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London am 6. Dezember 1952: Allein an diesem schlimmsten Tag der Katastrophe starben 1.000 Bewohner der Stadt an den Smogfolgen. Die meisten Toten hatten blaue Lippen: Sie waren erstickt.

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Washington/Wien – Es war eine der schlimmsten vom Menschen verursachten Umweltkatastrophen in der Geschichte Europas – und ist heute doch einigermaßen vergessen: Zwischen 5. und 9. Dezember 1952 wurde London von einem Smog heimgesucht, der schlimmer war als jedes andere Zusammentreffen von Smoke (Rauch) und Fog (Nebel) vorher oder nachher: Der Smog tötete an diesen fünf Tagen 4.000 Menschen, 150.000 mussten in Krankenhäusern behandelt werden. An den Spätfolgen starben in den nächsten Monaten 8000 Londoner.

Schwarz bis zur Unterwäsche

Der 5. Dezember 1952 begann noch als ein klarer kalter Wintertag. Doch im Laufe des Nachmittags wurde der Nebel allmählich so dicht, dass die Bewohner der Stadt ihre Autos auf der Straße stehen ließen und sich zum Teil die Hauswände entlang nach Hause tasteten. Die dunkle Nebel- und Rauchsuppe drang in Häuser und Fahrzeuge ein und verfärbte sogar noch die Unterwäsche schwarz. Kino- und Opernvorführungen mussten aufgrund der Luftverhältnisse abgebrochen werden.

Tags darauf betrug die Sichtweite nicht einmal mehr einen Meter. Dieser 6. Dezember 1952 war der schlimmste der fünf Tage Smog: Fast 1.000 Menschen starben, und die meisten Toten hatten blaue Lippen, was auf Tod durch Ersticken verweist. Andere erlitten einen Herzstillstand aufgrund von Kreislaufüberlastung. Die Katastrophe endete erst am 9. Dezember, als starker Südwestwind den tödlichen Nebel auflöste.

Ausgeprägte Inversionswetterlage

Doch wie kam es, dass ausgerechnet dieser Smog im Dezember 1952 so furchtbare und einzigartige Folgen hatte? Zum einen lag das an einer ausgeprägten Inversionswetterlage, die an diesen Tagen herrschte: Am Boden strömte kalte Luft nach London, während die Luft in größerer Höhe wärmer war. Die Londoner heizten aufgrund der Kälte; zum Rauch aus den Kohlenöfen kam der aus Fabriken und Kohlekraftwerken. Wegen der Temperaturumkehr konnten die Schadstoffe nicht abziehen.

Zum anderen weiß man, dass der Schadstoffmix vor allem deshalb so letal war, weil man damals billige Braunkohle verfeuerte. Die qualitativ bessere Kohle wurde ins Ausland verkauft. Dadurch wurde besonders viel Schwefeldioxid (SO2) emittiert, das sich aufgrund der Inversionswetterlage über die Stadt legte. Die Konzentration erhöhte sich immer weiter. Vor allem aber bildete sich durch die Reaktion des SO2 mit den Wassertröpfchen des Nebels fein zerstäubte Schwefelsäure.

Sam roger.roger

Doch der genaue Mechanismus, warum das 1952 in so ausgeprägtem Maß geschah, war bisher ein Rätsel. Das hat nun ein internationales Forscherteam um Renyi Zhang (Texas A&M University) gelöst, indem es im Labor die Bedingungen dieser speziellen Smogbildung rekonstruierte. Wie die Forscher im Fachmagazin "PNAS" berichten, kam die giftige Mischung aufgrund einer fatalen Kombination aus hoher Luftfeuchtigkeit, tiefen Temperaturen, großer Nebeltröpfchen und – das ist das Neue an der Studie – Stickstoffdioxid zustande, das ebenfalls aus der Braunkohle stammte. Auf diese Weise konnte besonders viel Schwefelsäure entstehen, die den Smog so gefährlich machte.

Vergleiche mit Chinas Smog

Während man in England erfolgreich Maßnahmen ergriff (wie den "Clean Air Act" 1956), um die Wiederholung solcher Katastrophen zu verhindern, stehen einige chinesische Millionenstädte vor ähnlichen Problemen wie London 1952. Auch dort herrschen im Prinzip ähnliche Ausgangsbedingungen vor, schreiben die Forscher um Zhang.

Doch es gibt mehrere Faktoren, die kleine Unterschiede machen: unter anderem kleinere Partikel und Ammoniak aus Chinas Dünger und dem Straßenverkehr, was die Schwefelsäurebildung eher erleichtert. Entsprechend rät Zhang, möglichst den Ausstoß von Stickstoffoxid und von Ammoniak zu reduzieren. Der in chinesischen Millionenstädten wie Peking immer wieder herrschende Smog-Cocktail ist zwar weniger sauer und tödlich als "The Great Smog" in London 1952, aber dennoch sehr ungesund: Man nimmt an, dass in China jährlich 1,6 Millionen Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung sterben. (Klaus Taschwer, 17.11.2016)