannah. Vor allem aber verleihen die Bilder Serras eigensinnigem Werk hypnotische Anziehungskraft (Kamera: Artur Tort): orange Himmel über Palmen, Bootsritte auf Wellengebirgen, Tanzszenen in Tintenblau.

Ab Fr im Gartenbaukino (OmU)

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden Sie in unserem Archiv.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!