Eine Klasse für sich

Als Wiener Fußballerinnen einzig in der Welt waren
366 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783902975898
Erscheinungsdatum 01.07.2020
Genre Geschichte/Kulturgeschichte
Verlag Verlagshaus Hernals
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Kurzbeschreibung des Verlags

Als Frauen in Wien zwischen 1935 und 1938 eine Fußball-Meisterschaft austrugen, war Österreich weltweit das einzige Land mit eigenen Titelkämpfen. Die in den 1920er-Jahren begonnene und seit 1934 stürmisch vorangetriebene Entwicklung machte Wien zu einem der Zentren in der Frühgeschichte des Frauenfußballs. Es ist an der Zeit, die außergewöhnliche Geschichte der ersten österreichischen Fußballerinnen in Wort und Bild nachzuzeichnen und sie in detaillierten Statistiken aufzuarbeiten. In vielerlei Hinsicht waren Österreichs erste Fußballerinnen „eine Klasse für sich“. Dass dieser Aufschwung just in der Zeit des „Austrofaschismus“ gelang, macht ihn auch gesellschafts- und genderpolitisch bedeutsam.

Offiziell nahm der „Damenfußball“ erst im Jahr 1971 mit der Aufhebung des generellen Spielverbots des ÖFB auf den Verbandsplätzen seinen Anfang. Doch der Kulturwissenschaftler und Historiker Matthias Marschik und der Frauenfußball-Forscher und -Trainer Helge Faller begeben sich in diesem Buch auf die Spuren des „Damenfußballs“ in Österreich.
Sie finden Hinweise darauf, dass Frauen schon vor dem Ersten Weltkrieg in Wien Fußball spielten und zeichnen die – sogar fotografisch festgehaltenen – intensiven Aktivitäten seit dem Jahr 1923 nach. Der Schwerpunkt liegt auf dem Ligabetrieb der Jahre 1935 bis 1938. Begonnen hatte es als kurzfristige Belustigung für ein Männerpublikum, als Radsportidol Ferry Dusika die Frauen trainiert hatte und Matthias Sindelar im Oktober 1935 vor 3.000 Besuchern den Ankick vornahm. Das Buch zeichnet im Detail nach, wie und wieso diese „Hetz“ trotz Verboten durch staatliche Sportorganisationen und den ÖFB in eine dreijährige Blütezeit des Frauenfußballs in Wien überging.

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FALTER-Rezension

„A so a Weiberl is ka Freud“

Johann Skocek in FALTER 44/2020 vom 30.10.2020 (S. 36)

Wiener Mädeln spielen Fußball.“ In der Illustrierten Kronen-Zeitung erscheint am 8. September 1935 ein ganzseitiger Bildbericht über das Training des 1. Wiener Damen-Fußball-Clubs. Der Fußball „marschiert auf den schlanken Beinen seiner Spielerinnen“, heißt es da. Weiter hinten im Blatt eine kleine Meldung der 1:2-Niederlage des WAC gegen die Vienna, bei der Wunderteam-Stürmer Fritz Gschweidl „nicht überzeugen konnte“.

Zu diesem Zeitpunkt tummelten sich Frauen schon seit mehr als zehn Jahren auf diversen Wiesen und Plätzen, und ihr größter Gegner war wohl die männliche Überheblichkeit. Die Medien berichteten, wenn überhaupt, herablassend bis höhnisch über die Frauenfersler. Manche der damals kolportierten Vorurteile werden heute noch gegen den Frauenfußball ins Treffen geführt: Er sei für Frauen zu brutal, widerspreche ihrer „Natur“ und ihrer „Rolle in der Familie“. Kurz, der Anblick verschwitzter schöngestaltiger Geschöpfe sei Männern einfach nicht zuzumuten. So überschrieb die Wiener Sonn- und Montags-Zeitung am 11. August 1924 eine Karikatur kickender Damen mit „A so a Weiberl is ka Freud“.

Die Funktionäre im nationalen Dachverband Sport- und Turnfront betrachteten das Treiben mit Argwohn. Frauenfußball sei „kein Sport“, behaupteten sie. Der Österreichische Fußballverband verbot seinen Mitgliedsvereinen gar, Plätze an die Frauenkickerinnen zu vermieten, und boykottierte das Streben der Damen, eine eigene Liga zu bilden. Doch die ließen sich weder von der Männer Spott noch von der Ignoranz der Zeitungen vertreiben, fanden Wiesen und Plätze, um das schöne Spiel auf ihre Art zu pflegen.

Und mit der Zeit erzwangen sie die Anerkennung ihrer Bemühungen. Der legendäre Austria-Stürmer und Kapitän des österreichischen Wunderteams, Matthias Sindelar, nahm am 13. Oktober 1935 in Hernals den Ankick für „das erste richtige Fußballspiel“ vor. 1. Wiener DFC gegen die Damen der Austria. Sindelars Auftritt war wohl eher ein Werbeevent für ihn selbst, schreibt Matthias Marschik in dem vor kurzem erschienenen Buch „Eine Klasse für sich – Als Wiener Fußballerinnen einzig in der Welt waren“ (Verlagshaus Hernals, Wien 2020, gemeinsam mit Helge Faller).

Er war als Kind seiner Zeit eher dem männerdominanten Weltbild verpflichtet, das Frauen als schönen Aufputz betrachtete, aber sie als nicht wichtig genug erachtete, „dass sie einen Mann auf seinem Weg aufhalten können“. Aber er polemisierte auch nicht gegen die Bemühungen der Frauen um den Ball.

Sindelars Ankick war wohl auch der Tatsache geschuldet, dass die Vertreterinnen seines Vereins, der Austria, gegen den 1. Wiener DFC antraten. Das Spiel sollte eine erste kurze Blüte der Wiener Damenkicks einleiten. Auf den Lehrer-Platz in Hernals waren 2600 Zuschauer gekommen, nach zeitgenössischen Zeitungsberichten erwarteten viele eher eine „Hetz“ als ein richtiges Spiel. Doch wurden sie von den Leistungen der Damen im Zuge des 3:3 eines Besseren belehrt. Der Journalist und Radiokommentator Willy Schmieger, neben Wunderteam-Chef Hugo Meisl die wichtigste Figur im Fußball der Zwischenkriegszeit, förderte den Damenkick und zeigte sich auch von den Darbietungen am 13. Oktober angetan.

Die Zeiten waren schlecht, und der Damenkick sorgte in der von Elend und der bitteren Rivalität zwischen den Sozialdemokraten und den faschistoiden Christlich-Sozialen geplagten Stadt für ein paar Stunden Ablenkung. 1933 hatten die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernommen, in Wien regierte der „rote“ Bürgermeister Karl Seitz. Unzählige Familien lebten in Dreckslöchern, viele litten unter Arbeitslosigkeit. Im Februar 1934 eskalierte der Widerstand der Sozialdemokraten gegen den Austrofaschismus unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß. Der ließ am 13. Februar den Karl-Marx-Hof mit Artilleriewaffen beschießen und stürmen. Im Mai 1934 rief Dollfuß mit Rückendeckung des italienischen faschistischen Diktators Benito Mussolini den totalitären Ständestaat in Österreich aus.

Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich unter Adolf Hitler bedeutete 1938 für viele Jahre das Ende oder doch erhebliche Einschränkungen des Damenfußballs in Wien und Österreich. Frauen wurden als Heimchen am Herd und Gebärmaschinen gezeichnet, der Männerkick lief bis wenige Monate vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa im Mai 1945. Und wenige Tage nachher spielten die Männer schon wieder.

Die Frauen brauchten Jahrzehnte, um sich wieder zu organisieren. In den 1970er-Jahren etablierte sich eine Damenliga, auch in diesem Fall war der ÖFB erst skeptisch, bis er sich zur Aufnahme der Damen in seine Reihen entschloss. 1990 trat ein Damen-Nationalteam auf: 1:5 gegen die Schweizerinnen.

„Heute sind viele Vorbehalte gegenstandslos geworden“, sagt ÖFB-Teamchefin Irene Fuhrmann (40). Sie steht mit ihrer Mannschaft mitten in der Qualifikation für die Euro 2021, das erste Match haben sie mit 5:0 gegen die Kasachinnen gewonnen. Die Verengung des Frauenbildes auf rein männerdefinierte Ästhetisierung habe sich aufgehört, sagt Fuhrmann, auch die Vergleiche mit der Leistungshöhe und Dynamik der Männer würden seltener. In anderen Sportarten sind Vergleiche mit Männern obsolet, so Fuhrmann. Niemand würde auf die Idee kommen, Springreiterinnen, Eiskunstläuferinnen oder Turnerinnen an der Performance ihrer männlichen Kollegen zu messen. Der Verband hat vor kurzem in einem seltenen Akt von Geschichtsbewusstsein eine mehrteilige TV-Dokumentation über die Geschichte der Frauen mit dem Fußball veröffentlicht. „Ich habe große Achtung vor den Pionierinnen“, sagt Fuhrmann, „ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen.“

Martina Mädl (28) spielt in der Frauenmannschaft der Wiener Austria im Mittelfeld. Sie hat Mathematik und Sport studiert und eine Bachelorarbeit über Frauenfußball geschrieben. „Früher mussten Mädchen öfter Spott oder gar Beschimpfungen über sich ergehen lassen“, sagt Mädl. „Aber in den vergangenen fünf Jahren habe ich niemanden mehr gegen Frauenfußballerinnen reden gehört.“ Ähnlich wie 1935 bedurfte es wohl eines Erweckungserlebnisses, um die gesellschaftliche Akzeptanz anzuknipsen. Die Österreicherinnen boten bei der Euro 2017 eine unerwartet brillante Vorstellung und schieden erst im Semifinale gegen die Däninnen aus (0:3), die ihrerseits das Finale gegen die Niederländerinnen verloren (2:4).

Die bitteren Jahre der gesellschaftlichen Ignoranz sind vorbei, auch wenn es das ÖFB-Frauenteam 2019 nicht in die WM-Endrunde schaffte. Mädl unterrichtet in einer Mittelschule im 21. Wiener Bezirk, die meisten ihrer Kolleginnen, auch die Legionärinnen aus Deutschland, arbeiten und studieren nebenbei oder haben zumindest einen Beruf erlernt. Mädl: „Vom Geld her können wir uns mit den Männern überhaupt nicht vergleichen.“ Die Corona-Krise hat die Lage noch verschärft, öfter als dreimal pro Woche geht sich das Training nicht aus. Denn praktisch alle Mannschaftsmitglieder können erst nach Arbeitsschluss auf den Platz kommen.

Doch das tut der medialen Anerkennung keinen Abbruch mehr. Früher waren die Damen nur in den Medien, wenn der Männerkick eine Krise durchmachte, sagt Marschik. Zwischen 1935 und 1938 lief in Wien die weltweit einzige Damenliga, mittlerweile sind die Damen in so unterschiedlichen Ländern wie Frankreich, den USA, Deutschland und Brasilien weiter als die Österreicherinnen. Auch der ÖFB hat 1998 in St. Pölten ein professionell geführtes Ausbildungszentrum für Mädchen etabliert. Der Verein aus St. Pölten ist derzeit das Maß in der Frauenliga, sagt Mädl. Die haben das ÖFB-Zentrum als Trainingsgelände zur Verfügung, mehr Geld, mehr Legionärinnen. Wiens Vorreiterrolle ist auch bei den Kickerinnen längst vorbei, lange Zeit war der SV Neulengbach das Role-Model, wo der ÖFB-Trainerausbildner Johannes Uhlig Training und Taktik professionalisierte.

Dennoch gebührt den Wienerinnen der Zwischenkriegszeit Anerkennung dafür, ihre Selbstbestimmtheit in einer Zeit der „Kanzlerdiktatur“ Dollfuß’ und der strukturellen Benachteiligung der Frauen aufrechterhalten und öffentlich demonstriert zu haben. Gegen alle Widerstände des Zeitgeistes und der Politik leisteten Frauenfußballerinnen im Austrofaschismus einen bisher krass unterschätzten Beitrag zu Emanzipation und Anerkennung der Frau, der gerade heute, da politische Kräfte alte Rollenbilder wiederbeleben wollen, nicht hoch genug eingestuft werden kann.

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